Immobilien als Asset

Emerging Trends in Real Estate

Abbildung 1: Einflussfaktoren auf den Immobilienmarkt 2016 (Angaben in Prozent) Quelle: Emerging Trends Europe survey 2016

Wie lange hält der Boom auf den gewerblichen Immobilienmärkten noch an? Wann ziehen erste dunklere Wolken am Horizont auf? Wann kommt der Moment für etwas mehr Zurückhaltung? Die Nervosität nimmt jedenfalls leicht zu, auch wenn kaum ein Marktteilnehmer ernsthaft schwierigere Bedingungen im laufenden Jahr erwartet. Auch die im Folgenden vorgestellte große Umfrage von PwC und dem ULI geht noch von einem anhaltenden Boom aus. Allerdings macht sich ein Mangel an Core-Immobilien, demzufolge rund 63 Prozent der Befragten Prime Assets mittlerweile als überteuert ansehen. Dies führt dazu, dass mehr in Projektentwicklungen als in Bestandsobjekte investiert wird. Mit Blick auf die einzelnen Teilmärkte bleiben bei Einzelhandelsimmobilien Objekte auf den Einkaufsstraßen der europäischen Städte (High Street) unverändert Spitzenreiter. Und im Büromarkt stellen die gestiegenen Ansprüche an Effizienz, Produktivität und Flexibilität der Raumaufteilung sowie die zunehmend verkürzten Mietlaufzeiten die Betreiber vor Herausforderungen. Und statt "Green" müssen Gebäude künftig "Healthy" sein und sich unter anderem durch natürliche Lichtquellen, Materialien und Belüftung auszeichnen. Boom ja, Langeweile nein, kann man da wohl sagen. Red.

Das verfügbare Kapital und die günstigen Finanzierungskonditionen treiben die Immobilienpreise seit einigen Jahren in die Höhe und eine Vielzahl von Marktteilnehmern geht davon aus, dass sich dieser Trend auch in 2016 fortsetzen wird. Allein in Deutschland konnte in 2015 beim Transaktionsvolumen von Gewerbeimmobilien ein "all time high" von 55 Milliarden Euro verzeichnet werden.

Wesentliche Einflussfaktoren

Gemeinsam mit dem Urban Land Institute (ULI) hat PwC bereits zum 13. Mal in Folge die wichtigsten Trends auf dem europäischen Immobilienmarkt untersucht und die Ergebnisse der aktuellen Umfrage unter rund 550 Teilnehmern in der neuen Studie "Emerging Trends in Real Estate® Europe 2016" veröffentlicht. Bedingt durch ein weiterhin steigendes Angebot an Eigenkapital und die unverändert niedrigen Fremdkapitalzinsen übersteigt die Nachfrage nach Investitionen in Immobilien bei weitem das Angebot. Diese Aussage gilt vorrangig für Prime- beziehungsweise Core-Immobilien, grundsätzlich aber auch für die übrigen Risikoklassen. Rund 63 Prozent der Befragten sehen Prime Assets mittlerweile als überteuert an, mehr als 50 Prozent der Befragten nennen daher den Mangel an geeigneten Immobilien als wesentlichen Einfluss auf ihr Geschäft.

Dies führt zu dem neuen Anlagetrend, dass mehr in Projektentwicklungen als in Bestandsobjekte investiert wird. Einer der Befragten beschrieb dies mit den Worten: "Wir bauen uns unsere Prime Assets selbst." Aber auch weitere Trends, wie vor allem technologische Innovationen, die fortschreitende Urbanisierung und sich deutlich ändernde Mieterwünsche werden zu tiefgreifenden Änderungen auf dem Immobilienmarkt führen.

Die Finanzierungskosten werden nach Meinung der befragten Investoren hingegen keinen wesentlichen Einfluss auf Immobilieninvestments in Europa haben. Rund 62 Prozent der Befragten sehen nur einen mäßigen bis geringen Einfluss der Finanzierungskosten auf ihr kommendes Geschäft. Mit Ausnahme von Russland und der Türkei wird in 2016 im gesamten europäischen Markt von einem Anstieg des zur Verfügung stehenden Fremdkapitals ausgegangen, wobei 47 Prozent der Befragten erwarten, dass die Finanzierungskosten unverändert bleiben.

Aufgrund der niedrigen Zinsen auf Staatsanleihen ist ein weiter steigendes Volumen an Eigenkapital für Investitionen in alle Risikoklassen vorhanden. Über die Hälfte der Investoren geht zusätzlich davon aus, dass grenzüberschreitende Transaktionen insbesondere aus dem asiatisch-pazifischen Bereich den Kapitalzufluss weiter erhöhen werden. So haben europäische Private Equity Fonds bis zum dritten Quartal 2015 insgesamt 24,5 Milliarden Euro an Eigenkapital eingesammelt. Dieses Volumen übersteigt die Summe des gesamten Jahres 2007. Auch deutsche Immobilienfonds konnten in den ersten neun Monaten des Jahres 2015 zirka 2,4 Milliarden Euro Eigenkapital einsammeln, was dem Sechsfachen der Summe des gleichen Vorjahreszeitraums entspricht.

Projektentwicklungen als Alternative

Wie bereits dargestellt, führt das hohe Preisniveau bei Prime- und Core-Objekten immer seltener zu adäquaten Renditen insbesondere für institutionelle Investoren. Die naheliegende Alternative ist die eigene Entwicklung von Core-Objekten. Über 78 Prozent der befragten Immobilienexperten erwarten, dass zukünftig hochwertige Projektentwicklungen attraktive Alternativen zum Kauf von Bestandsobjekten darstellen können. Die Bandbreite reicht dabei von Einzelobjekten bis hin zur Schaffung vollständig neuer Stadtquartiere (Urban Regeneration).

Eine Reihe von Investoren hat bereits seit Jahren den Anteil von Projektentwicklungen in ihren Portfolios erhöht und plant einen weiteren Ausbau in der Zukunft: "We do it wisely and not too aggressively, but that will continue because availability of prime assets is very challenging for all of us", so ein Teilnehmer der Umfrage.

Der geografische Fokus der Projektentwicklungen liegt in Deutschland insbesondere auf den gefragtesten deutschen Städten Berlin und Hamburg, welche die Plätze 1 und 2 im Emerging-Trends-Ranking der europäischen Städte mit den größten Entwicklungsmöglichkeiten belegen. Vor allem Berlin besitzt noch eine überdurchschnittliche Anzahl von Flächen, die kurz- bis mittelfristig entwickelt werden können. Gleichzeitig bietet die Hauptstadt aufgrund des starken Zuzugs und ihres Ausbaus als Technologiestandort auch langfristig genügend Potenzial für Projektentwicklungen.

Alternative Nutzungsarten werden interessanter

Investitionen in alternative Nutzungsarten wie zum Beispiel Studentenwohnungen, Pflegeheime/Health-Care-Immobilien und auch Rechenzentren sind die beliebtesten Alternativen, nachdem der Fokus der vergangenen Jahre eher auf Shoppingcentern und Büros gelegen hat. Gleichzeitig sind dies auch Reaktionen auf den Preisanstieg bei den klassischen Nutzungsarten. Die Bereitschaft, in alternative Nutzungsarten zu investieren, ist bei den befragten Investoren von 28 Prozent in 2015 deutlich auf 41 Prozent gestiegen. Als Hauptursachen wurden hierbei der demografische Wandel (66 Prozent), höhere Renditen (55 Prozent) und stabile Cashflows (49 Prozent) genannt. Gleichwohl muss berücksichtigt werden, dass der Markt für diese Nutzungsarten relativ klein ist (Rechenzentren). Außerdem besteht bei Pflegeheimen/ Health-Care-Immobilien durch die Abhängigkeit der Immobilie von der Qualität des Betreibers ein abweichendes Risikoprofil. Gleichwohl muss berücksichtigt werden, dass der Markt für diese Nutzungsarten einerseits relativ klein ist (Rechenzentren) und zudem bei Pflegeheimen/ Health-Care-Immobilien durch die Abhängigkeit der Immobilie von der Qualität des Betreibers ein abweichendes Risikoprofil aufweist.

Nicht zuletzt aus diesen Gründen bleiben Einzelhandelsimmobilien auf den Einkaufsstraßen der europäischen Städte (High Street) unverändert Spitzenreiter unter den Anlageobjekten. Ursachen dafür sind unter anderem die Urbanisierung, die die europäischen Immobilienexperten als einen der Megatrends für die Branche sehen, sowie die zunehmende Verflechtung von Online-Handel und stationärem Einzelhandel. Immer mehr, zumindest große Online-Händler, eröffnen eigene Läden in den Zentren der großen Städte. Höhere Lohn- und Tarifabschlüsse und eine geringe Inflation unterstützen darüber hinaus die Erwartungshaltung, dass die verfügbaren Einkommen der Verbraucher steigen und damit auch der private Konsum.

Technologischen Wandel und wandelnde Mieterbedürfnisse

Der Mangel an Prime-Assets und die Kapitalflut werden von weiteren fundamentalen Trends ergänzt, die nach Meinung der Investoren den Markt in 2016 und darüber hinaus beeinflussen werden. Über 85 Prozent der Befragten stimmen zu, dass sich die Nutzung der Objekte mit fortschreitender Technologie verändert. Dadurch verändern sich die Vorstellungen der Mieter beziehungsweise Nutzer von Objekten. Der CEO eines großen europäischen REITs ist dazu folgender Meinung: „Twenty years ago we had tenants, now we have customers. In 20 years’ time we will have guests.“

Insbesondere die Ansprüche an Effizienz, Produktivität und Flexibilität der Raumaufteilung der Gebäude haben sich erhöht. Einige Unternehmen sehen ihre Arbeitsbedingungen als Ausdruck ihres Markenverständnisses und wollen durch verbesserte Bedingungen für ihre Mitarbeiter die Produktivität und Zusammenarbeit steigern. Darüber hinaus legen Mieter von Büroimmobilien zunehmend Wert auf Effizienz und Produktivität bei der Nutzung eines Gebäudes. Aspekte wie Raumauslastung, Luftqualität oder Lichtverhältnisse können Mieter eigenhändig durch Apps überprüfen. Über eine Buchungssoftware kann die Auslastung der Arbeitsplätze ermittelt werden, während GPS-Geräte die Nutzung der Büroräume anzeigen. „It is about designing real estate strategies around the human factor.“

Einige Entwickler erweitern hier bereits den Schwerpunkt ihrer Strategie von „Green Buildings“ auf „Healthy Buildings.“ Diese zeichnen sich unter anderem durch natürliche Lichtquellen, Materialien und Belüftung aus und berücksichtigen stärker die Ansprüche der Nutzer beim Design der Flächen. Außerdem sollen immer mehr Büros mit Flächen für Sportgeräte, Dachgärten oder WiFi-Cafés ausgestattet sein, um den Wohlfühlfaktor der Mitarbeiter noch weiter zu heben. Vor allem Hightech-Firmen und jüngere Arbeitnehmer legen Wert darauf, dass das Arbeitsumfeld im Einklang zum eigenen Lebensstil und gesundheitlichen Ansprüchen steht.

Kosten für Mieterausbauten bei Neuvermietungen werden daher zukünftig eine größere Rolle spielen. Eine weitere Herausforderung sind die zunehmend verkürzten Mietlaufzeiten, die Mieter aufgrund des Wunsches nach Flexibilität abschließen wollen. Zwar reagieren die Investoren mit steigenden Mieten auf das erhöhte Risiko durch kurze Laufzeiten, doch bleibt ein gewisses Maß an Unsicherheit bestehen.

Eigentümer können ebenfalls vom technologischen Fortschritt profitieren. So können Vermieter von Einkaufszentren ihre Mieterauswahl überprüfen, indem sie die Frequentierung der Läden digital ermitteln.

Auch der Markt für Logistikimmobilien, eine der gefragtesten Assetklassen der letzten Jahre, wird Veränderungen unterworfen sein. Bei Logistikimmobilien werden zum Beispiel kleinere und stadtnahe Objekte attraktiver vor dem Hintergrund des Trends zu Lieferungen am Tag der Bestellung ("same day delivery"). Gleichzeitig benötigen Online-Händler etwa das Dreifache an Lagerflächen verglichen mit traditionellen Einzelhändlern, sodass sich auch die Eigentümer von Logistikobjekten auf die erhöhten Ansprüche der Mieter einstellen müssen. 55 Prozent der Befragten glauben hier an einen Anstieg der Flächenansprüche im Logistiksektor, 68 Prozent der Befragten erwarten einen Wandel der Flächenanforderungen insbesondere bei den Spezialimmobilien.

Die europäischen Immobilienmärkte stehen vor tief greifenden Veränderungen. Wie die Studie ergab, reagieren internationale Investoren mit Strategiewechseln auf neue Mieterbedürfnisse und Marktentwicklungen wie die rasch fortschreitende Urbanisierung, technologische Innovationen und dem demografischen Wandel. Trotz des Mangels an Investmentmöglichkeiten und des großen Volumens an verfügbarem Kapital bleibt der Immobilien-Investmentmarkt aber im Fokus der Anleger, insofern ist die Einschätzung der befragten Marktteilnehmer unverändert positiv.

Gleichwohl werden von vielen Marktteilnehmern Risiken für die erwartete positive Entwicklung außerhalb des Immobilienmarktes gesehen, im Speziellen sind das geopolitische Risiken wie der Fortbestand der Europäischen Union, der internationale Terrorismus, Kriege und die weitere Destabilisierung von Regionen, die wirtschaftliche Entwicklung in China oder auch die Entwicklung des Ölpreises. Den Einfluss dieser Faktoren gilt es ebenfalls zu beobachten, um langfristige Auswirkungen auf den Immobilienmarkt einschätzen und Anlagestrategien entsprechend anpassen zu können.

Der Autor

Jochen Brücken Partner und Leiter des Bereichs Real Estate, PricewaterhouseCoopers AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Berlin

Über die Emerging-Trends-Umfrage

Im Rahmen der 13. Auflage der Umfrage durch PwC und das Urban Land Institute wurden 550 Interviews geführt beziehungsweise Umfragen vollständig ausgefüllt. Die Befragten stammen aus einem breiten Spektrum von Immobilienexperten (mehr fache Zuordnung zu Kategorien möglich): Fund & Investment Management (31 Prozent), Immobilen Dienstleistungen (30 Prozent), Privatvermögende und Entwickler (25 Prozent), börsennotierte Gesellschaften und REITs (13 Prozent), Institutionelle Investoren (12 Prozent), Banken und andere Darlehensgeber (8 Prozent), Eigenheim-/Wohnungsentwickler (4 Prozent) und Sonstige (2 Prozent). Der Fokus liegt bei 42 Prozent der Befragten in einem europäischen Land, 23 Prozent verfolgen eine globale Strategie, 21 Prozent agieren europaweit und 13 Prozent haben eine davon abweichende (sonstige) Strategie. Eine Liste der Teilnehmer kann der Umfrage entnommen werden, die unter www.pwc.com/ermergingtrends verfügbar ist.

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