MIPIM-SPECIAL

GRÜNE IMMOBILIEN: MODERNISIERUNG SCHLÄGT NEUBAU

Marcus Weyerer, Foto: Franklin Templeton

Untersuchungen des DGNB legen nahe, dass gut ein Drittel aller Treibhausgasemissionen eines Gebäudes vor der tatsächlichen Nutzung entstehen, sprich bei der Herstellung und Errichtung. Mit Blick auf die ehrgeizigen Klimaschutzziele muss in den kommenden Jahren also dringend ein zusätzlicher Fokus auf die Treibhausgasemissionen des Bauwerks gelegt werden. Davon ist auch der Autor des vorliegenden Beitrags überzeugt: Solange Baumaterialien wie Stahl und Zement nicht dekarbonisiert seien, werde man im Bauwesen wohl nur moderate CO2-Einsparungen realisieren können. Darüber hinaus erörtert er, welche konkreten Informationen Investoren grüner Immobilienanleiheprodukte benötigen, um sich ein verlässliches Bild über die ESG- beziehungsweise Nachhaltigkeitsziele des jeweiligen Emittenten machen zu können. Red.

Nach den Zahlen der Internationalen Energie Agentur (IEA) entstehen über 70 Prozent der globalen Emissionen in den Bereichen Energie, Gebäude und Verkehr. Aus den IEA-Daten geht zudem hervor, dass diese Emissionen durch das Bevölkerungswachstum in die Höhe getrieben werden.

Städte als Hauptschauplätze des Klimawandels

Ein weiterer Aspekt ist die fortschreitende Verstädterung: Mehr als die Hälfte der weltweiten Bevölkerung lebt bereits in Städten. Dort konzentrieren sich zugleich die meisten Gebäude und wirtschaftlichen Aktivitäten. Der Anteil der Städte am globalen Energieverbrach, so die Deutsche Energie Agentur (DENA), wächst rasant. Städte sind ein Hauptverursacher des Klimawandels, unter anderem durch die enorme Bautätigkeit. Sowohl in Industrie- als auch in Schwellenländern steigen Energieverbrauch und Emissionen von Gebäuden.

Bereits 2018 entfielen auf den Gebäude- und Bausektor 36 Prozent des Endenergieverbrauchs und 39 Prozent der energie- und prozessbezogenen Kohlenstoffdioxid-Emissionen (CO2-Emissionen). 11 Prozent von diesen stammten aus der Herstellung von Baumaterialien und -produkten wie Stahl, Zement und Glas (Quelle: 2019 Global Status Report for Buildings and Construction). Hinzu kommt: Wegen der langen Lebensdauer der bebauten Umwelt können die Emissionen in wichtigen emissionslastigen Sektoren wie Gebäude und Verkehr nicht beliebig schnell verringert werden.

Ein wichtiger Ansatzpunkt zur Verringerung von Energieverbrauch und Emissionen ist daher bereits die Bauphase. Ein bedeutsamer Teil der Gesamtemissionen während der gesamten "Lebensdauer" von Gebäuden entsteht bereits während des Baus, da hierbei große Mengen an Primärressourcen verbraucht werden.

Dies bedeutet gleichzeitig, dass eine verbesserte Effizienz von Verteilnetzen, Gebäuden sowie Geräten und Anlagen die Nachfrage nach Energie verringert. Auch ein verändertes Bewusstsein und Verhalten der Bewohner kann den Verbrauch senken. Experten schätzen, dass die Einsparpotenziale kurzfristig bei 20 Prozent und bis 2050 bei bis zu 50 Prozent liegen.

Diese verteilen sich auf den Neubau und die Sanierung bestehender Gebäude. So kann dank neuer Technologien die Sanierung bestehender Gebäude den Bedarf an Heizenergie um 50 bis 75 Prozent (Einfamilienhäuser) beziehungsweise um 50 bis 90 Prozent (Mehrfamilienhäuser) senken.

Welcher Ansatz ist rentabler?

Prinzipiell wäre es natürlich wünschenswert, vor allem in schnell wachsenden Regionen den Klimaschutz beim Neubau zu forcieren, da schon seit Jahren Null-Emissions-Gebäude möglich sind. Sowohl der Neubau als auch die Modernisierung bestehender Gebäude haben ihre Berechtigung. Beide Ansätze - Sanierung und Neubau - sind in der Regel rentabel, doch ihre breite Umsetzung wird durch weiter bestehende Hindernisse gebremst.

Im Rahmen einer Analyse der verwendeten Investitionsmittel in grünen Anleihen-ETF-Portfolios wurde die Rentabilität beider Sektoren verglichen. Welcher Bereich spart im Verhältnis zu einer bestimmten Investitionssumme mehr CO2 ein? Überraschendes Ergebnis: Klarer Gewinner im Hinblick auf den Kohlenstoff-Auswirkungsgrad (Carbon Impact Ratio, CIR) ist die Modernisierung bestehender Gebäude.

Hierbei ergeben sich Emissionseinsparungen von 0,36 Tonnen für jede ausgestoßene Tonne CO2 . Dies muss jedoch im Kontext betrachtet werden: Die Einsparungen ergeben sich daraus, dass ein bereits bestehendes Gebäude modernisiert wird, um es energieeffizienter zu machen. Dadurch wird deutlich, wie energieintensiv das Bauwesen tatsächlich ist - denn es sind derart hohe Mengen an CO2 für relativ geringe Einsparungen erforderlich.

Stahl und Zement müssen dringend dekarbonisiert werden

Der Großteil der Emissionen kann auf die Materialien zurückgeführt werden. So ist etwa die Herstellung von Zement und Stahl mittels traditioneller Methoden seit jeher äußerst CO2-intensiv. Diese Emissionen fallen zu einem gewissen Grad auch durch eine Modernisierung nicht weg. Gebäude können oftmals energieeffizienter gemacht werden, doch gehen damit nach wie vor die induzierten Emissionen aus einer fundamental kohlenstoffintensiven Bauphase einher.

Bei Betrachtung des Baus neuer Gebäude beläuft sich der errechnete durchschnittliche Kohlenstoff-Auswirkungsrad auf 0,07, was darauf schließen lässt, dass bei Neubauten nicht sehr viel CO2 eingespart wird. Demnach würden sich Emissionseinsparungen hier entweder aus der Bau- oder aus der Betriebsphase der Gebäude ergeben.

Allerdings ist Erstere so CO2-intensiv, dass etwaige Effizienzgewinne aus der Betriebsphase des Gebäudes - zum Beispiel mittels Smart-Home-Geräten oder einer effizienteren Beheizung - durch die umfangreichen Emissionen in der Lieferkette zunichte gemacht würden. Solange Baumaterialien wie Stahl und Zement nicht dekarbonisiert sind, werden im Bauwesen wohl nur moderate CO2-Einsparungen realisiert werden können.

Emittenten: Transparenz schaffen hat Priorität

Emittenten müssen für Investoren, die auf ein grünes Investment Wert legen, diese Erkenntnisse transparent machen. Dies gilt besonders für die Präsentationsphase, in der Vertrauen in den Emittenten und seine Anleihe aufgebaut werden soll. Transparenz bedeutet, dass Emittenten aufschlussreiche Informationen bezüglich der Beschaffung der Materialien, der Gebäudestandards, der Entsorgung und des Recyclings bereitstellen sollten.

Investoren sollten in der Lage sein, die potenziellen Auswirkungen ihres Investments in grüne Anleihen beziehungsweise der zugrunde liegenden Assets zu beurteilen. Diese Informationen sollten differenzieren zwischen jenen Mitteln, welche für die Modernisierung und jenen, die für neue Gebäude aufgewendet werden. Weitere wichtige Details sind, wie hoch der laufende Energiebedarf maximal ausfallen wird, woher die Materialien beschafft werden und wie die Abfallbewirtschaftung organisiert ist.

Bei Gebäuden basiert der CIR-Ansatz auf den Emissionseinsparungen durch das mit der grünen Anleihe finanzierte Projekt. Ausgangspunkt ist der durchschnittliche Emissionsfaktor für Gebäude im jeweiligen Land. Es gibt einige wichtige Aspekte in Bezug auf das Klimarisiko, die nicht von allen Emittenten offengelegt werden.

Dazu zählen Emissionen aus der Herstellung von Materialien während der Bauphase und jene in Verbindung mit dem Abriss bestehender Gebäude, wenn diese einem Neubau weichen sollen. Für Infrastrukturanlagen mit langer Lebenszeit ist es wichtig, in Bezug auf die veränderten Klimaauswirkungen durch starke Niederschläge und Überschwemmungen sowie Hitzestress und Stürme zu planen. Wie sieht ein wirklich grünes Gebäude - von der Konzeption bis zum Betrieb - aus? Alle grünen Gebäude weisen einen Fokus auf einen niedrigen Energiebedarf auf. Allerdings gibt es nach wie vor keine einheitliche Definition für "grüne" Immobilien. Daraus folgt, dass grüne Anleihen, die zur Finanzierung "grüner" Gebäude begeben werden, eine unterschiedlich starke Senkung des Energiebedarfs vorsehen.

Einzelheiten zu Beschaffung, verwendeten Materialien, Baupraktiken und Abrissplänen sollten daher stets offengelegt werden. Strenge, regulatorisch vorgeschriebene und bis auf den Konzeptionsprozess ausgeweitete Standards stellen sicher, dass bereits frühzeitig nachhaltige Praktiken angewandt werden.

Umweltbewusste Investoren fordern hohe Standards ein

Ein gesunder Markt für grüne Anleihen zeichnet sich aus durch engagierte, umweltbewusste Investoren, die hohe Standards von den Emittenten fordern und in einem regen Dialog mit den Teams treten, welche für die Strukturierung dieser Anleihen verantwortlich sind. Gemeinsam wird sichergestellt, dass die ESG- oder Nachhaltigkeitsziele des Unternehmens ambitioniert genug sind.

Ziel ist ein Zusatznutzen, der eine deutliche Verbesserung in Bezug auf die Emissionen darstellt, oder umfangreiche Investitionen, die über die gewöhnliche Infrastrukturwartung hinausgehen. Dies gilt gerade auch für die Immobilienbranche. Bei der Modernisierung alter Gebäude und dem Bau neuer grüner Gebäude fallen erhebliche Emissionen an.

In den Rahmenwerken für grüne Anleihen müssen so viele Informationen wie möglich darüber offengelegt werden, wie die Mittel eingesetzt werden. Zudem müssen grüne Gebäudestandards ausgewiesen werden, denn deren Umsetzung ist wesentlich in Bezug auf Belange wie Abfallentsorgung und Materialbeschaffung.

Spitzenreiter: Berlin Hyp

Die Berlin Hyp demonstriert in ihrem Rahmenwerk für grüne Anleihen ein herausragendes Maß an Transparenz. Das Unternehmen bietet Anreize für Kredite für grüne Gebäude, indem es einen Abschlag von zehn Basispunkten gewährt.

Damit sollte das eigene strategische Ziel, bis 2020 etwa 20 Prozent des Kreditportfolios auf grüne Vermögenswerte umzustellen, gefördert werden. Dieses Ziel hat der gewerbliche Immobilienfinanzierer schließlich auch erreicht.

Dies ist, neben dem Umweltaspekt, ein lobenswerter Zusatznutzen der Transparenzinitiative. Außerdem legt das Unternehmen in seinem Rahmenwerk die maximalen Emissionen pro Quadratmeter für neun verschiedene Gebäudekategorien genau fest.

Weitere wichtige Transparenzkriterien beziehungsweise Informationen für Anleger sind die Nennung spezifischer Anforderungen für externe Nachhaltigkeitszertifizierungen.

Dazu zählen LEED (Leadership in Energy and Environmental Design), ein vom US Green Building Council entwickeltes Zertifizierungsverfahren, sowie BREEAM (Building Research Establishment Environmental Assessment Methology), das älteste und am weitesten verbreitet Zertifizierungssystem für nachhaltiges Bauen, das aus Großbritannien stammt.

Marcus Weyerer , Senior ETF Investment Strategist , Franklin Templeton Investments, London
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