Datenanalyse

Marktprognosen mit Hilfe von Google-Suchdaten

Abbildung 1: Interesse-Aktion-Modell

Marktgeschicke werden in erster Linie von den Marktteilnehmern bestimmt, die aufgrund sich verändernder Faktoren Entscheidungen treffen und entsprechend agieren. Könnten Marktprognosen demnach nicht präziser werden, würden sie bereits auf der Einschätzung der Einschätzung des Marktteilnehmers basieren? Wer, wenn nicht Google, könnte eine derartige Einschätzung geben ... Google Trends gibt den Verlauf von Google-Suchanfragen im Zeitverlauf wieder und liefert den Ökonomen so messbare Ergebnisse über Interesse und Informationsbeschaffung eines Marktteilnehmers schon im Vorfeld einer Transaktion. Gegenüber herkömmlichen Immobilienindizes werden die bloßen Fundamentaldaten so um Google-Daten - bei professionellen Investoren dreht es sich etwa um immobilienmarktspezifische Neuigkeiten, Comparables und Marktberichte - erweitert, womit wiederum die Prognosefähigkeit verbessert wird. Und zwar auf Gewerbeimmobilienmärkten, dem REIT-Markt sowie für Wendepunkte auf dem Wohnimmobilienmarkt. Red.

Das beliebte Bonmot, wonach die drei wichtigsten Kriterien beim Kauf einer Immobilie Lage, Lage und Lage seien, ist bekanntermaßen nur ein kleiner Teil der Wahrheit. Mindestens ebenso wichtig ist der Zeitpunkt, zu dem eine Investition getätigt wird. Besonders deutlich zeigte sich die Bedeutung einer richtigen Timing-Strategie im Preisverfall an den Immobilienmärkten in den Jahren nach 2007. Auch auf den Aktienmärkten kann eine deutliche Renditesteigerung erreicht werden, wenn es gelingt, den richtigen Zeitpunkt zum Ein- oder Ausstieg zu bestimmen. Entsprechend beschäftigen sich eine Vielzahl von Analysten in Wissenschaft und Praxis mehr oder minder erfolgreich damit, die Entwicklung der Immobilien- und Finanzmärkte zu prognostizieren. Auch in den Medien wird tagtäglich darüber spekuliert, welche Faktoren den Dax und andere Märkte beeinflussen könnten und warum sie es auch in der Zukunft tun werden.

Hier gerät zuweilen in Vergessenheit, dass nicht die Märkte selbst auf Veränderungen wesentlicher Faktoren reagieren, sondern die Marktteilnehmer als handelnde Akteure. Eine potenziell marktbeeinflussende Nachricht, zum Beispiel fiskalische Entscheidungen, Insolvenz wichtiger Unternehmen, Veröffentlichung makroökonomischer Zahlen und so weiter, wirkt sich nicht augenblicklich auf den Marktpreis aus. Sie wird zunächst von den jeweiligen Marktteilnehmern bewertet, die daraufhin eine Entscheidung treffen, ob sie Wertpapiere oder Immobilien kaufen oder verkaufen. Erst dann kann es zu einer Vielzahl individueller Transaktionen kommen, die am Markt beobachtbar sind und in der Folge Marktpreise verändern.

Transaktionsbeginn beim Interesse des Marktakteurs

Neben konventionellen marktrelevanten Neuigkeiten spielen seit einiger Zeit auch eine Reihe von Sentiment-Indikatoren oder Investmentklima-Indizes eine immer bedeutendere Rolle. Dahinter steht die Überlegung, dass sich Entwicklungen am Markt besser und schneller vorhersagen lassen, wenn die Einschätzungen der Marktteilnehmer selbst bekannt sind. Eine solche derzeit hinsichtlich ihrer Eignung für Marktprognosen intensiv beforschte neue Informationsquelle ist Google Trends. Hierbei handelt es sich um ein kostenfreies internetbasiertes Programm, das den Verlauf von Google-Suchanfragen im Zeitverlauf wiedergibt. Hier kann sich der Nutzer die Häufigkeit eines spezifischen Suchinteresses über mehrere Jahre hinweg (ab 2004) anzeigen lassen.

Die Sinnhaftigkeit dieser Informationsquelle bezüglich Marktprognosen kann wie folgt hergeleitet werden: Jeder rationale Marktteilnehmer informiert sich, bevor er eine Transaktion tätigt. Wie in Abbildung 1 dargestellt, beginnt also jeder Transaktionsprozess mit dem Interesse eines Marktakteurs. Er beschafft sich Informationen, durch welche er zu einer Entscheidung kommt, die dann seine abschließende Aktion bestimmt. Eben diese Aktion ist das, was den Markt beeinflusst und letztendlich von Ökonomen gemessen werden kann.

Erweiterung der Immobilienindizes

Im Regelfall erfolgt dieser Informationsbeschaffungsprozess heutzutage über das Internet und ist je nach Komplexität des gehandelten Gutes mehr oder minder aufwendig. Beschäftigt sich ein Konsument zum Beispiel mit dem Kauf eines neuen TV-Gerätes nur über wenige Tage hinweg, so ist der Such- und Informationsbeschaffungsprozess für den Kauf eines komplexen Gutes wie einer Immobilie wesentlich länger und umfasst sehr wahrscheinlich mehrere Monate. Gelingt es also das Interesse beziehungsweise den spezifischen Informationsbeschaffungsprozess der relevanten Marktakteure zu erfassen, können diese Informationen für Prognosen der jeweiligen Märkte verwenden werden.

In mehreren Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass Google-Suchdaten Prognosemodelle für Gewerbeimmobilienmärkte, den REIT-Markt sowie für Wendepunkte auf dem Wohnimmobilienmarkt substanziell verbessern können.

Im Gegensatz zu privaten Wohnimmobilienkäufern und -verkäufern, die das Internet insbesondere objektspezifisch durchsuchen (das heißt nach tatsächlich angebotenen Wohnimmobilien), steht für professionelle Anleger der Investmentgedanke im Vordergrund. Ihr Suchinteresse ist daher im Wesentlichen marktspezifisch.1)

Typischerweise nutzen sie das Internet also, um sich immobilienmarktspezifische Neuigkeiten, Comparables, Marktberichte oder Fundamentaldaten zu beschaffen. Abbildung 2 stellt den Verlauf der Abfragen, die in der Google-Unterkategorie "Gewerbe- und Investitionsimmobilien" zusammengefasst werden, im Vergleich mit dem Costar Composite Real Estate Index dar. Anhand der Grafik lässt sich bereits ein leichter Vorlauf der Suchvolumendaten gegenüber dem Gewerbe-Immobilienindex erahnen.

Durch den Vergleich von Prognosemodellen, die lediglich auf Fundamentaldaten beruhen, mit Prognosemodellen, die um Google-Daten erweitert wurden beziehungsweise ausschließlich auf solchen beruhen, konnte gezeigt werden, dass Modelle mit Google-Daten die Prognosefähigkeit der jeweiligen Modelle signifikant verbessern können. So konnte nachgewiesen werden, dass Prognosen hinsichtlich der Transaktionsvolumina um bis zu 35 Prozent, hinsichtlich der Preisentwicklung sogar um bis zu 54 Prozent verbessert werden konnten.

Krisen bedeuten Informationsbedarf

Für institutionelle Investoren stellt sich die Frage, ob Google-Suchdaten auch effektiv für die Prognose von Bewegungen auf REIT-Märkten eingesetzt werden können. Dies ist für Immobilieninvestoren auch deswegen bedeutsam, da die REIT-Märkte häufig Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung der Immobilienmärkte zulassen. Daher wurden Investmentstrategien untersucht, deren Kauf- beziehungsweise Verkaufssignale für den US-REIT-Index von relativen Veränderung im Suchvolumen bestimmt werden. Die Rationale basiert ebenfalls auf dem Interesse-Aktion-Modell und geht davon aus, dass sich auch REIT-Investoren vor einer Transaktion informieren.

Nach einer Analyse der Jahre 2006-2013 sind Investmentstrategien, die auf der Veränderung des Suchvolumens immobilienspezifischer Suchbegriffe beruhen, erfolgreicher als Strategien, die auf finanzmarktspezifischem Suchinteresse basieren. Letztere wiederum haben größeren Erfolg, wenn sie auf einen breiteren Marktindex (Dow Jones Industrial Average) angewendet werden. Insgesamt gesehen sind die Investmentstrategien insbesondere während Phasen von Unsicherheit (beispielsweise in der vergangenen Finanzkrise) sowie extremen Marktbewegungen äußerst erfolgreich, was durch den vermehrten Informationsbedarf der Marktteilnehmer erklärt wird.

Insgesamt hätte die erfolgreichste Investmentstrategie für den US-Markt auf der Basis der Begriffe "property+properties" eine Überperformance gegenüber dem Index von etwa 43 Prozent pro Jahr erzielt. Dies entspricht einer kumulierten Performance von 1.613 Prozent über acht Jahre (siehe Abbildung 3).

In den vergangenen Jahren hat das niedrige Zinsniveau Preissteigerungen vor allem auf Wohnimmobilienmärkten verursacht. Naturgemäß sind alle Marktteilnehmer daran interessiert, wann die derzeitigen Preissteigerungen ihren Höhepunkt erreicht haben und ab wann wieder mit sinkenden Preisen zu rechnen ist. Auch für diese Thematik wurde der Einsatz von Google-Suchanfragedaten als Frühindikator für Wendepunkte auf dem Wohnimmobilienmarkt untersucht. Mit Hilfe eines Wahrscheinlichkeitsprognosemodells gelingt es, Phasen mit negativem Wachstum des US-basierten Case-Shiller-Hauspreisindexes bis zu sechs Monate in der Zukunft zu identifizieren. Die Besonderheit des Modells begründet sich dadurch, dass es ausschließlich auf Google-Suchdaten beruht, also nicht auf die Veröffentlichung anderer makroökonomischer Parameter angewiesen ist. Wie Abbildung 4 zeigt, wurden über den Testzeitraum alle Wendepunkte frühzeitig erkannt, wenn auch nicht immer monatsgenau. Sogenannte Out-of-sample-Tests, in welchen schrittweise Echtzeitprognosen getestet werden, bestätigen diese Ergebnisse.

Informationsvorsprung durch Innovation

Eine der wichtigsten Aufgaben professioneller institutioneller Investoren ist es, permanent sämtliche relevante Informationsquellen auszuwerten. Für eine optimale Timing-Strategie ist entscheidend, die Marktentwicklung möglichst genau und möglichst frühzeitig antizipieren zu können. Um ihren Informationsvorsprung auszubauen und mit der schnellen technologischen Entwicklung mitzuhalten, müssen sich professionelle Investoren innovativen Informationsquellen widmen.

Die bisherigen Untersuchungen zeigen das Potenzial der Verwendung von Google-Suchdaten für die Optimierung von Prognosen und damit für verbesserte Timing-Strategien. Darüber hinaus könnten diese auch für die Umsetzung von Investitionsstrategien bei REITs Überschussrenditen generieren. Auch der Einsatz von Google-Suchdaten hinsichtlich der Erstellung von Frühindikatoren oder als genereller Marktsentiment-Indikator ist möglich. Bisher fokussiert die Forschung ausschließlich nationale Märkte. Bei verbesserter Datenlage wird es in Zukunft auch möglich sein, die bestehenden Konzepte auf der Ebene lokaler Märkte - bis hin zu einzelnen Städten - anzuwenden und damit die Relevanz für die Praxis nochmals deutlich zu erhöhen.

Die Autoren

Dr. Christoph Schumacher Geschäftsführer, Union Investment Institutional Property GmbH, Frankfurt am MainMarian Dietzel IREBS International Real Estate Business School, Universität Regensburg

Dr. Christoph Schumacher , Head of Global Real Estate, Credit Suisse Asset Management, Zürich

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