WOHNUNGSWESEN

IMPLIKATIONEN DER GESETZESÄNDERUNG IM SPANISCHEN WOHNRAUMMIETRECHT

Monika Regaño, Foto: Monereo Meyer Abogados

Angespannte Wohnungsmärkte gibt es nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Teilen Europas. Ein Paradebeispiel ist Spanien, wo mittlerweile über 42 Prozent der Haushalte mehr als 40 Prozent der Einnahmen für die Zahlung der Miete ausgeben müssen. Die (noch) im Amt befindliche spanische Regierung hat deshalb vor kurzem ein umfangreiches Gesetzesdekret verabschiedet, dass die Mieterrechte stärken und weiteren signifikanten Mietsteigerungen vorbeugen soll. Die Autoren beleuchten im folgenden Beitrag die wichtigsten Veränderungen. Red.

Am 1. März 2019 verabschiedete der spanische Ministerrat unter dem Titel "Sofortmaßnahmen zur Bewältigung der sozialen Notlage im Bereich Wohnraum" das königliche Gesetzesdekret 7/2019 (Real Decretoley 7/2009, de 1 de marzo, de medidas urgentes en materia de vivienda y alquiler), das am 6. März 2019 in Kraft getreten ist. Erklärte Ziele des Gesetzgebers sind die Steigerung von Mietwohnungsangeboten, die Eindämmung der Vermietung von Mietwohnungen zu touristischen Zwecken sowie eine Stärkung der Mieterrechte im Allgemeinen.

Eigentumsquote auf 80 Prozent gefallen

Vor dem Hintergrund der genannten Ziele des spanischen Gesetzgebers ist es sinnvoll, sich klar zu machen, dass die historische Eigentumsquote in Spanien einst 85 Prozent betrug. Die Mietquote belief sich landesweit nur auf 15 Prozent. Die im Zuge des Gesetzes 4/2013 vom 4. Juni vorgenommene Reform des Wohnraummietrechts führte zu einer Stärkung der Vermieterstellung. In Folge sank die Eigentumsquote auf heute 80 Prozent, die Mietquote nahm folgerichtig leicht zu und beträgt derzeit landesweit 20 Prozent.

Ein für den spanischen Wohnraummietmarkt bedeutender Aspekt ist weiter, dass Vermieter in Spanien mehrheitlich Privatpersonen sind. Institutionelle Vermieter von Wohnungen in Spanien existieren nicht in der Vielzahl wie zum Beispiel in Deutschland. In Bezug auf Wohnraum sorgen auch viel zu lange Räumungsverfahren für Probleme. Im Folgenden wird auf die für die Praxis relevantesten Änderungen eingegangen, die durch dieses Gesetzesdekret in verschiedenen Gesetzen Eingang gefunden haben.

Änderungen am Gesetz über städtische Mietverhältnisse

In erster Linie nimmt das Gesetzesdekret Änderungen am Gesetz über städtische Mietverhältnisse vor (Ley 29/1994, de 24 de noviembre, de Arrendamientos Urbanos, im Weiteren "LAU"), das, wie erwähnt, im Jahr 2013 zuletzt geändert worden war. Von wesentlicher Bedeutung ist die Anhebung der gesetzlichen Mindestlaufzeit der Wohnraummietverhältnisse für Vermieter von drei auf fünf Jahre (Artikel 9 LAU), sofern der Vermieter eine natürliche Person ist.

Ist der Vermieter eine juristische Person, beträgt die gesetzliche Mindestlaufzeit für diese zukünftig sogar sieben Jahre, es sei denn, der Mieter kündigt 30 Tage vor Ende der Vertragslaufzeit. Ferner sind Vermieter (lediglich natürliche Personen) nach Ablauf des ersten Jahres nur dann zur Eigenbedarfskündigung berechtigt, wenn dies ausdrücklich im Mietvertrag festgehalten ist. Gemäß dem modifizierten Artikel 10 Absatz 1 LAU tritt eine Verlängerung des Wohnmietvertrags um bis zu weitere drei Jahre ein, sofern zwischen den Parteien keine anderweitige Vereinbarung besteht. Zudem beträgt nach dieser Vorschrift die Mitteilungsfrist (preaviso) über eine nicht beabsichtigte Verlängerung des Mietvertrags fortan zwei Monate für Mieter und vier Monate für den Vermieter. Verpasst der Vermieter diese Frist, ist er weitere drei Jahre an den Mietvertrag gebunden.

Mindestlaufzeit auch bei Zwangsversteigerung

Eine weitere wichtige Neuerung zur bisherigen Regelung besteht nach den Artikeln 13 und 14 LAU darin, dass der Mieter die Mindestlaufzeit auch bei einer Zwangsversteigerung der Immobilie im Rahmen einer Hypothek durchsetzen kann. Gleiches gilt im Falle des Verkaufes der Immobilie gegenüber dem neuen Eigentümer, selbst wenn der Mietvertrag nicht im Eigentumsregister eingetragen ist. Dass während der vertraglichen Mindestlaufzeit das Prinzip "Kauf bricht Miete nicht" gilt, ist nach den zivilrechtlichen Grundsätzen Deutschlands üblich, jedoch war dies in Spanien bislang auch nur der Fall, solange der Mietvertrag im Eigentumsregister eingetragen war, nicht aber bei einer fehlenden Eintragung. Im Hinblick auf den Verkauf eines Gebäudes beziehungsweise aller Wohnungen und Lokale eines Vermieters in einem Gebäude, besteht, wie bisher, kein Vorkaufsrecht der Mieter. Allerdings kann nun für diese Fälle nach Artikel 25 LAU ein Vorkaufsrecht zugunsten der Verwaltung eingeführt werden, was im Rahmen der Prüfung der Investition zu untersuchen ist.

Den Mieterschutz stärken soll auch der geänderte Artikel 18 Absatz 1 LAU, der die Anpassung des Mietzinses regelt und diesen künftig deckelt. Der Anstieg des Mietzinses, der sich aus einer jährlichen Anpassung ergibt, darf nicht höher sein als das Ergebnis der prozentualen Veränderung des Verbraucherpreisindexes (Índice de Precios al Consumo) zum Zeitpunkt der Anpassung. Das gilt auch, wenn etwas anderes vereinbart war. Staffelmieten dürften in Spanien damit auch in Zukunft ausgeschlossen sein.

Zukünftig trägt der Vermieter nach Artikel 20 LAU die Maklercourtage, sofern es sich bei dem Vermieter um eine juristische Person handelt. Ebenfalls ändert das Gesetzesdekret die Vorschrift des Artikels 36 LAU zur Mietkaution. Die Mindesthöhe der Mietkaution (eine Monatsmiete) bleibt beibehalten, wobei während der ersten fünf beziehungsweise sieben Jahre des Vertrags keine Anpassung (actualización) erfolgen darf. Der Vermieter darf ebenfalls, wie bisher, zusätzliche Garantien vom Mieter verlangen. Die zusätzlichen Garantien dürfen sich nach dem neuen Gesetzesdekret jedoch bei Wohnraummietverträgen mit einer Laufzeit von fünf beziehungsweise sieben Jahren höchstens auf zwei Monatsmieten belaufen.

Diese Einschränkung ist kritisiert worden, da sie insbesondere bei privaten Vermietern aufgrund des Verlustes an Sicherheit Bedenken gegen die Vermietung der Wohnung hervorrufen können. Es sei hier auf die spanische Besonderheit hingewiesen, dass die gesetzliche Kaution, ganz gleich ob sich diese im Hinblick auf Wohnraumvermietung auf einen Monatsmietzins beläuft oder auf zwei Monate bei der Gewerberaumvermietung, an "öffentlicher Stelle" durch den Vermieter zu hinterlegen ist.

Präzisierung des Artikels zur touristischen Wohnraumvermietung

Angesichts der in Spanien populär gewordenen touristischen Wohnraumvermietung auf Onlineplattformen wie Airbnb und dem in einigen Städten Spaniens damit einhergegangenem Anstieg von Wohnraummieten, wird der Wortlaut von Artikel 5 e) LAU weiter präzisiert. Ausdrücklich von den Regelungen des LAU ausgenommen ist die temporäre, mit Gewinnerzielungsabsicht verfolgte Nutzungsüberlassung von möblierten Wohnungen, die den Vorschriften des Tourismussektors unterfallen. Ob es sich also um touristische Wohnraumvermietung handelt, richtet sich nach den Vorschriften der Gemeinden und autonomen Gebietskörperschaften (Comunidades Autónomas), die sehr unterschiedlich sein können.

Außerdem wird auch das spanische Wohnungseigentümergesetz (Ley de Propiedad Horizontal, de 21 de julio, sobre propiedad horizontal) modifiziert. Wohnungseigentümergemeinschaften können ab sofort die touristische Wohnraumvermietung im Rahmen der Gemeinschaft beschränken oder konkret regeln, selbstverständlich ohne Rückwirkung. Voraussetzung ist jeweils ein Beschluss der Wohnungseigentümerschaft mit einer Mehrheit von 60 Prozent.

Mietspiegel und verändertes Räumungsverfahren

Außerdem soll innerhalb von acht Monaten ein staatliches System mit einem Referenzindex über Wohnraummietpreise, also eine Art Mietspiegel, geschaffen werden. Beabsichtigt wird damit unter anderem, die Transparenz auf dem Wohnungsmarkt zu gewährleisten. Zudem soll es dem Staat möglich sein, hierdurch mehr Kenntnis über die Preisentwicklungen auf dem Wohnungsmarkt zu erlangen und entsprechend politisch reagieren zu können. Den autonomen Gebietskörperschaften steht es darüber hinaus frei, einen eigenen Referenzindex zu schaffen.

Das neue Gesetzesdekret führt auch zu Änderungen der spanischen Zivilprozessordnung im Hinblick auf den Fall einer Wohnungsräumung bei sozialer und/oder wirtschaftlicher Gefährdung der von einer Räumung betroffenen Person. Nach dem neuen Absatz 5 des Artikels 441 der spanischen Zivilprozessordnung kann sich die betroffene Person bei einer geplanten Räumung der Wohnung an einen sozialen Dienst wenden. Befindet der soziale Dienst darüber, dass eine soziale oder wirtschaftliche Gefährdung vorliegt, so wird das für die Räumung zuständige Justizorgan informiert und der Räumungsvorgang bis zum Ergreifen angemessener Maßnahmen suspendiert. Unvertretbar erscheint uns die diesbezügliche Differenzierung der Suspension von einem oder drei Monaten, was davon abhängig ist, ob es sich bei dem Vermieter um eine natürliche oder juristische Person handelt. Problematisch ist vor allem, dass keine Frist für die Stellungnahme des sozialen Dienstes geregelt worden ist. Dies kann zu weiteren Verzögerungen von Räumungsverfahren führen.

Die neuen Bestimmungen des LAU finden auf Verträge Anwendung, die ab dem 6. März 2019 geschlossen werden. Bisherige Mietverträge bleiben von der Reform unberührt. Gemäß der ersten Übergangsvorschrift des neuen Gesetzesdekrets gelten für alle Wohnraummietverträge, die den Regelungen des LAU unterfallen, weiterhin die Bestimmungen, die zu der Zeit des Vertragsschlusses rechtsgültig waren. Gleichwohl besteht nach der ersten Übergangsvorschrift des Gesetzesdekrets 7/2019 die Möglichkeit, dass sich die Parteien bisheriger Mietverträge auf die Anwendung der neuen Bestimmungen des LAU einigen können. Insgesamt sind im spanischen Mietrecht sieben verschiedene Regelungssysteme anwendbar. Welches Regelungssystem anzuwenden ist, hängt davon ab, wann der jeweilige Mietvertrag geschlossen wurde. Deshalb ist bei einer Prüfung, welche Regelungen auf den konkreten Vertrag anzuwenden sind, genau darauf zu achten, welche der "historischen" Gesetzesregelungen überhaupt einschlägig sind.

Die Förderung des Mietwohnungsmarktes war bereits das erklärte Ziel des Gesetzes 4/2013, das sich aber aufgrund der Entwicklung des spanischen Mietmarktes in den vergangenen Jahren als unzureichend für den Schutz der Mieter erwiesen hat. Wie in ganz Europa, ist in Spanien ein starker Anstieg der Mietpreise zu verzeichnen gewesen, in bestimmten Orten sogar über 15 Prozent, wobei laut Eurostat über 42 Prozent der spanischen Haushalte mehr als 40 Prozent der Einnahmen für die Zahlung der Miete ausgeben müssen. Damit liegt Spanien weit über dem europäischen Durchschnitt. Der Anstieg der Mietpreise wurde zuletzt nicht nur durch die Zunahme der touristischen Vermietung von Wohnungen über sogenannte Peer-to-peer-Plattformen (P2P) verursacht, sondern geht zurück auf die gestiegene Nachfrage nach Mietwohnungen, die auch künftig hoch bleiben sollte.

Regierungsdekret "in letzter Sekunde"

Ob die durch das königliche Gesetzesdekret verfolgten Wirkungen, auch im Hinblick auf die Eindämmung der touristischen Weitervermietung von Wohnungen, erreicht werden, bleibt abzuwarten. Die derzeit noch im Amt befindliche spanische Regierung, die die vorstehend erläuterten neuen Vorschriften zum Mietrecht mittels Regierungsdekret sozusagen "in letzter Sekunde" umgesetzt hat, unterstreicht mit diesem Gesetzesdekret jedoch eines: Sie möchte die Mieterrechte stärken und insbesondere Vorkehrungen treffen, zukünftig erhebliche Mietsteigerungen einzudämmen.

Die erfolgte Einschränkung der Vermieterrechte erscheint nicht als ein ideales Mittel, um das Angebot an den sich in Spanien meist in privater Hand befindlichen Mietwohnungen auf dem Markt zu stärken und hierdurch für eine Stabilität der Mietpreise zu sorgen. Andere Experten warnen zudem davor, dass die Verlängerung der Mindestmietlaufzeit, die Begrenzung der Mietsicherheiten und die Aktualisierung der jährlichen Miete sogar zu einer Reduzierung des so sehr gewünschten Mietangebotes in Spanien und zu einer Erhöhung der Mieten führen könnte.

DIE AUTORIN MONICA REGAÑO, Partner und Abogada/ Rechtsanwältin, Monereo Meyer Abogados, Madrid
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DER AUTOR STEVEN RUDMANN, Abogado Inscrito und Rechtsanwalt, Monereo Meyer Abogados, Madrid
 
Steven Rudmann , Associate, Rechtsanwalt und Abogado Inscrito , Monereo Meyer Abogados, Madrid

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