BAUSPAREN UND BAUSPARKASSEN 2018

ZUM 10. GEBURTSTAG DER EIGENHEIMRENTE: HIDDEN CHAMPION FÜR DIE WOHNEIGENTUMSFINANZIERUNG

Jörg Münning Quelle: LBS West

Es ist der Geburtstag eines "Hidden Champions": Vor zehn Jahren wurde die Eigenheimrente aus der Taufe gehoben. Und sie hat es seitdem geschafft, rund 1 750 000 Menschen dazu zu bewegen, freiwillig und aus eigenen Mitteln Geld für die Verbesserung der eigenen Vorsorge durch Immobilien anzusparen beziehungsweise zu investieren. Klar ist nach Ansicht des Autoren aber auch: Es geht noch mehr. Da die Schaffung von Wohnraum explizit im Koalitionsvertrag verankert ist, biete sich die Chance, endlich die drei Handlungsstränge zu verfolgen, die in Sachen Eigenheimrente wesentlich seien. Welche das sind, erläutert er ebenso wie die Frage, was getan werden muss, um die wichtigsten Kritikpunkte rund um die Riester-Produkte zu beseitigen. Red.

Die Eigenheimrente - auch Wohn-Riester genannt - ist die einzige Form der Altersvorsorge, die man schon lange vor Renteneintritt genießen kann. Bei diversen Untersuchungen (Finanztest) bestätigt sich immer wieder: Für Sparer, die in den eigenen vier Wänden leben wollen, sind die diversen Formen der Eigenheimrente hochinteressant.

Wenn das Ziel die Immobilie ist, dann sind im Wesentlichen drei Riester-Optionen für den Kunden relevant:

- Der Riester-Bausparvertrag als Vorsparprodukt, das günstige Finanzierungszinsen sichert und für die Einbindung der Förderung in der Darlehensphase optimiert ist.

- Die Einbeziehung der Förderung als Tilgungsbeschleuniger in ein Hypothekendarlehen.

- Die Entnahme von angesparten Mitteln aus anderen Altersvorsorgeprodukten, wie Riester-Rentenverträgen, Riester-Fondssparplänen und Riester-Banksparplänen für den Bau, Umbau und Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum.

Es sind diese letztgenannten Altersvorsorgeprodukte, die sich in der Praxis als Spaßbremsen der Geburtstagsparty für die Eigenheimrente erweisen. Denn sie teilen mit der Eigenheimrente eine grundlegende Fördersystematik und deren Namen: Riester. Sie prägen das Image von Riester entscheidend mit und beeinflussen damit auch massiv die Entwicklung der Eigenheimrente. In den vergangenen Jahren wirkten sie leider häufig als Hemmschuh.

Altersvorsorgeprodukte als Spaßbremsen

Dabei hatten sie den Vorteil der "frühen Geburt". Als die Eigenheimrente 2008 erstmals angeboten wurde, war der Markt bereits verteilt. Rund 12 Millionen Deutsche hatten bereits einen Produkt mit Riester-Förderung abgeschlossen. Die beliebteste Altersvorsorge der Deutschen, die eigene Immobilie, hatte bis dahin noch keine Berücksichtigung unter Riester gefunden, sodass mutmaßlich zahlreiche Kunden gar keine Chance hatten, das für sie optimale Produkt abzuschließen.

Zudem zeichnete sich bereits 2008 ab, dass nicht jedes der bis dahin angebotenen Produkte aus Kunden- und Anbietersicht gleichermaßen ausgewogen entwickelt war. Diese Probleme verschärften sich bei einzelnen Anbietern mit der Finanzkrise ab 2008 und der fortgesetzten Niedrigzinsphase.

Undifferenzierte Kritik

Dadurch bot und bietet das Produktlabel "Riester" viel Angriffsfläche für kritische Medienberichterstattung und politische Diskussionen. Zu Unrecht richtete sich die Kritik dabei undifferenziert gegen das Gesamtsystem "Riester". Durch die Kritik werden Zweifel an der Zuverlässigkeit der privaten Vorsorgesäule insgesamt gesät. Die Folgen: Das Vertrauen der Riester-Kunden in ihre Absicherung wird untergraben; Menschen, die mithilfe von Riester einen wertvollen Vorsorgebaustein bilden könnten, sind verunsichert und bleiben passiv. Zwischenzeitlich drohte das Thema, befördert durch einzelne politische Äußerungen, Riester sei "gescheitert", im Vorfeld des Wahlkampfs 2017 weiter Schaden zu nehmen.

Diese unmittelbare Gefahr ist abgewendet. Gleichzeitig ist die Schaffung von Wohnraum explizit im Koalitionsvertrag verankert. Das bietet die Chance, endlich die drei Handlungsstränge zu verfolgen, die in Sachen Eigenheimrente wirklich wesentlich sind. Es gilt:

1. klarer zwischen der Eigenheimrente und den Geldrenten-Produkten zu differenzieren.

2. das Förder-System weiter aus Kunden- und Anbietersicht zu vereinfachen und

3. die Notwendigkeit zur privaten Vorsorge und die Wichtigkeit der Sparkultur angesichts der demografischen Prognosen wieder massiv ins Bewusstsein zu holen.

Eigenheimrente versus Geldrente

Auch wenn die Kritik immer wieder aufflammt: Das Riester-System ist einerseits eine einzigartige, ausgeklügelte Konstruktion und andererseits de facto eine Erfolgsgeschichte. Rund die Hälfte aller förderfähigen Arbeitnehmer, Hausfrauen und -männer sowie Beamte hat inzwischen einen Vertrag abgeschlossen. Anders gesagt: Jeder zweite deutsche Haushalt hat einen Riester-Vertrag. Es gibt keine andere sozialpolitische Entscheidung der Nachkriegszeit, die mehr als 16 Millionen Menschen überzeugt hat, freiwillig und mit eigenen Mitteln vorzusorgen.

Ebenso unbestritten wie der Nutzen der privaten Zusatzvorsorge aus Kundensicht ist aus Anbietersicht die Komplexität der Abwicklung. Konstruktionsbedingte Besonderheiten wie die Zulagenabwicklung und das Wohnförderkonto stellen Sonderanforderungen an Prozesse, IT und Personal. Und die festgeschriebene Notwendigkeit, das eingezahlte Kapital für die gesamte Vertragslaufzeit zu garantieren, erfordert sehr langfristige Kalkulationen. So lange die absolute Beitragsgarantie - unabhängig vom Kundenwunsch - bestehen bleibt, müssen die Anbieter die Risiken begrenzen. Das machen sie je nach Produkt und Anbieter auf sehr unterschiedliche Weise, was den Markt aus Kundensicht unübersichtlich macht und wenig hilfreich ist bei der Imagepflege des Gesamtsystems Riester.

Eine unübersichtliche Marktlage

Der Wandel im Riester-Markt hält an. Viele Anbieter von Banksparplänen haben ihr Neugeschäft ausgesetzt oder eingestellt. Auch einige Anbieter klassischer Riester-Rentenversicherungen modifizieren ihr Angebot und sind auf fondsgebundene Rentenversicherungen gewechselt. Diese Produktform wiederum ist bezüglich des Kostenmanagements anspruchsvoll und wird von Verbraucherschutzexperten kritisch gesehen. Diverse Anbieter haben eine Mindestansparzeit eingeführt, andere die Altersgrenze gesenkt, bis zu der sie Neukunden überhaupt akzeptieren. Einzelne Fonds sind dadurch bereits für Menschen Mitte 40 nicht mehr zugänglich.

In dieser unübersichtlichen Marktlage ist es entscheidend, den Verbrauchern die Unterschiede zwischen Eigenheimrente und Geldrente im System Riester ganz deutlich zu machen. Zwar waren Eigenheimrentenprodukte nie selber Gegenstand der Kritik, aber in der öffentlichen und medialen Wahrnehmung wurde diese Differenzierung nur selten vorgenommen. Überhaupt sind Information und Transparenz in Sachen Riester aus Sicht der Kunden große Herausforderungen.

Ungenutzte Potenziale

Die jährlichen Zahlen des Bundesarbeitsministeriums zeigen Jahr für Jahr, dass noch lange nicht alle Riester-Kunden auch die Zulagen beantragen. Dabei sind es gerade diese Zulagen und Steuervorteile, die die Produkte vom Markt abheben. Besonders groß sind die ungenutzten Potenziale beim Thema Steuer. Eine Studie des Arbeitsministeriums NRW aus dem Jahr 2015 zeigte, dass sich nahezu jeder Dritte befragte Riester-Nutzer nicht bewusst war, dass er durch dieses Produkt steuerliche Vorteile bekommt.

Auch speziell in Sachen Eigenheimrente gilt es sicherlich, Aufklärungsarbeit zu leisten. Wer heute langfristig in Form von Wohneigentum für sein Alter vorsorgen will, kann finanziell mit Riester-Verträgen deutlich besser fahren als mit anderen Altersvorsorgeprodukten oder konventionellen Baukrediten. Diese Prüfung sollte verpflichtend sein. Immobilienfinanzierungsberatungen, in denen das Wort Riester nicht einmal vorkommt, darf es nicht mehr geben.

Dass Riester aufgrund der steuerlichen Berücksichtigung und der Zuschüsse auch für den Staat eine Langfristkalkulation ist, spiegelt die komplexe rechtliche und organisatorische Regelung der Förderung wieder. Einige Optimierungen hat die Riester-Förderungen in den Jahren seit Einführung bereits erfahren. Neben der Einbeziehung der Immobilie als Altersvorsorgegegenstand in 2008 zählen dazu auch die Neuerungen 2018 durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz, darunter die Erhöhung der Grundzulage seit Jahresbeginn und die Verbesserung für Geringverdiener. Sie dürfen künftig bis zu 100 Euro zusätzlich zur staatlichen Grundsicherung behalten. Damit ist ein wesentlicher Kritikpunkt entschärft.

Wie geht Riester einfacher?

Ein Ärgernis ist weiterhin das Wohnförderkonto. Es dient als Hilfskonstrukt, um die korrekte Versteuerung bei Renteneintritt zu berechnen. Aus Kundensicht unverständlich ist die Verzinsung dieses fiktiven Kontos zugunsten des Staates. Diese Verzinsung wurde 2008 auf zwei Prozent pro Jahr festgelegt. Damit ist sie seit Jahren deutlich über dem, was marktüblich ist. Meint es der Staat mit der privaten Altersvorsorgeförderung ernst, dann darf er sich an dieser kritischen Stelle nicht übervorteilen. Ein Absenkung oder Abschaffung der Verzinsung des Kontos ist überfällig.

Ein weiteres Potenzial liegt im Verwendungszweck. Während die Entnahme aus anderen Riester-Produkten für den Immobilienkauf und der altersgerechte Umbau mit Riester zwischenzeitlich möglich geworden sind, besteht in Sachen energetische Modernisierung ein Missstand. Menschen, die ein neues Haus nach einem bestimmten Energiestandard bauen, erhalten für diesen Bau Riester-Förderung - Menschen, die durch Umbau ihr altes Haus auf denselben Energiestandard bringen wollen, dürfen Riester-Mittel dafür nicht einsetzen.

So bleibt eine große Chance auf Verbesserung der Einkommenssituation im Alter ungenutzt: Könnte man die Riester-Förderung auch für energetische Sanierungen erhalten, hätten 16 Millionen Deutsche die Chance, ihre Nebenkosten im Ruhestand zu senken und gleichzeitig etwas für den Klimaschutz zu tun. In der aktuellen politischen Diskussion ist auch die bereits von Walter Riester 2001/2002 vorgesehene "verpflichtende" Riester-Rente, aus der sich Bürger per Opt-out aktiv befreien müssten. Eine solche Regelung müsste den Bürgern weitreichende Gestaltungsspielräume lassen, um nicht als "zweite Zwangsrente" wahrgenommen zu werden. Beispiel der Vergangenheit, wie der ursprüngliche "Konstruktionsfehler" bei Riester bis 2008, das Immobilieninteresse der Bürger zu ignorieren, sollten nicht wiederholt werden.

Positive Dynamik in Sachen Altersvorsorge teilweise erlahmt

Als die Rot-Grüne-Koalition in den Jahren nach der Jahrtausendwende über eine Rentenreform und die Notwendigkeit eine kapitalgedeckten Zusatzvorsorge diskutierte, war die Diskussion über die absehbare demografische Entwicklung allgegenwärtig. Zum Sinnbild der Herausforderung wurde die Grafik zur Entwicklung der Alterskohorten - jahrhundertelang eine Pyramide. Sie hatte sich auf den Kopf gestellt. Immer weniger Junge stützen immer mehr Alte.

Heute ist noch jeder Fünfte in Deutschland 65 Jahre oder älter, im Jahr 2060 wird es bereits jeder Dritte sein. Motor dieser Entwicklung ist die weiter steigende Lebenserwartung. Für die Sozialsysteme ist dieser Wandel eine erhebliche Belastung. Kommen heute auf 100 Menschen im Erwerbsalter noch 34 Senioren, würden es 2060 bereits 60 und damit beinahe doppelt so viele sein. Zusätzliche Absicherung war und ist unerlässlich.

Die Crux ist: 2018 ist der demografische Wandel kein Aufregerthema mehr. Obwohl seit der ersten breiten Diskussion dieser Erkenntnis Anfang des Jahrhunderts jedes neue Jahr Zahlen liefert, die die Thesen von damals und die Dringlichkeit belegen, so ist die damals entstandene positive Dynamik in Sachen eigener Vorsorge teilweise erlahmt. Derzeit spüren die Menschen in Deutschland erstmals, wie gut es ihnen geht. Die Inflation ist seit Jahren - zum Unmut der EZB - sehr niedrig. Gleichzeitig steigt Beschäftigung und Einkommen in Deutschland.

Diese Situation, verbunden mit dem Niedrigzinsniveau sollte uns dazu bringen, mehr für unsere Vorsorge zu tun. Das Gegenteil ist der Fall. Dabei ist eine lebendige Sparkultur wichtiger denn je. Die Niedrigzinsphase führt zu einem unterschätzten Problem: Weil mehr als eine Dekade lang Zinsen tendenziell rückläufig waren, hat die "Generation Y", die zwischen 1980 und 2000 geborenen, in ihrem gesamten Erwerbsleben noch keine signifikanten Zinserträge aus konservativen Anlagen erlebt.

Wie wird Sparen wieder attraktiv?

Entsprechend messen sie dem einfachen Sparen deutlich geringeren praktischen und emotionalen Wert bei als noch ihre Eltern und Generationen davor. Gleichzeitig scheuen weiterhin viele Bürger aufgrund der Volatilität spekulative Anlagen in Aktien und Wertpapieren.

Nicht umsonst genießt die Immobilie als sichere Wertanlage mit Sofortnutzen in dieser Situation extrem hohe Popularität. Nüchtern betrachtet, ist die Riester-Systematik für Zeiten wie diese in doppeltem Sinne perfekt geeignet. Sie sorgt für eine Verstetigung der Rendite auf Sparanlagen. Und sie ermöglicht durch die Eigenheimrenten-Komponente die Teilnahme der Riester-Nutzer am Markt für Immobilienerwerb. Bis zu 50 000 Euro kann der Vorteil bei einer Finanzierung durch Einbindung der Riester-Förderung betragen.

Eigenkapital als Eintrittskarte

Das wird in der derzeitigen Lage am Immobilienmarkt in vielen Fällen über Erfolg oder Misserfolg eines Hauskaufs und über die Zukunftssicherheit der Finanzierung entscheiden. In der Regel ist das Eigenkapital die notwendige Eintrittskarte, um den Markt für Wohneigentum überhaupt erst betreten zu können. Die derzeitigen Überlegungen zum Baukindergeld zeigen, dass das Problem des fehlenden Eigenkapitals bereits jetzt hohe Relevanz hat. Ein Baukindergeld kann als Soforthilfe für Familien die Schwelle ins Wohneigentum ein wenig absenken.

Es sollte das Ziel sein, diese Schwelle gar nicht erst so hoch werden zu lassen. Dazu brauchen wir erfolgreiches Vorsparen. Für diesen Eigenkapitalaufbau ist die Unterstützung von zielgerichteten Vorsparprozessen mehr denn je eine lohnenswerte staatliche Investition. Und die Eigenheimrente mit Riester ist ein Instrument, das seit zehn Jahren dazu beiträgt. Es ist Zeit, dieses Potenzial noch stärker zu nutzen und dafür zu sorgen, dass ein gutes Vorsorgeprodukt nicht durch die Fehler einzelner Anbieter in Misskredit kommt oder in der politischen Diskussion zerrieben wird.

DER AUTOR JÖRG MÜNNING Vorsitzender des Vorstands, LBS Westdeutsche Landesbausparkasse, Münster
Jörg Münning , Vorstandsvorsitzender , LBS Landesbausparkasse NordWest, Münster und Hannover
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