Kommunen als Bestandshalter

Herausforderung Energiemanagement - Lösungsansätze für und mit Kommunen

Hans-Joachim Reck

Die Energiewende ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die daher auch der Akzeptanz der Bevölkerung bedarf. Da sie dezentral, also innerhalb der Kommunen, stattfindet, kommt der Zusammenarbeit mit den Stadtwerken bei der Umsetzung der Energiewende eine wichtige Bedeutung zu. Sie sind lokal verankerter Vermittler zwischen Bevölkerung, kommunalen sowie privaten Unternehmen und Kooperationspartner der Wohnungswirtschaft, besonders hinsichtlich der Erzeugung, Nutzung und an Bedeutung gewinnenden Kopplung von Strom und Wärme. Dadurch fungieren sie als wichtiger Partner kommunaler Umweltziele. Auch wenn das aktuelle Förder-, Regulierungs- und Finanzierungssystem sie vor große Herausforderungen stellt, nehmen viele Stadtwerke ihre Rolle als Wettbewerbsgestalter im Energiemarkt an und bieten daher bereits Energieeffizienzdienstleistungen an, statt sich als bloßer Versorger zu verstehen. Doch der politische Handlungsbedarf vor allem hinsichtlich der Schaffung von Wettbewerbsgleichheit und damit eines notwendigen konsistenten Investitionsumfeldes bleibt bestehen. Red.

Der fortschreitende Klimawandel ist eine der zentralen globalen Herausforderungen. Nur durch einen ambitionierten und umfassenden Klimaschutz wird es gelingen, den weltweiten Temperaturanstieg zu bremsen. Ein hochindustrialisiertes Land wie Deutschland kann und muss hier Vorbild bleiben! Die Ziele der Bundesregierung, die CO2-Emissionen bis 2020 um mindestens 40 Prozent und bis 2050 um 80 bis 95 Prozent gegenüber 1990 zu senken, sind ehrgeizig, für erfolgreichen Klimaschutz aber unabdingbar. Für die gelungene Energiewende sind der Ausbau der erneuerbaren Energien und die Steigerung der Energieeffizienz zentral.

Von besonderer Bedeutung wird dabei in Zukunft die weitere Entwicklung in den Ballungszentren sein. In Deutschland leben drei Viertel der Einwohner in urbanen Ballungsräumen, weltweit ist es über die Hälfte, wobei der Anteil weiter steigen wird. Die städtischen Infrastrukturen müssen nachhaltig und energieeffizient angelegt sein. Das betrifft den Nahverkehr genauso wie Wärmeversorgungskonzepte oder eine klimafreundliche Versorgung mit Wohnraum. Es müssen für die Städte der Zukunft stärker als bisher integrierte Konzepte für Nahverkehr, Wohnen und Ver- und Entsorgung entwickeln werden. Das kann nur gelingen, wenn die Wohnungswirtschaft und die kommunalen Unternehmen Hand in Hand planen und arbeiten. Denn die Energiewende findet vor allem dezentral - also vor Ort in den Kommunen - statt.

Stadtwerke als unverzichtbare Partner

Mit ihrer klima- und umweltfreundlichen, lastnahen Erzeugung, dem sicheren Netzbetrieb und innovativen Energiedienstleistungsangeboten sind die Stadtwerke unverzichtbare Partner der Kommunen, um die Energiewende vor Ort umzusetzen. Als energiewirtschaftlicher Mittelstand gestalten sie den Wettbewerb im Energiemarkt erfolgreich mit und sorgen für Anbietervielfalt, wenngleich das derzeitige Förder-, Regulierungs- und Finanzierungssystem sie vor große Herausforderungen stellt.

Es gibt massiven politischen Handlungsbedarf, so viel ist klar. Einige Punkte - vor allem die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) und die Investitionsbedingungen für die Verteilnetze - erfordern ein schnelles Handeln!

Zunächst soll der Blick auf KWK gerichtet werden, die eine absolute Domäne der Stadtwerke ist. Bei ihren kommunalen Erzeugungskapazitäten handelt es sich vornehmlich um hocheffiziente KWK-Anlagen, die überwiegend auf Basis von klimafreundlichem Erdgas betrieben werden. Indem KWK-Anlagen gleichzeitig Strom und Wärme erzeugen, erreichen sie einen besonders hohen Wirkungsgrad und helfen dadurch, zusätzliche CO2-Emissionen im Vergleich zu einer getrennten Erzeugung zu vermeiden. Jedes Jahr sparen allein die Stadtwerke durch KWK rund zehn Millionen Tonnen CO2 ein, insgesamt sind es in Deutschland fast 60 Millionen Tonnen.

KWK - für den umfassenden Klimaschutz

Gleichzeitig ist KWK in einem zunehmend auf erneuerbaren Energien fußenden Energiesystem unverzichtbar, um umfassende Versorgungssicherheit für den Industriestandort Deutschland zu sichern: Durch ihre flexible Fahrweise kann sie auch an den Tagen eine hohe Stromnachfrage abdecken, an denen die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht.

Zudem ist KWK in Verbindung mit Wärmenetzen ein Weg, um erneuerbare Energien auch in die Energieversorgung zu integrieren. KWK-Anlagen können mit Biogas oder Biomasse befeuert werden, die Wärmeinfrastruktur kann auch durch regenerative Wärmequellen wie etwa Solarthermie oder Geothermie gespeist werden. Viele Stadtwerke haben ihre KWK-Anlagen, die einst mit fossilen Brennstoffen betrieben wurden, in den letzten Jahren bereits umgestellt und verbrennen heute etwa Biogas aus Grünabfällen oder Holzhackschnitzel. Die damit erreichten hohen CO2-Einsparungen machen die Stadtwerke zu einem wichtigen Partner kommunaler Umweltziele in der Region. Vor allem im ländlichen Raum bieten sich vielfältige Möglichkeiten lokaler Allianzen. Hier sind zum Beispiel Kooperationen mit der Landwirtschaft für Biomasseanlagen zu nennen, die fähig sind, Energie zu speichern und deshalb zu Spitzenlastzeiten verfügbar sind. Stadtwerke sind im Übrigen auch für mittelständische Unternehmen der geborene Partner, wenn es um die Realisierung von KWK-Anlagen in Betrieben und Firmen geht.

Die Stadtwerke und ihre lokalen Partner haben mit ihren, auch politisch gewollten, Investitionen in KWK bereits große Ausbauerfolge erreicht. Allerdings sind vielerorts in Deutschland die bisherigen Erfolge durch die derzeit schwierige Marktsituation, die durch einen mangelhaften politischen Rahmen verschärft wird, gefährdet. Denn wo mittelfristig keine Deckungsbeiträge erzielt werden, müssen auch die Stadtwerke an Stilllegungen denken.

Um dies zu verhindern, muss das Förderregime dringend verbessert werden. Nur wenn das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) zügig und umfassend novelliert wird, kann es gelingen, Bestandsanlagen im System zu halten und Modernisierungsinvestitionen anzureizen. Dass ambitionierte KWK-Ausbauziele für den Klimaschutz unverzichtbar sind, versteht sich von selbst, kann aber nicht oft genug betont werden. Hier muss die Bundesregierung nun schnell handeln, die nächste Heizperiode kommt bald!

Energieeffizienz - zweite Säule der Energiewende

Auch die Wohnungswirtschaft steht vor großen Herausforderungen. Denn der demografische Wandel, die Digitalisierung neuer Lebensbereiche sowie die Energiewende erfordern neue Lösungen in den Bereichen Infrastruktur und Wohnen. Besonders hinsichtlich der Erzeugung und Nutzung von Strom und Wärme - der klassischen Domäne der Stadtwerke - sowie hinsichtlich von Maßnahmen der Energieeffizienz liegen die Schnittstellen beider Bereiche auf der Hand.

Die Koppelung von Strom und Wärme wird auch in kleineren Wohneinheiten weiter an Bedeutung gewinnen. Das Energieversorgungssystem wird intelligenter und damit auch individueller. Das erfordert einen Zuschnitt auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kunden. Kommunale Unternehmen bieten deshalb immer vielfältigere Dienstleistungen und Kooperationen, insbesondere im Bereich der Wohnungswirtschaft, an. Viele Stadtwerke bieten deshalb schon heute - zusammen mit lokalen Unternehmen vor Ort - Energieeffizienzdienstleistungen an: von der Energieberatung über Audits bis hin zu Contracting-Produkten. Die Herausforderung für Stadtwerke wird sein, sich vom klassischen Energieversorger zu einem Dienstleister weiterzuentwickeln, um auch zukünftig die Wertschöpfung und Beschäftigung vor Ort, in der Region zu stärken.

Vom klassischen Energieversorger zu einem Dienstleister

Stadtwerke wollen ihren Beitrag zur Erreichung der Effizienzziele leisten, dafür müssen jedoch ein Level-Playing-Field und gleiche Wettbewerbschancen geschaffen werden. Hemmnisse und Restriktionen müssen behoben und in Zukunft vermieden werden. Nur so können die Effizienzpotenziale im Energieeffizienzmarkt von allen Marktteilnehmern - auch von Stadtwerken - gehoben werden.

Der VKU hat die Politik in zahlreichen Stellungnahmen auf diese Wettbewerbsverzerrungen hingewiesen, bisher mit wenig Erfolg. Aus diesem Grunde hat sich der VKU mit seiner Studie "Nationale Umsetzung Artikel 7 EU-Energieeffizienzrichtlinie" für ein dezentrales wettbewerbliches Ausschreibungsmodell ausgesprochen, das sich an alle Marktteilnehmer richtet und den bestehenden Energiedienstleistungsmarkt nicht konterkariert. Die Bundesregierung hat diesen Vorschlag im Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE) vom Grundsatz her aufgegriffen. Dennoch bleibt viel zu tun: Die Umsetzung der Einzelmaßnahmen des NAPE, insbesondere die Initiative Energieeffizienz-Netzwerke, hat zum Ziel, die Verbreitung von rund 500 Netzwerken bis Ende 2020 zu fördern. Auch die verpflichtende Einführung von Energieaudits für Nicht-KMU nach dem Energiedienstleistungsgesetz ist Bestandteil des NAPE.

Was in den Debatten immer wieder betont wird: Um Innovationen zu ermöglichen, müssen kommunale und private Unternehmen gleiche Rechte und Pflichten im Markt haben. Gerade vor dem Hintergrund, dass ein Großteil der bestehenden Effizienzpotenziale noch nicht gehoben werden konnten. Kommunale Unternehmen wollen sich hier weiterhin engagieren und die Bundesregierung in ihren Zielen unterstützen, dies kann aber nur in einem fairen Markt- und Wettbewerbsumfeld erfolgreich umgesetzt werden.

Mit ihren nachhaltigen Geschäftsmodellen und ihrem Know-how sowie der unmittelbaren Nähe zu den Bürgern haben Stadtwerke ideale Voraussetzungen, um die Energiewende dezentral voranzutreiben. Doch wir dürfen nicht vergessen: Die Energiewende ist ein Gemeinschaftsprojekt. Für eine solche gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist die Akzeptanz in der Bevölkerung eine zentrale Anforderung. Neben einer tiefen und frühzeitigeren Einbindung der Bürger in die Planungen vor Ort ist es notwendig, die lokalen Gegebenheiten und Interessen zu berücksichtigen. Den Stadtwerken kommt hier eine entscheidende Rolle zu. Denn sie sind lokal verankert, richten ihre Ziele an den Bedürfnissen der Menschen vor Ort aus und genießen das Vertrauen der Bürger - das haben Umfragen immer wieder gezeigt.

Energiewende ist ein Gemeinschaftsprojekt

Bei der Umsetzung der Energiewende arbeiten die Stadtwerke eng mit lokalen Partnern vor Ort, vor allem mit mittelständischen Unternehmen, zum Beispiel Handwerksbetrieben, Dienstleistern wie IT-Firmen oder Ingenieurbüros, zusammen. Es ist wichtig, dass solche lokalen Allianzen auch weiterhin erfolgreich bestehen. Denn sie schaffen Arbeitsplätze und durch die Vergabe von Aufträgen vor Ort wird die Wirtschaftskraft der Region gefördert. Getätigte Investitionen kommen somit allen Bürgern zugute. Darüber hinaus bieten Stadtwerke attraktive Beteiligungsmodelle für den Ausbau der erneuerbaren Energien vor Ort an, zum Beispiel gemeinsam mit den Sparkassen, oder beteiligen die Bürger durch Energiegenossenschaften.

Für einen so grundlegenden Umbauprozess und in einer volkwirtschaftlich so wichtigen Branche wie der Energiewirtschaft, in der langfristige Investitionen getätigt werden, ist ein konsistentes Investitionsumfeld von größter Bedeutung. Die kommunalen Versorger und die Energiewirtschaft insgesamt müssen sich auf die Kontinuität von politischen Entscheidungen verlassen können. Nur wenn die Energiewende sicher und zu vertretbaren Kosten gelingt, gibt es auch eine sichere, bezahlbare und klimaverträgliche Energieversorgung. Diese ist eine wichtige Voraussetzung für wirtschaftliches Wachstum und Prosperität im Wirtschaftsstandort Deutschland.

Der Autor

Hans-Joachim Reck Hauptgeschäftsführer, Verband kommunaler Unternehmen e.V., Berlin

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