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HYBRIDE KONZEPTE ALS LÖSUNG FÜR HANDEL UND LOGISTIK - ABER AUCH FÜR INVESTOREN?

Maximilian Ludwig, Foto: Real I.S.

Die letzte Meile der Logistikkette wird für Onlinehändler ein immer größerer Kostenfaktor. Innerstädtische Handelsimmobilien können von diesem Umstand profitieren, denn hybride Nutzungen zwischen Handel und Logistik versprechen für beide Seiten eine sinnvolle Verzahnung. Doch welche Standorte und Lagen sind dafür potenziell geeignet? Und vor allem: Was bedeutet dieser Ansatz für Investoren? Welche Anforderungen stellen hybride Konzepte an die Objekte? Lassen sich damit auch in der High Street konkurrenzfähige Mieten erzielen? Und was bedeutet das für umsatzabhängige Mietverträge? Der Autor des vorliegenden Beitrags erklärt Vorteile und Herausforderungen hybrider Nutzungskonzepte aus Sicht der Investoren. (Red. )

Amazon hat die Immobilienbranche verändert. Nicht nur, weil viele Kunden lieber online als in der Innenstadt einkaufen und so Einzelhändler dort unter Druck setzen. Besonders Großstädter erleben jeden Tag, dass unsere Städte für den individuellen Lieferverkehr nicht ausgelegt sind: Lieferfahrzeuge halten auf Fahrradwegen, vor Einfahrten oder in zweiter Reihe. Städte, Logistikunternehmen und Betreiber von Logistikimmobilien müssen darauf reagieren, denn die Probleme werden sich verstärken. Bis zum Jahr 2025 wird sich die Zahl der verschickten Pakete in Deutschland laut McKinsey verdoppeln, auf jährlich fünf Milliarden.

Kostenintensive letzte Meile

Es ist günstiger, Waren von München an den Stadtrand Hamburgs zu liefern, als sie innerhalb Hamburgs an die Zieladresse zu transportieren. Denn der Ferntransport macht nur 37 Prozent der gesamten Transportkosten aus, 53 Prozent entfallen nach Angaben von Business Insiders auf die letzte Meile. Cushman & Wakefield erwartet, dass diese letzten Kilometer noch teurer werden, bis 2021 würden die Kosten um sieben bis zehn Prozent steigen.

Während Amazon versucht, das Problem der letzten Meile mit Robotern zu lösen, setzt zum Beispiel der Paketdienst DPD auf Elektro-Lastfahrräder. Das Konzept wird in Nürnberg bereits seit 2017 getestet und ist auch in anderen Städten angekommen: In Berlin startete 2018 ein Modellversuch mit dem Bundesumweltministerium, an dem fünf Paketdienste teilnehmen. Lastenräder oder Roboter verbrauchen wenig Platz und reduzieren Dreck, Lärm und Staus, sind aber auf kleinere Lager innerhalb der Städte angewiesen, die meist fehlen.

Logistik passt nicht in die Innenstadt

Innenstädte sind für Logistikflächen in der Regel ungeeignet. Die Mieten sind hoch, Parkplätze für Lieferfahrzeuge zu klein oder nicht vorhanden, viele Straßen sind durchfahrtsbeschränkt und die Gebäude oft mehrstöckig. Das macht es schwierig bis unmöglich, die Lieferfahrzeuge zu be- und entladen. Auch Vermieter wünschen sich keine Logistikunternehmen in ihren Innenstadtlagen.

Viele Logistikflächen sind unattraktiv und vertreiben Laufkundschaft eher als sie anzulocken. Das kann sich negativ auf die Nachbarschaft auswirken und andere Mieter abschrecken. Trotzdem gibt es einzelne Logistiker, die für B-Lagen oder Flächen in Shoppingcentern Mieten ab 20 Euro pro Quadratmeter bezahlen. Das ist aber eine Ausnahme, um Leerstand zu vermeiden.

Erste Umwidmungen von Einzelhandelsflächen

Weder Logistiker noch Vermieter wollen Logistikflächen in der Innenstadt, trotzdem entstehen davon immer mehr, denn Einzelhandelsflächen werden zunehmend für Logistik genutzt. Das rührt daher, dass es besonders für größere Handelsunternehmen immer wichtiger wird, ihr Online- und Offlinegeschäft zu verbinden. Ein möglicher Weg ist das Click-and-Collect-Prinzip: Kunden bestellen beispielsweise Hosen oder Schuhe in verschiedenen Größen und Modellen und lassen diese an eine Filiale ihrer Wahl liefern. Dort probieren sie die Ware an und entscheiden, welche Schuhe oder Hosen sie behalten wollen. Die restliche Ware verbleibt im Laden.

Der Kunde hat dadurch die komplette Auswahl wie beim Onlineshopping, muss aber nicht mehr auf den Paketboten warten oder am folgenden Werktag sein Paket in der nächsten Postfiliale abholen. Zudem kann er sich vom Verkäufer beraten lassen. Mit der Retour-Sendung entfallen auch eventuelle Liefer- oder Rücknahmegebühren. Der Verkäufer wiederum holt den Käufer vom Bildschirm in seinen Laden und hofft auf Spontankäufe oder einen neuen Stammkunden. Zusätzlich bietet er die gewünschte Auswahl und spart dennoch Lagerfläche. Ebenso ist es für den Logistiker wesentlich günstiger, die Ware an zentrale Filialen zu liefern, als die Pakete an die einzelnen Haushalte zu verteilen. Damit werden Flächen in der Innenstadt zum Hybrid aus Handels- und Logistikflächen.

Innovatives Pilotprojekt in Konstanz

Ein interessantes Projekt zum Zusammenspiel von Logistik und Einzelhandel läuft seit Juni 2018 in Konstanz. Im Einkaufszentrum "Lago" betreibt ein Logistikunternehmen einen Paketschrank, den sämtliche Paketdienste nutzen können. Für den Verbraucher soll die Registrierung einfacher sein als bei anderen Packstationen. Ein Plus ist zudem die zentrale Lage in der Innenstadt, so können Kunden ihr Paket während eines Einkaufsbummels abholen.

Der Standort Konstanz ist kein Zufall, sondern durch die Nähe zur Schweizer Grenze begründet. Viele Schweizer lassen sich ihre Bestellungen nach Deutschland schicken, um die höheren Versandkosten ins Nicht-EU-Ausland zu sparen. Dennoch kann dieses Pilotprojekt wertvolle Erkenntnisse liefern. Der Anbieter plant, weitere Packstationen in anderen Kommunen zu installieren. Ähnlich wie das Click-and-Collect-Prinzip funktioniert das Ship-from-Store-Konzept, das der spanische Modekonzern Inditex umgesetzt hat, zu dem unter anderem die Marke Zara gehört. Ausgesuchte Filialen nehmen die online eingehenden Bestellungen entgegen und kommissionieren sie. Der Kunde kann anschließend entscheiden, ob er sich die Ware liefern lässt oder sie abholt.

Same-Day-Deliveries beleben die Innenstädte

Beide Strategien senken die Kosten der letzten Meile deutlich. Auch Lieferungen am gleichen Tag, die von immer mehr Kunden nachgefragt werden, werden dadurch günstiger. Same-Day-Deliveries erhöhen laut einer Studie von American Express die Kundenbindung von 57 Prozent der Befragten. Wird die Innenstadt durch diese Konzepte wiederbelebt, profitieren auch die Eigentümer der Handelsimmobilien.

Ähnliches gilt für Flagship-Stores, zum Beispiel von Apple. Potenzielle Kunden kommen in den Showroom und damit in die Innenstädte. Im Laden bekommen sie einen Überblick über das Sortiment, testen Produkte und lassen sich beraten, kaufen dann aber online. Aus diesen Konzepten entwickelt sich für Vermieter allerdings ein Problem, da Mietverträge für Handelsimmobilien meist umsatzbasiert sind, die Miete also mit den Verkaufszahlen steigt. Erwirtschaften Einzelhändler ihren Umsatz online und tragen ihn entsprechend in ihre Buchhaltung ein, können sie Miete sparen.

Konträre Interessenlage bei den Mietverträgen

Je schneller der E-Commerce wächst, desto drängender wird für Vermieter von Handelsimmobilien die Frage nach angepassten Verträgen. Juristen haben bereits Musterverträge ausgearbeitet, diese sind aber noch nicht gerichtsfest. Wie die Verträge gestaltet sind, hängt zudem stark vom Einzelfall und der Verhandlungsmacht der Parteien ab. Mieter werden dafür stimmen, die Verträge für sie möglichst flexibel zu gestalten, sodass sie einen großen Anteil des Umsatzes dem Onlinegeschäft zurechnen können. Vermieter werden dafür plädieren, dass ein möglichst großer Teil der Onlineumsätze bei der Miete beachtet wird, zum Beispiel indem man sie auf einzelne Filialen umlegt.

In vielen Innenstädten kämpfen Vermieter gegen den Leerstand, dort haben Ladenbetreiber mehr Verhandlungsmacht. Beharren die Eigentümer trotzdem darauf, dass ein großer Anteil der Onlineumsätze den Filialen zugeordnet wird, könnten sie die attraktivsten Händler vertreiben. Genau diese Mieter erhöhen die Einnahmen des Vermieters aber nicht allein durch ihre Umsätze.

Je erfolgreicher ein Einzelhändler ist, desto leichter wird er einen alternativen Standort finden, weil er höhere Umsätze hat und die gesamte Nachbarschaft aufwertet. Starke Marken locken zudem weitere Mieter an. Ziehen diese führenden Einzelhändler nicht ein, geht mit ihnen Prestige und Laufkundschaft verloren, was weitere Mieter abschrecken kann.

Anreiz zur Kompromissfindung

Beide Parteien haben jedoch einen Anreiz, einen Kompromiss zu finden, da umsatzbasierte Mieten den Mietern auch aus einem anderen Grund zugutekommen: Vermieter haben dadurch einen Anreiz, ein verkaufsförderndes Umfeld zu schaffen. Dazu zählen gut gewartete und gereinigte Gebäude sowie ein Mietermix, der viele Kunden anzieht. Bei Pauschalmieten entfällt die Motivation, den Umsatz der Mieter zu fördern, da die eigene Rendite davon unabhängig ist.

Einzelhändler und Eigentümer der Immobilien haben ein Interesse daran, sich auf neue Verträge zu einigen, die für hybrid genutzte Immobilien geeignet sind. Doch sie sind nicht die einzigen Parteien, die Lösungen für das Problem der letzten Meile finden müssen. Die bisherigen Konzepte sind ein Anfang, werden aber nicht ausreichen. Logistikunternehmen, Städteplaner, Einzelhändler und die Immobilienbranche brauchen mehr Ideen für Konzepte, die die Infrastruktur der Städte entlasten und mit denen sich bestehende Immobilien weiterhin effizient nutzen lassen. Darauf müssen sich auch Investoren einstellen.

DER AUTOR MAXIMILIAN LUDWIG Head of Asset Management Retail & Hotel, Real I.S. AG, München
Maximilian Ludwig , Head of Asset Management Retail & Hotel, Real I.S. AG, München

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