MIPIM-SPECIAL

IMMOBILIENMÄRKTE DER REGION ASIEN-PAZIFIK: ZU GROSS, UM NICHT DABEI ZU SEIN

Bruce Wan, Foto: BlackRock

Infolge des anhaltend dynamischen Wirtschaftswachstums in der Region Asien-Pazifik nimmt auch die Bedeutung der dortigen Immobilienmärkte stetig zu. Laut dem aktuellen "City Momentum Index" von JLL befinden sich in der asiatisch-pazifischen Region mittlerweile 15 der 20 dynamischsten urbanen Zentren der Welt. Dennoch gilt es gerade für ausländische Investoren, die oftmals nur wenig vertraut sind mit den Spezifika der Region, ihre Einstiegsstrategien sorgfältig zu prüfen. Denn die Teilmärkte entwickeln sich äußerst heterogen und befinden sich zudem in gänzlich unterschiedlichen Phasen des Immobilienzyklus, wie der vorliegende Beitrag verdeutlicht. Red.

Die fundamentalen Treiber der Märkte in der Region Asien-Pazifik sind zu Beginn des neuen Jahres beziehungsweise Jahrzehnts großenteils unverändert. Die zügige wirtschaftliche Entwicklung (im Schnitt jährlich 5,8 Prozent Wachstum seit 2009), steigende Einkommen und die anhaltende Urbanisierung (44 Millionen Menschen pro Jahr) tragen zu einer vergleichsweise starken Zunahme der ökonomischen Aktivität bei, die innerhalb der kommenden fünf Jahre trotz der jüngsten Verlangsamung etwa zweieinhalb Mal so hoch liegen dürfte wie in Deutschland.

Anhaltende Transformation

Dieses Wachstum spiegelt sich unmittelbar positiv auf den Immobilienmärkten durch erhöhte Flächennachfrage von Mietern sowie steigende Mietansätze und Immobilienwerte wider. Dies gilt ungeachtet kurzfristiger Schwankungen in spezifischen lokalen Märkten. Mit anderen Worten: Die Entwicklung der Region Asien-Pazifik ist nach wie vor eine der bemerkenswertesten Transformationen unserer Generation, sowohl in volkswirtschaftlicher Hinsicht als auch bezüglich des Immobilienmarktes, der Schätzungen zufolge in den kommenden zwei bis fünf Jahren Europa und Nordamerika in puncto Größe überholen wird.

Der Schlagzeilenflut in den Tageszeitungen nach zu urteilen, gilt es einige neue Entwicklungen zu beachten, die sich mehr oder minder stark auf den Immobilienmarkt in der Region Asien-Pazifik auswirken könnten. Vor diesem Hintergrund geht dieser Beitrag auf einige der entsprechenden Entwicklungen ein, um Veränderungen im Hinblick auf Marktrisiken und -chancen abzuschätzen. Zudem geht es um die Frage, was dies für Investmentstrategien im Bereich Immobilien im Jahr 2020 bedeutet, speziell aus Sicht eines deutschen institutionellen Investors.

Der Ausbruch des neuen Corona-Virus in Wuhan (China) sorgt verbreitet für nicht unerhebliche Störungen der Wirtschaft und des Alltagslebens sowie für Besorgnis unter Investoren. Erinnerungen werden wach an das Sars-Virus in den Jahren 2002 und 2003 und Mers 2012. Bereits jetzt gibt es klare Anzeichen dafür, dass die wirtschaftliche Aktivität in Zentralchina und darüber hinaus deutlich zurückgeht. Zudem zeigen sich weltweit in breiterem Ausmaß Einschnitte im Reiseverkehr und Tourismus. Mit Blick auf den Immobilienmarkt gibt es deutliche Stresssignale in den am stärksten betroffenen Branchen Hotellerie/Gastronomie und Einzelhandel, speziell in China und Hongkong. Aus unserer Erfahrung mit Sars vor 17 Jahren heraus sind derlei Einschnitte zwar drastisch und schnell, tendenziell jedoch vorübergehender Natur. Dies dürfte diesmal umso mehr gelten, da die regionalen Behörden insgesamt schneller und proaktiver Maßnahmen ergriffen haben, um die Situation möglichst im Zaum zu halten.

Überschaubare Folgen in Australien und Hoffnung im Handelskonflikt

Buschfeuer und Überschwemmungen sorgen ebenfalls für erhebliche Beeinträchtigungen. So haben Buschfeuer im Südosten Australiens ein Gebiet verwüstet, das zweieinhalb Mal so groß ist wie Bayern. Gleichzeitig trafen Überschwemmungen den Norden des Landes. Im Hinblick auf den Immobilienmarkt sind die Folgen dieser Ereignisse jedoch überschaubar, denn sowohl Feuer als auch Überschwemmungen wüteten hauptsächlich abseits der großen Ballungszentren. Der erwartete Wiederaufbau von zirka 2 800 zerstörten Häusern dürfte auf Sicht der kommenden zwei Jahre zu einem leichten Anstieg der Bauaktivität und damit auch der Haushaltsausgaben führen. Insgesamt sind solche Ereignisse historisch betrachtet jedoch nicht ungewöhnlich. Beispielsweise betrafen Buschfeuer in den Jahren 1974 und 1975 ein Gebiet so groß wie Frankreich, Spanien und Portugal zusammen.

Der seit Langem anhaltende Handelskonflikt zwischen den USA und China beginnt 2020 langsam nachzulassen. Zuvor hatte er unter Investoren für Unsicherheit gesorgt und 2019 eine Korrektur der Büromieten hervorgerufen (zum Beispiel in Shanghai mit minus sechs Prozent). Zu Beginn des Jahres 2020 bietet die Unterzeichnung des "Phase-Eins"-Abkommens zwischen beiden Staaten jetzt die Chance, das bilaterale Verhältnis neu zu justieren und einen Ausweg aus den kürzlich durch neue Zölle errichteten Handelsbarrieren zu finden. Am Immobilienmarkt wirkt die Entspannung im Handelskonflikt insofern positiv, als die Unsicherheit der Investoren moderat nachlässt. Gleichzeitig setzen die Unternehmen jedoch ihre längerfristigen Vorhaben fort und diversifizieren die Lieferketten zum Teil nach Japan, Südkorea, Singapur und andere Länder. Inwieweit prägen diese Trends und Entwicklungen den Ausblick für Immobilieninvestitionen in der Region Asien-Pazifik? Aus fundamentaler Sicht findet man in der Region weiterhin gute Chancen, wobei die Marktbedingungen von Stadt zu Stadt und je nach Nutzungsart variieren. Entsprechend sinnvoll ist es, den Ausblick in Anbetracht der lokalen Markttreiber zu beurteilen.

Japan und China: Großstädte im Fokus

In Japan profitieren die großen und hochliquiden Märkte Tokio und Osaka weiterhin vom starken Anziehen der örtlichen Nachfrage, vom begrenzten Angebot (außerhalb des Kernzentrums von Tokio) und weiter anhaltenden Mietsteigerungen (plus fünf Prozent in Chiyoda und plus zwölf Prozent in Shibuya im Jahr 2019). Renditen sinken und Bewertungen ziehen weiter an, sodass Investoren am Büromarkt vermehrt in den mittleren Ringlagen von Tokio und Osaka nach Investments Ausschau halten. Mehrfamilien-Objekte bieten hohe Vermietungsstände und verlässliche Erträge. Der Logistiksektor zieht ebenfalls an, vor allem getrieben durch Neubauten und modernisierte Bestände. Unterdessen steigt auch die Nachfrage nach Hotels im Vorfeld der Olympischen Spiele in Tokio.

Angesichts des immer noch schwelenden, gleichwohl nachlassenden Handelskonfliktes und des Virusausbruchs dürfte in China das Wachstum der Flächennachfrage beziehungsweise der Mietpreise 2020 weiter gebremst werden, obwohl die gut gefüllte Projektentwicklungs-Pipeline sich allmählich leert. Unserer Ansicht nach sollte der Fokus auf den größeren Tier-1-Büromärkten Shanghai (wo die Preise korrigieren und sich wieder Chancen bieten) und Teilen Pekings (wo es attraktive Teilmärkte mit widerstandsfähiger Nachfrage und begrenztem Angebot gibt) liegen. Der Logistiksektor ist vor allem für Projektentwicklungen interessant - vorausgesetzt, man hat guten Zugang zu passendem Bauland und potenziellen Mietern. Eine deutlich größere Herausforderung stellen Tier-2-Märkte dar, denn dort ist die Liquidität begrenzt, die Transparenz geringer und es gibt höhere strukturelle Leerstände.

Rezession in Hongkong - Singapur profitiert

Die Wirtschaft Hongkongs sieht sich nach wie vor mit einer tiefen Rezession konfrontiert. Dabei spielt unter anderem der Handelskonflikt zwischen den USA und China eine Rolle sowie Bürgerunruhen und der Virusausbruch. All dies sorgt für starke Korrekturen in Kernsegmenten des Immobilienmarktes, einschließlich Hotels, Einzelhandel, Wohnen und den markttypischen und "Strata" genannten horizontalen Teileigentumsstrukturen im Bürosegment (neun Prozent Wertverlust in Zentral-Hongkong im Jahr 2019). Im Zuge dessen sehen sich nicht-professionelle Immobilienbesitzer, die in ihren Kernaktivitäten geringere operative Erlöse erzielen, zunehmend zu Verkäufen mit deutlichen Abschlägen veranlasst. Druck, entsprechende Verluste zu realisieren, dürfte früher oder später von den finanzierenden Banken kommen. Daraus sollten sich Chancen für institutionelle Investoren mit flexiblem Anlageprofil ergeben.

Die Wirtschaft in Singapur läuft etwas besser als in Hongkong, der Ausblick ist im Vergleich zu früher etwas gedämpfter. Die Aussichten für die Stadt als führendes Finanz- und Logistikzentrum in Südostasien und die daraus folgende Immobiliennachfrage finden weiterhin gute Unterstützung in soliden Fundamentaldaten. Hinzu kommt eine teilweise Verlagerung von Geschäft aus Hongkong. Kurzfristig dürfte der starke Aufschwung in der Spätphase des asiatischen Zyklus, der in den vergangenen Jahren zu beobachten war, nachlassen - vor allem wegen der Einschnitte durch den Ausbruch des Corona-Virus. Allerdings ist die führende Rolle Singapurs ein stützendes Element, und die zunehmende Verlagerung von Arbeitsplätzen aus Hongkong bietet mittel- bis langfristig zusätzliches Momentum. Der Büromarkt bleibt gut positioniert, zumal eine solide Flächennachfrage nach wie vor auf eine unterdurchschnittliche Neubautätigkeit trifft. Die Sektoren Einzelhandel und Hotel machen angesichts geringerer Touristenströme einen schwächeren Eindruck, während der Logistik- und Light-Industrial-Bereich sich unterdessen recht gut hält.

Heterogene Entwicklungen in Südkorea und Australien

Südkorea ist inzwischen ein integraler Bestandteil der wirtschaftlichen Aktivität in der Region. Das betrifft sowohl die Schwerindustrie als auch den Tourismus. Insofern werden der schwächer werdende Zyklus als auch kurzfristige Einschnitte durch den Virus wohl deutlich negative Effekte auf die Nachfrage haben. Im Bürosektor dürften die schwächere Flächennachfrage und bald zu erwartende Fertigstellungen von Projekten in einigen Vierteln eine Erholung der Mieten erschweren. Gleichzeitig entwickelt sich der Logistiksektor weiterhin gut.

Während sich die australische Wirtschaft insgesamt schwächer entwickelt, gibt es ausgeprägte Unterschiede zwischen den lokalen Märkten. Beispielsweise befinden sich Sydney und Melbourne in der Frühphase eines Aufschwungs, angetrieben vom Häusermarkt. Unterdessen durchlaufen Perth und Adelaide spätzyklische Erholungen, die vor allem mit dem Rohstoffmarkt zusammenhängen. Der Büromarkt bietet nach wie vor eine Vielzahl attraktiver Investments mit vergleichsweise stabilen Erträgen. Das gilt speziell für Sydney und Melbourne, wo neue Infrastrukturmaßnahmen insbesondere im öffentlichen Nahverkehr für ein starkes Momentum sorgen. Der Einzelhandel leidet deutlich unter der E-Commerce-Konkurrenz, jedoch beobachten wir auch einen übertriebenen Pessimismus bei vielen institutionellen Investoren, sodass sich hier durchaus punktuell attraktive Einstiegschancen ergeben. Der Logistiksektor profitiert ebenfalls von neuen Infrastrukturmaßnahmen, während der Markt für Studentenwohnungen sich zunehmend institutionalisiert.

Die Hochs und Tiefs des Immobilienmarktes in der Region Asien-Pazifik erinnern immer wieder daran, wie substanziell und nachhaltig vorteilhaft es ist, diese Region zur Diversifizierung von Investments zu nutzen. Die Region bietet auch deutschen Immobilieninvestoren Marktchancen, um attraktive risikoadjustierte Portfoliorenditen zu erzielen. Dies gilt insbesondere in einem globalen Marktumfeld mit langsamerem Wirtschaftswachstum und geringeren Immobilienrenditen. Wichtig dabei: Es ist entscheidend, über alle entwickelten Länder dieser Region hinweg zu investieren, da die Märkte sich dort in ganz unterschiedlichen Zyklen bewegen, welche die lokale Nachfrage und das örtliche Angebot widerspiegeln.

In Anbetracht unterschiedlicher Märkte mit verschiedenen lokalen Zyklen betonen wir nach wie vor die Möglichkeiten, durch Engagements in asiatisch-pazifischen Immobilien Diversifikationsvorteile zu nutzen. Investoren sollten kurzfristig gewappnet sein, um taktische Vorteile aus den kurzfristigen Hochs und Tiefs bestimmter Märkte und Sektoren zu ziehen. Als allgemein sinnvoll erscheint im aktuellen Marktumfeld eine Fokussierung auf Neuvermietungspotenziale und strukturelle Ineffizienzen in Japan (Ist-Mieten liegen oft unterhalb der Marktmieten), Distressed-Situationen in Hongkong und Teilen Chinas sowie einen möglichst frühen Einstieg in diejenigen Lagen der großen Metropolen Australiens.

Nicht oft genug wiederholen kann man, dass es angesichts der verschiedenen Sprachen, der kulturellen Eigenheiten sowie der Unterschiedlichkeit der regionalen Märkte von elementarer Bedeutung ist, vor Ort mit lokalem Personal präsent zu sein.

DER AUTOR BRUCE WAN Leiter Research, Bereich Real Assets Asien, BlackRock, Hongkong
DER AUTOR WOLFGANG BERNADZIK Leiter Strategische Immobilienpartnerschaften, BlackRock, Frankfurt am Main
Bruce Wan , Leiter Research, Bereich Real Assets Asien, BlackRock, Hongkong
Wolfgang Bernadzik , Leiter Strategische Immobilienpartnerschaften, BlackRock, Frankfurt am Main

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