ÖFFENTLICHE INFRASTRUKTUR

FRAGE AN DANIEL SCHARLO: WELCHES POTENZIAL STECKT IN GEMEINSCHAFTSANLEIHEN DEUTSCHER KOMMUNEN?

Daniel Scharlo, Foto: Deka Bank Deutsche Girozentrale

Der Markt kommunaler Inhaberschuldverschreibungen ist im Gegensatz zur Refinanzierung der Bundesländer oder auch der deutschen Förderbanken über den Kapitalmarkt noch recht jung, hat sich aber in den letzten Jahren als feste Assetklasse für Banken und institutionelle Investoren etabliert. Neben Inhaberschuldverschreibungen einzelner Städte gibt es auch gemeinschaftliche Städteanleihen, bei denen sich mehrere Kommunen als Emittent für die Begebung einer Anleihe zusammenschließen. Im Jahr 2014 wurde die erste NRW-Gemeinschaftsanleihe aus der Taufe gehoben. Damals nahmen die Städte Dortmund, Essen, Herne, Remscheid, Solingen und Wuppertal an dem Projekt teil.

Kontinuierliche Weiterentwicklung

Die sechste und damit aktuellste NRW-Städteanleihe wurde im Februar 2018 mit einem Volumen von 250 Millionen Euro begeben. Im Laufe der Zeit hat sich der Kreis der beteiligten Städte mehrmals verändert und ist mittlerweile auf zehn Städte angewachsen. Pro Anleihe nehmen normalerweise bis zu sechs Städte teil, wobei jede Kommune teilschuldnerisch für sich haftet. Die NRW-Gemeinschaftsanleihen hatten bisher eine Laufzeit von vier bis zehn Jahren. Die Volumina variierten von 125 bis 500 Millionen Euro.

Im November 2018 wurde dann die erste länderübergreifende Städteanleihe (Niedersachsen, NRW, Saarland) emittiert. Die Gemeinschaftsanleihe an der die Städte Bochum, Celle, Emden, Essen und Saarbrücken teilnahmen, hatte eine Laufzeit von zehn Jahren und ein Emissionsvolumen von 200 Millionen Euro. Das Orderbuch war bei einem Kupon von einem Prozent mehr als 1,5-fach überzeichnet. Die kommunale Refinanzierung über den Kapitalmarkt entwickelt sich kontinuierlich weiter und unterliegt damit einem stetigen Wandel. So wurde auch die Dokumentation im Laufe der Zeit an die Anforderungen und Bedürfnisse der Städte angepasst und im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten vereinfacht.

Vielfältige Vorteile

Grundsätzlich bieten Städteanleihen einige Vorteile: Die Kommunen eröffnen sich über sie einen zusätzlichen Refinanzierungskanal und eine breitere Gläubigerstruktur. Dadurch werden die Kreditlinien mit der jeweiligen Hausbank entlastet und eine Möglichkeit zur Umschuldung der Liquiditätsfinanzierung eröffnet. Die positive Öffentlichkeitswahrnehmung lässt die Kommunen mit neuen Investoren in Kontakt treten, um Anschlussgeschäfte zu tätigen. Bei einer gemeinschaftlichen Anleihe haben die Kommunen zudem die Möglichkeit, sich mit kleineren Volumina zu beteiligen, was in Form einer Einzelanleihe nicht möglich wäre. Hinzu kommen die im Vergleich zur Einzelanleihe geringeren Kosten. Institutionelle Investoren profitieren von der Erfüllung von Liquiditätskennziffern (LCR Level 1), was beim Kauf eines kommunalen Schuldscheins nicht der Fall wäre. Ein weiterer Vorteil ist die Hinterlegungsfähigkeit der Anleihen bei der EZB. Dadurch ist die Fungibilität gegenüber einem Schuldscheindarlehen oder einem Kommunaldarlehen wesentlich höher.

Trotz verschiedener Entschuldungsprogramme der Bundesländer, beispielsweise der "Hessenkasse" oder dem "Saarland-Pakt", ist von einer weiteren Emissionstätigkeit kommunaler Anleihen auszugehen. Dafür sprechen die genannten Vorteile sowie der Ausbau der Investitionen in Bildung, Digitalisierung sowie Infrastruktur- und Klimaschutzprojekte. Vor allem der angesammelte Investitionsstau, der sich laut Deutschem Städte- und Gemeindebund (DStGB) auf 159 Milliarden Euro summiert, dürfte den Kapitalbedarf weiterhin hoch halten. Zudem gehen die Gespräche nach dem erfolgreichen Verlauf der ersten länderübergreifenden Städteanleihe in die nächste Runde.

Ein zu beobachtender Trend ist die Emission nachhaltiger Anleihen. Der Markt für Green, Social oder Sustainability Bonds mit bereits etablierten Rahmenbedingungen für den Emissionsprozess, ist nicht nur weltweit, sondern auch in Deutschland rasant gewachsen, nicht zuletzt aufgrund der Aktivitäten von Emittenten aus dem öffentlichen Sektor. Neben der Finanzierung ökologischer Projekte wie zum Beispiel von erneuerbaren Energien, grünen Gebäuden oder dem Ausbau klimaneutralen Transports über Green Bonds werden zunehmend auch soziale Projekte aus den Bereichen Bildung, Gesundheit oder sozialer Wohnungsbau über die Emission von Social beziehungsweise Sustainability Bonds refinanziert.

Nachhaltigkeit und längere Laufzeiten

Naturgemäß liegen zahlreiche solcher Investitionen in der Verantwortung der Kommunen, sodass sich hier ein immenses Potenzial ergibt. Der nächste mögliche Schritt liegt damit nah: die Emission einer ersten nachhaltigen kommunalen Inhaberschuldverschreibung. Hier würde sich der Käuferkreis für die Kommunen um nachhaltige Investoren vergrößern. Weiteres Potenzial liegt in der Laufzeitenverlängerung der Anleihen über zehn Jahre hinaus. Im Jahr 2019 haben beispielsweise die deutschen Bundesländer rund 40 Prozent ihrer Refinanzierung im langen Laufzeitenbereich getätigt. Auch für die kommunalen Anleihen wäre eine Laufzeit über zehn Jahre zur Sicherung der nach wie vor niedrigen Zinsen, auch im investiven Bereich, denkbar. Insbesondere Versicherungen und Pensionskassen leiden unter dem niedrigen Zinsumfeld und suchen daher langlaufende Assets um ihren Renditezusagen gerecht zu werden.

DER AUTOR DANIEL SCHARLO Abteilung Daueremittenten und Emissionsgeschäft, DekaBank Deutsche Girozentrale, Frankfurt am Main
Daniel Scharlo , Abteilung Daueremittenten und Emissionsgeschäft, DekaBank Deutsche Girozentrale, Frankfurt am Main
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