Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft

Das Immobilienwirtschaftsrecht - am Anfang eines sicheren Wandels

Andreas Papp

"Disruptive Technologien" haben in jüngster Vergangenheit bereits mehrere Branchen auf den Kopf gestellt. Prominente Beispiele sind sicherlich die Berufsgruppen der Hoteliers und Personenbeförderer, die sich plötzlich mit den beliebten Angeboten von Start-ups wie Airbnb und Uber konfrontiert und in ihrer Existenz bedroht sahen. Dass sich auch die Immobilienwirtschaft dem digitalen Wandel stellen muss, wurde spätestens mit Aufkommen makler ähnlicher Internetplattformen deutlich. In anderen Bereichen hat sich zuletzt ebenfalls einiges getan, insbesondere hinsichtlich der rechtlichen Aspekte der Due-Diligence-Prüfung. Nachdem digitale Datenräume inzwischen als Standard gelten, sorgte vor kurzem das Proptech-Unternehmen Leverton für Furore. Deren Software zur automatisierten Auslese umfangreicher Dokumente erleichtert unter anderem die Abwicklung von Immobilientransaktionen. Nach Ansicht des Autors könnte dies jedoch nur ein Vorgeschmack auf noch tief greifendere Veränderungen sein. Red.

Die digitale Zukunft der Immobilienwirtschaft und der Rechtsberatung wird in allen Zeitungen debattiert. Fast täglich werden neue Unternehmen in diesen Märkten vorgestellt und Begriffe wie "Big Data" und "künstliche Intelligenz" sind inzwischen weitläufig bekannt. Echte disruptive Technologien, also solche, die die etablierten Produkte oder Dienstleistungen verdrängen könnten, sind hier bislang noch nicht erkennbar. Zurücklehnen sollten sich die etablierten Marktteilnehmer aber nicht, da gerade das Immobilienwirtschaftsrecht Angriffsfläche für Automatisierbarkeit bietet. Das Rechtsgebiet befindet sich am Anfang eines sicheren Wandels.

Die sogenannten Proptech-Unternehmen sprießen schon seit geraumer Zeit aus dem Boden. Zuhauf gibt es in diesem Zusammenhang Portale, die alle Akteure, seien es Verkäufer und Käufer, Vermieter und Mieter oder Bauherrengemeinschaften, provisionsbasiert zusammenbringen.

Dies verkleinerte schon früh den Inserats teil der Regionalzeitungen. "Crowdinvesting"-Plattformen griffen Teile der Finanzwirtschaft an. McMakler und Co. torpedieren nun durch günstige Provisionen und Massengeschäft den Maklermarkt.

Proptechs mischen Immobilienmärkte auf

Neuere Entwicklungen sind etwa der online buchbare Video-Drohnenflug über die Immobilie oder auch der 360-Grad-Rundgang mittels Virtual-Reality-Technologie. Auch das sogenannte "Internet of Things" hat die Immobilienwirtschaft erreicht: Die digitale Gebäudesensorik, das elektronische Türschloss und die softwaregesteuerte Hausverwaltung dürften die Immobilie alsbald zu einem programmierbaren Gegenstand machen.

Die Legaltech-Bewegung ist dagegen jung. Die Portale heißen hier etwa Advocado, Jurato und Legalbase. Diese vermitteln gegen Provision oder Monatsgebühr Mandaten an Anwälte. Da es zwischen Anwalt und Mandant bislang aber kein echtes Vermittlungswesen gab, wirken sie nicht disruptiv. Start-ups bespielen des Weiteren einige konkrete Rechtsgebiete und beschäftigen sich etwa mit der automatisierten Geltendmachung von Ansprüchen und Rechten, etwa Fluggastrechten (zum Beispiel Flight right) oder Hartz-4-Widersprüchen (zum Beispiel Rightmart). Diese Geschäftsmodelle können gut innerhalb Deutschlands skalieren und wirken unter Umständen tatsächlich disruptiv auf den Anwalt von nebenan.

Digitale Rechtsberatung noch Stückwerk

In beiden Märkten, vorwiegend aber im Zusammenhang mit Rechtsanwälten, wird zudem viel über "Big Data" und "künstliche Intelligenz" gesprochen. Der selbstlernende "IBM Watson Rechner" soll so etwa zurzeit mit seinem Partnerschaftsprogramm "Ross" die ersten Semester Jura belegen und in Zukunft einmal als softwarebasierter Rechtsberater den Rechtsanwalt ablösen. Da das Rechtsberatungsgeschäft aber nicht bloß aus Rechtskenntnis und Subsumtion besteht, sondern weitgehend auch aus der Ermittlung und Umdeutung der Fragestellung des Mandanten, der Erinnerung an noch fehlende Unterlagen und nicht zuletzt auch aus der Wirkung eines fachlich versierten menschlichen Ansprechpartners, wird jedenfalls die Rechtsschule alleine nicht helfen. Maßgeblichen Einfluss auf den Alltag gibt es diesem Bereich jedenfalls zurzeit nicht.

Ganz anders sieht dies aber bei einem standardisierbaren Massengeschäft an der Schnittstelle dieser beiden Märkte zueinander aus. Hier scheinen Digitalisierungsansätze zu fruchten. Der Rechtsanwalt im Immobilienwirtschaftsrecht beschäftigt sich vorwiegend mit dem Kauf und dem Verkauf von Immobilien. Dies umfasst die anfängliche Modellberatung (Asset Deal oder Share Deal), die rechtliche Due Diligence sowie die Gestaltung, Verhandlung und den Vollzug des Kaufvertrages. Klar ist: soweit hier der Rechtsanwalt als Vertrauensperson des Verkäufers oder Käufers auftritt, handelt es sich wohl um den "disruptionsfesten Kern" des Anwaltsberufs.

Einen wesentlich kosten- und zeitintensiven Faktor im Transaktionsberatungsgeschäft aber bildet die Due Diligence. Diese ist wiederum nur im begrenzten Maße "Vertrauensgeschäft". Noch vor wenigen Jahren sperrte man zahlreiche Junganwälte in echte Datenräume. Dort wälzten sie mitunter wochenlang Akten. Digitale Datenräume haben hier nur räumliche Abhilfe geschaffen.

Due Diligence bald ohne Anwälte?

Und genau an dieser Stelle trifft ein junges und viel beachtetes Unternehmen einen Nerv: Leverton ist in der Lage, aus eingescannten Dokumenten Mieterdaten zu extrahieren. Das Unternehmen nutzt hierfür eine automatische Texterkennungssoftware (OCR), die es unter anderem ermöglicht, Mieternamen, Miete, Laufzeit und Kündigungsrechte auszulesen und in Tabellen einzupflegen. Das ist mit Sicherheit hilfreich, den Anwalt ersetzt es dadurch aber nicht vollständig. Denn die Analyse erfordert letztlich doch noch mehrere Kontrollen durch das menschliche Auge. So muss der Due-Diligence-Anwalt die Daten wiederum bewerten und damit zugleich auch: sichten.

Die Vielschichtigkeit der deutschen Juristensprache und die vielgenutzte Verweisungssystematik innerhalb der Vertragssysteme erschweren die standardisierte Extraktion. Auch die Unschärfe der Klauseln, die ja nicht selten gerade deswegen ausgelegt werden müssen, wird ein Computer (noch) nicht verstehen. Hinzu kommen die schlechte Scan-Qualität, die fehlende Seite, die handschriftlichen Ergänzung und die in den Drucktext hineinragende Paraphe - damit kann auch die beste OCR-Technologie gegenwärtig noch nicht umgehen. Für eine erste Vorstrukturierung der Mieterdaten ist die Dienstleistung aber sicher hilfreich und dürfte sich gut im Markt etablieren. Hier sind disruptive Elemente erkennbar, jedoch werden Transaktionsanwälte dieser anfänglichen Fleißarbeit nicht unbedingt nachtrauern.

Das Vertragswesen der Zukunft

Was Leverton erreicht hat, ist eher eine Zwischenlösung. Nachhaltige Abhilfe könnte zukünftig ein digitales Vertragswesen schaffen. Hierin steckt Potenzial. Denn das, was die rechtliche Due Diligence eigentlich so aufwendig macht und die automatisierte Ermittlung der rechtlichen Werthaltigkeit einer Immobilie so maßgeblich erschwert, ist der Vertrag in Papierform. Was futuristisch klingt, aber schlichtweg eine digitale Datei ist, wird gegenwärtig unter dem Stichwort "Smart Contract" diskutiert.

Solche softwarebasierten Verträge könnten es ermöglichen, die Extraktion der Mieterdaten aus Vertragsdokumenten, auch bei sehr großen Portfolios, durch einen "Klick" auf wenige Sekunden zu reduzieren. Rechtlich und technisch ist dies bereits möglich. Auch die Schriftform kann schon jetzt durch eine qualifizierte elektronische Signatur ersetzt werden. Der Markt ist zäh, die technische Umsetzung kompliziert. Bis sich ein digitales Vertragswesen etabliert hat, werden wohl noch zahlreiche, mitunter langfristige Mietverträge ausgedruckt, unterschrieben und abgeheftet worden sein.

Kurz- und mittelfristig wird es spannend zu beobachten sein, ob Akteure aus der Immobilienwirtschaft innovationsoffen für digitale Optimierungsmechanismen sind und auch damit verbundene Investitionsrisiken in Kauf nehmen. Es bietet sich die Chance, hiervon nachhaltig zu profitieren. Wer noch keinen Computer hat, sich alle Dokumente ausdrucken lässt und der Sekretärin in das Notizbuch diktiert, wird voraussichtlich nur "Triangel in dem Orchester der Zukunftsmusik" spielen.

Der Autor Dr. Andreas Papp Rechtsanwalt, Bau- und Immobilienrecht, Berlin
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