DIGITALISIERUNG

WIE DATA SCIENCE KOSTEN UND RISIKEN IN DER IMMOBILIENWIRTSCHAFT REDUZIERT

Benjamin Aunkofer, Foto: Benjamin Aunkofer

Daten sind direkt in messbare Wertbeiträge übersetzbar, davon ist der Autor des vorliegenden Beitrags überzeugt: Mit ihnen ließen sich beispielhaft Kosten senken und in demselben Atemzug auch die Kundenzufriedenheit erhöhen, Immobilienangebote besser bewerten und gleichzeitig Entscheidungsprozesse bei kritischen Geschäften beschleunigen oder sogar automatisieren. Zahlreiche Immobiliengesellschaften haben seiner Einschätzung nach die Werthaltigkeit von Daten auch längst erkannt und bereits Projekte bis hin zum Aufbau eigener Data-Units erfolgreich realisiert. Red.

Die Real-Estate-Branche hat geschäftlich erneut mit einem Rekordjahr abgeschlossen. Wie lange sich der Boom weiterhin hält, verbessert oder verschlechtert ist selbst über den Einsatz von Big Data und KI nicht vorhersagbar, dafür sind die Entwicklungen der vielen Stellschrauben am Markt zu unbekannt. Trotzdem - oder gerade deshalb - ist es für das Real Estate Business jetzt die richtige Zeit, in die effektive Nutzung von Daten zu investieren, um die eigenen Prozesse, Immobilienprodukte und Kunden besser zu verstehen.

Datentransparenz steigert den Unternehmenswert

Jedes Immobiliengeschäft beginnt mit einem umfassenden Datenaustausch, beginnend beim Kauf, über die Verwaltung bis hin zur Vermietung von Objekten. Daten spielen eine entscheidende Rolle und das Datenmanagement bestimmt darüber, wie zügig und reibungslos diese Geschäfte ablaufen.

Ihre besondere Wirkung entfalten Daten erst in Kombination mit den richtigen Analysemethoden und mit der Verknüpfung mehrerer Datenquellen. Die Zusammenführung von Daten in eine konsolidierte und bereinigte Form aus heterogenen Datenquellen wird als Data Warehousing bezeichnet und umfasst eine Gruppe von Methoden der Extraktion, Zuführung und Transformation von Daten. Neben dem allgemeinen Reporting über in der Immobilienwelt wichtige KPIs wie beispielsweise die Miet- und Zahlquote, Preisminderungen, realisierte Quadratmeterpreise sowie der objektgruppenspezifische ROI, spielen auch unternehmensindividuelle Analysen eine große Rolle. Ein Data Warehouse kann es beispielsweise ermöglichen, Maklerangebote und Objekte eindeutig zu matchen, somit Doppelangebote zu erkennen und auch Preistendenzen und deren Abhängigkeiten von Raum und Zeit zu verstehen.

Jedes Immobiliengeschäft stellt ein finanzielles Risiko dar, nicht nur beim Kauf, sondern auch bei der Vermietung. Neben der Vorhersage von Kreditwürdigkeit und der Erkennung von Mietbetrug oder Zahlungsausfällen können auch andere Eigenschaften von Mietern vorhergesagt werden, beispielsweise lassen sich Schnell-Fluktuierer erkennen. Insbesondere bei hohen Aufwänden der Mieterfindung und bei Maklergebühren über das Bestellerprinzip sind Schnell-Fluktuierer wirtschaftlich schädlich.

Mit überwachten maschinellen Lernverfahren lassen sich Modelle erstellen, die Zahlungsausfälle und Mietverkürzungen zuverlässig vorhersagen und somit als Assistenzsystem für die Mieterauswahl einsetzbar sind. Überwachte Verfahren des maschinellen Lernens funktionieren über die Auswahl eines Lern-Algorithmus oder einer Zusammenstellung von Algorithmen als Kollektiv (Ensemble) und der Einspeisung einer Datenhistorie, die alle Situationswerte und die Resultate beinhaltet, in diesen Algorithmus. Der Lern-Algorithmus erstellt dann ein Modell, das die Zusammenhänge zwischen Input (Situationsdaten) und Output (Resultate) beschreibt. Im Falle des Mieter-Scorings wären beispielsweise die persönlichen, beruflichen und finanziellen Daten über die bisherigen Mieter der Input, der Status des Mieters bezüglich seiner bisherigen Mietdauer und der Zahlungszuverlässigkeit des Mieters der Output. Über einen weiteren Teil der Datenhistorie wird dieses Modell getestet und seine Akkuratheit (Treffsicherheit der Vorhersage) bestimmt. Erst wenn sich über viele Iterationen die Vorhersagegüte bewiesen hat, wird das Modell als produktives Prädiktionssystem auf neue Daten angewendet (siehe Abbildung 1).

Ensemble Learning: prädiktive Hilfe bei Mietausfällen

Für die Vorhersage von Mietausfällen haben sich dabei Ensemble-Learning-Verfahren als sehr akkurat in ihrer Vorhersagegüte erwiesen. Ensemble Learning ist eine Zusammenstellung von heterogenen oder homogenen Verfahren des maschinellen Lernens. Ensembles aus heterogenen Verfahren soll dabei die unterschiedlichen Stärken und Schwächen der einzelnen Analyseverfahren ausgleichen, während homogene Kollektive vor allem dafür sorgen sollen, dass sich das Gesamtmodell nicht an einzelne Ausreißer überanpasst und besser generalisiert. Eines dieser Verfahren sind die beliebten Random Forests, bei denen mehrere Entscheidungsbäume über einen Greedy-Algorithmus auf die Erkennung solcher Mietereigenschaften trainiert werden.

Immobiliengeschäfte sind ein interdisziplinäres Geschäft zwischen der Finanzierung und der Bereitstellung beziehungsweise Verwaltung von Dienstleistungen. Für einige Immobilienunternehmen spielen jedoch auch Themen eine Rolle, die eher aus der klassischen Industrie bekannt sind, so zum Beispiel die prädiktive Instandhaltung von Maschinen wie Klimaanlagen oder Fahrstühlen. Das als Predictive Maintenance bekannte Konzept der datenorientierten Vorhersage der Notwendigkeit von Instandhaltungsfällen oder von Intervallzeiträumen ermöglicht eine deutlich kostengünstigere Wartung von Maschinen bei gleichzeitig erhöhter Kundenzufriedenheit, da die Wartung wirkungsvoller wird. Bei Immobilien gilt dies insbesondere für Fahrstühle, da diese bei Ausfall zu Beschwerden bis hin zu Mietpreisminderungen führen können. Der datengetriebene Ansatz nutzt hingegen Verfahren des Deep Learnings um sehr performante Vorhersagemodelle zu erstellen. Diese Mächtigkeit der Vorhersage resultiert in dem Ansatz, alle verfügbaren Sensor-Daten der Fahrstühle zu nutzen, um diese mit bisherigen Fehlern abzugleichen und daraus ein Abhängigkeitsmodell in Form eines künstlichen neuronalen Netzes zu erzeugen, das Fehlerkorrelationen weit umfassender verstehen kann als das menschliche Gehirn.

Predictive Maintenance ist längst kein Trendthema mehr, sondern in der Industrie bereits fest etabliert und deshalb so erfolgreich, weil es - richtig angewendet - jeden menschlichen Experten mit noch so langer Berufserfahrung in der Vorhersage schlägt. Aber auch andere Anwendungsfelder spielen in diesem Zusammenhang für die Immobilienwirtschaft eine gewichtige Rolle: sei es die Optimierung der Entscheidungsfindung im Asset und Portfolio Management, die Gewinnung einer erhöhten Transparenz auf Immobilienmärkten, die Entwicklung individueller Kundenservices oder automatisierte Vermietungsprozesse.

Wie der Einstieg gelingt

Der Einstieg in die effektive Nutzung von Daten aus unternehmensinternen und -externen Quellen bedarf einer individuellen Abwägung. Für einige Unternehmen der Immobilienbranche herrschen ganz bestimmte Herausforderungen für die Wettbewerbsfähigkeit und so kann es sinnvoll sein, gezielt die richtigen Antworten auf diesbezügliche Fragestellungen unter Einsatz von zielgerichteten Methoden aus der Data Science zu finden.

Das automatisierte und verbesserte Scoring von Mietern oder Käufern sowie die Vorhersage von Ausfällen von Fahrstühlen sind einige solcher Beispiele, die auf ganz bestimmte Zwecke ausgerichtet sind. Für jene Zielerreichung mag dann eine ganz bestimmte Datenhistorie zu generieren sein, doch hier lohnt es sich, die Datenerhebung ebenso gesondert vorzunehmen und auf die spezielle Datenanforderung auszurichten.

Für andere Unternehmen steht hingegen zu Anfang die Daten- und KPI-Transparenz im Vordergrund. Spezielle Algorithmen zur Voll- oder Assistenz-Automatisierung werden in der Prioritätenliste hintenangestellt, die Schaffung eines Data Warehouses als konsolidierte Datenbasis dafür zur ersten Priorität erklärt, um ein umfassendes und zuverlässiges Informationssystem herzustellen, das als Single Point of Truth (SPOT) alle Abteilungen und weiterführende Systeme mit Informationen versorgt (siehe Abbildung 2).

Aufbauend auf diesem System der systematischen Datenbereitstellung und -aufbereitung können dann Business-Intelligence-Analysen sowie standardisiertes Reporting im Unternehmen etabliert werden. Mit analytischer Voraussicht können darüber hinaus auch Daten erhoben werden, die für datengetriebene Prozessanalysen oder für mögliche Anwendungsfälle für Predictive Analytics eine Rolle spielen werden, womit sich die Vorbereitungszeit für entsprechende Anwendungen im Sinne von "Vorbereitung ist besser als Nachbereitung" deutlich verkürzen lässt.

DER AUTOR BENJAMIN AUNKOFER, Chief Data Scientist, DATANOMIQ GmbH, Berlin
Benjamin Aunkofer , Chief Data Scientist, DATANOMIQ GmbH, Berlin

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X