Insolvenz

Kalte Zwangsverwaltung - niedrigere Kosten und höhere Erlöse

Rüdiger Bauch

26 300 Unternehmensinsolvenzen gab es 2013 in Deutschland. Bei vielen davon spielen Immobilien eine wichtige Rolle - etwa als Produktionshalle oder Bürogebäude des insolventen Unternehmens. Oder für die Betreibergesellschaft einer Immobilie (zum Beispiel Einkaufszentrum) wird ein Insolvenzverwalter bestellt. Grundsätzlich gilt: Immobilien in der Insolvenz sind für alle Beteiligten ein komplexes Thema - auch für die Banken, die vielfach als Sicherungsgläubiger im Grundbuch eingetragen sind. Für sie stellt die Immobilie die - oftmals einzige und in jedem Fall bedeutsame - Sicherheit für ihre Kredite dar. Für Banken ist es maßgeblich, dass die Kosten für die Immobilie in der Insolvenz möglichst gering und die Erlöse aus dem Verkauf und der Bewirtschaftung der Immobilie so hoch sind wie möglich. Welche Vorteile die kalte Zwangsverwaltung bietet, beschreibt der Autor. Red.

Aktuell ist der Immobilienmarkt in den meisten Regionen Deutschlands durch die Niedrigzinspolitik und damit verbundenen Möglichkeit einer sehr günstigen Finanzierung des Immobilienkaufs weitestgehend stabil. Trotzdem kommt es regelmäßig zu Leistungsstörungen im immobiliengesicherten Darlehensgeschäft. Sofern der Schuldner in einem solchen Fall nicht freiwillig mitarbeitet - etwa durch Abtretung von Mietforderungen und die Bereitschaft zur Mitwirkung an einer freihändigen Veräußerung - bleiben dem Sicherungsgläubiger in der Regel nur die Maßnahmen der Einzelzwangsvollstreckung.

Die Einzelzwangsvollstreckung bedeutet einen Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung, die im Einzelfall zusätzlich durch eine Zwangsverwaltung verstärkt werden kann. Zwangsversteigerung und -verwaltung scheinen auf den ersten Blick das Mittel der Wahl zu sein. Abhängig von der jeweiligen Situation der Immobilie ist die sogenannte kalte Zwangsverwaltung für die Sicherungsgläubiger aber die bessere Alternative, da sie für sie durch niedrigere Kosten und höhere Erlöse lukrativer ist. Die Bank vereinbart im Fall einer kalten Zwangsverwaltung als Sicherungsgläubiger mit dem Insolvenzverwalter, dass dieser die Immobilie betreut und - abzüglich einer Vergütung für die Insolvenzmasse - die Miete für die Bank einzieht.

Pflichten vermeiden

Mit der kalten Zwangsverwaltung können Banken die Nachteile der regulären Zwangsverwaltung umgehen. Um mit dem Geld zu beginnen: Reguläre Zwangsverwaltungen verursachen zunächst einmal eines - Kosten! Dies betrifft vordergründig sowohl die Gerichtskosten, die bereits mit dem Antrag auf Anordnung entstehen, als auch die Grundgebühren des Zwangsverwalters.

Kostenintensiver wird es häufig jedoch erst dann, wenn der Zwangsverwalter Kostenvorschüsse für das Verfahren anfordert. Dies kann auf der einen Seite Notmaßnahmen hinsichtlich der Immobilie betreffen. Dazu gehören etwa Kosten für den Versicherungsschutz, gegebenenfalls Aufträge für ein Dachdecker- oder ein Heizungs- und Sanitärunternehmen. Unabhängig vom konkreten Grund handelt es sich bei den anfallenden Kosten in der Regel um gut investiertes Geld. Bedauerlicherweise hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit seiner Rechtsprechung (§ 152 Abs. 2 ZVG) dafür gesorgt, dass der Zwangsverwalter bei vermieteten Immobilien gegenüber den Mietern erhebliche Pflichten hat. Genannt seien hier beispielsweise die Pflicht zur Erstellung von - oft langjährig nicht erstellten - Betriebs- und Nebenkostenabrechnungen, die Auskehr von Guthaben daraus an Mieter, die Anlage und gegebenenfalls Auskehr von Mietsicherheiten, auch wenn der Zwangsverwalter diese vom Schuldner nicht erhalten hat (BGH, Urteil vom 9. März 2005 - VIII ZR 330/03).

Der Zwangsverwalter darf auch die wirtschaftliche Beschaffenheit der Immobilie nicht ändern. Dies gilt auch für den Fall, dass eine Änderung wirtschaftlich sinnvoll wäre - zum Beispiel der Umbau von Betreutem Wohnen zu einem Pflegeheim (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2004 - IXa ZB 231/03). Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber die reguläre Zwangsverwaltung und -versteigerung durch die Einführung des Vorrechts der Wohnungseigentümergemeinschaften (§ 10 Abs. 1 Ziff. 2 ZVG) wirtschaftlich geschwächt hat.

Schuldrechtliche Vereinbarung

Aus den genannten Gründen ist die kalte Zwangsverwaltung je nach Situation der insolventen Immobilie für die Sicherungsgläubiger die bessere und lukrativere Alternative. Im Gesetz sucht man die kalte Zwangsverwaltung allerdings vergebens. Trotzdem ist es bereits seit Jahrzehnten Usus, dass sich Insolvenzverwalter und Sicherungsgläubiger einigen, im Rahmen eines Insolvenzverfahrens eine Immobilie im wirtschaftlichen Interesse des Sicherungsgläubigers zu bewirtschaften und gegebenenfalls zu verwerten. Letztlich handelt es sich hier um eine schuldrechtliche Vereinbarung über die Verwaltung und Verwertung der Immobilie zwischen der Insolvenzmasse (vertreten durch den Insolvenzverwalter) und dem Sicherungsgläubiger. Der Bundesgerichtshof hat sich zur Zulässigkeit der kalten Zwangsverwaltung noch nicht ausdrücklich geäußert. Er hat diese Regelung jedoch zur Kenntnis genommen und bislang keinen Anlass gefunden, sich damit kritisch auseinanderzusetzen.

Anders als bei der regulären Zwangsverwaltung findet bei der kalten Zwangsverwaltung alles aus einer Hand statt. Der Insolvenzverwalter hat das Besitzrecht. Er verwaltet und verwertet die Immobilie und ist natürlich daran interessiert, über die Verwertung das bestmögliche Ergebnis für die Insolvenzmasse zu erzielen. Der Vorteil des Insolvenzverwalters ist, dass er nicht dem strengen Korsett des Zwangsversteigerungsgesetzes (ZVG) unterliegt, dem der Zwangsverwalter unterworfen ist. Das betrifft zum Beispiel die Frage, ob die Immobile vermietet werden muss, umfasst aber auch die Entscheidungshoheit bei notwendigen Baumaßnahmen an der Immobilie oder Nutzungsänderungen, die bei einer regulären Zwangsverwaltung vom Schuldner regelmäßig torpediert werden können. Zudem ist der Insolvenzverwalter nicht an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (siehe auch Informationskasten "Reguläre Zwangsverwaltung mit zahlreichen Pflichten") gebunden (§ 152 Abs. 2 ZVG).

Alles aus einer Hand

Wie bereits erwähnt, hat die kalte Zwangsverwaltung für die Bank als Sicherungsgläubiger zwei Hauptvorteile: Zum einen, niedrigere Kosten, da sich die Bank nicht selbst mit der Bewirtschaftung oder sogar der Weiterentwicklung der Immobilie befassen muss und so die Kosten eines Zwangsverwaltungs- und eines Zwangsversteigerungsverfahren spart.

Daneben aber auch höhere Erlöse als bei der Zwangsversteigerung, da die Veräußerung der Immobilie durch den Insolvenzverwalter erfolgt, der die Immobilie besitzt und bewirtschaftet. Verträge können daher aneinander angepasst werden, es sind Besichtigungen möglich und die wichtigen Daten der Immobilie sind vorhanden.

Für die Tätigkeit des Insolvenzverwalters erhält die Insolvenzmasse in der Regel einen Betrag, der sich in etwa an den Kosten orientiert, die der Bank für einen Zwangsverwalter entstehen würden (§§ 17 ZwVwV). Während der Zwangsverwalter aber auf eigene Rechnung arbeitet, erwirtschaftet der Insolvenzverwalter diesen Betrag für die Masse. Letztlich erhöht sich dadurch auch seine Vergütung, jedoch immer nur anteilig. Mit anderen Worten: Der Sicherungsgläubiger spart dreifach! Zum einen spart er die Gerichtskosten des Zwangsversteigerungs- und Verwaltungsverfahrens. Zweitens spart er die Kosten, die ein Zwangsverwalter wegen der verfehlten Rechtsprechung (§ 152 Abs. 2 ZVG) gegenüber Mietern hätte und die ein Insolvenzverwalter nicht hat. Zum Dritten profitiert der Sicherungsgläubiger durch seine Zahlung an Insolvenzverwaltung und -masse bei der kalten Zwangsverwaltung nochmals hinsichtlich seiner Tabellenforderung.

Um von dieser dreifachen Ersparnis zu profitieren, sollten Banken großen Wert auf den "Alles aus einer Hand"-Ansatz der kalten Zwangsverwaltung legen. Fakt ist: Wenn der Insolvenzverwalter der potenzielle Verkäufer der Immobilie ist, die auf Veranlassung der Bank durch einen Dritten zwangsverwaltet wird, führt dies zu erheblichen rechtlichen Problemen, die sich auch in geringeren Sicherheitenerlösen für die Bank niederschlagen.

Ein Beispiel: Ein Mieter kündigt zwei Monate nach Insolvenzeröffnung das Mietverhältnis und will seinen Mietkautionsanspruch von 2 000 Euro abgerechnet haben. Der Insolvenzverwalter wird den Mieter in diesem Fall darauf verweisen, diese Forderung zur Insolvenztabelle anzumelden - außer, der Mieter hat die Mietsicherheit nicht vom Insolvenzschuldner erhalten und diese ist insolvenzfest angelegt.

Kündigt der Mieter hingegen zwei Monate nach Anordnung eines Zwangsverwaltungsverfahrens das Mietverhältnis gegenüber dem Zwangsverwalter und hat der Zwangsverwalter die Mietsicherheit vom Schuldner nicht erhalten, muss dieser den Mietkautionsanspruch (im Beispiel 2 000 Euro) aus den vorhandenen Überschüssen an den Mieter auszahlen. Notfalls muss der Zwangsverwalter hierfür sogar einen Vorschussantrag zulasten des Sicherungsgläubigers stellen. Es ist ferner offensichtlich, dass steuerliche Sachverhalte aus einer Hand wesentlich einfacher und schneller bearbeitet werden können. Zudem ist der verkaufende Insolvenzverwalter, der die Immobilie zu diesem Zeitpunkt in Abstimmung mit der Bank bewirtschaftet, bei der Gestaltung notarieller Kaufverträge wesentlich freier. Der Käufer hat dadurch ein deutliches Plus an Rechtssicherheit.

Stolperfallen

Es ist nicht zu verhehlen, dass kalte Zwangsverwaltungen - wie aber auch reguläre Zwangsverwaltungen oder gewerbliche Immobilienverwaltungen - zu Problemen zwischen dem Sicherungsgläubiger und dem Insolvenzverwalter führen können. Möglichst präzise vertragliche Vereinbarungen sind bei einer kalten Zwangsverwaltung daher das A und O. Beabsichtigt der Sicherungsgläubiger den Abschluss einer kalten Zwangsverwaltung, so sollte er die Vereinbarung schriftlich schließen und darin folgende Punkte beachten: Ein wirtschaftliches Risiko kann für den Sicherungsgläubiger darin bestehen, dass das Insolvenzverfahren masseunzulänglich oder massearm wird. Hier könnten dem Sicherungsgläubiger letztlich Überschüsse aus der Grundstücksverwaltung entzogen werden. Dies kann verhindert werden, indem der Insolvenzverwalter die Bewirtschaftung der Immobilie über ein gesondertes Treuhandkonto vornimmt und dies gegebenenfalls auch nachweist.

Um gegenseitigen Unmut hinsichtlich der Abrechnungshäufigkeit und -tiefe zu vermeiden, sollten diese beiden Fragen zwischen den Beteiligten geklärt werden. Bei einer gesetzlichen Zwangsverwaltung rechnet der Zwangsverwalter einmal im Jahr gegenüber dem Gericht ab. An dieser Abrechnung im Jahrestakt ist auch die Zwangsverwaltervergütung orientiert.

Zwischen Sicherungsgläubiger und Insolvenzverwalter kann auch jeder andere Abrechnungstakt vereinbart werden. Ein kürzerer Abrechnungstakt als halbjährlich scheint aber nicht sinnvoll. Das bedeutet aber nicht, dass der Insolvenzverwalter nicht als kalter Zwangsverwalter verpflichtet werden kann, Cash-Überschüsse ab einem bestimmten Betrag oder innerhalb eines kürzeren Zeitraums auch vorschüssig an den Sicherungsgläubiger zu übertragen.

Der Sicherungsgläubiger eines (insolventen) Schuldners tut gut daran, zu überlegen, welches Werkzeug er aus dem gesetzlichen Baukasten ergreift. Dabei sind rechtliche wie wirtschaftliche Erwägungen anzustellen und gegeneinander abzuwägen. Bei einer sich abzeichnenden Schieflage der Immobilie sollte in die Überlegungen einbezogen werden, keine Anträge auf Zwangsverwaltung und Zwangsversteigerung zu stellen, sondern auf die Vorteile des Insolvenzverfahrens zurückzugreifen.

Gründe dafür sind die wegfallenden Kosten der gerichtlichen Versteigerungsverfahren und vor allen Dingen die wesentlich höhere Flexibilität eines freihändig veräußernden Insolvenzverwalters im Vergleich zu einem Zwangsverwalter in einem gerichtlichen Verwaltungs- und Versteigerungsverfahren.

Der Autor

Rüdiger Bauch Rechtsanwalt, Leiter Geschäftsbereich Insolvenzverwaltung, Schultze & Braun Rechtsanwaltsgesellschaft für Insolvenzverwaltung mbH, Leipzig

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