Wandel im Handel

Mehr als nur "Due Diligence" - die Standortanalyse aus rechtlicher Sicht

Mark Butt

In den wachsenden Ballungsräumen Deutschlands wird der Wettbewerb um Grundstücke für Projektentwicklungen immer härter. Damit steigt die Notwendigkeit, schon in der Angebotsphase Chancen und Risiken der Standorte möglichst genau zu untersuchen und zu bewerten - auch unter Zeit- und Erfolgsdruck. Aus rechtlicher Sicht erfordert dies mehr als nur eine Standard-Due-Diligence-Prüfung. Neben der Baurechtsermittlung, die eine detaillierte Begutachtung von Architekten und Anwälten beziehungsweise Handelsgutachtern nahelegt, spielen eventuelle behördliche Planungen, gegebenenfalls notwendige Kompensationsmaßnahmen sowie Verkehrsgutachten und damit zusammenhängende Umweltbelastungen eine entscheidende Rolle, um mögliche Risiken bereits im Vorfeld auszuräumen und so einen erheblichen Mehrwert zu schaffen. Red.

Beim Ankauf eines Grundstücks gehört die Prüfung rechtlicher Risiken im Rahmen der sogenannten Due Diligence zum Standardprozedere jedes professionellen Käufers. Dabei werden, oft durch externe Rechtsanwälte, insbesondere die Eigentumsverhältnisse, Belastungen des Grundstücks, grundstücksbezogene Verträge, steuerrechtliche Fragen und gegebenenfalls bau- und altlastenrechtliche Fragen geprüft. Soll das Grundstück aber einer Entwicklung zugeführt werden - kauft man also, wirtschaftlich gesehen, nicht Mietverträge, sondern den Standort -, sollte sich die Analyse nicht auf diese Themenkomplexe beschränken. In diesen Fällen kann eine gründliche Standortanalyse aus öffentlich-rechtlicher Sicht echten Mehrwert bringen - insbesondere wenn sich der Käufer im Bieterverfahren befindet und es sehr genau auf seine Kalkulation ankommt.

An erster Stelle steht dabei in der Regel die genaue Baurechtsermittlung. Besteht für das Grundstück kein Bebauungsplan, muss abgeschätzt werden, ob beziehungsweise welches Baurecht nach § 34 BauGB besteht. Da ein verbindlicher behördlicher Vorbescheid in der Regel vor Abschluss des Kaufvertrages nicht zu bekommen ist, empfiehlt sich bei Bauvorhaben im Innenbereich eine detaillierte interdisziplinäre Begutachtung mit Architekten und spezialisierten Anwälten.

Bei Handelsimmobilien wird daneben in der Regel die Einschätzung eines Handelsgutachters erforderlich sein, ob schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche zu erwarten sind (§ 34 Abs. 3 BauGB). Bei Grundstücken im Außenbereich, für die ein Bebauungsplan erst aufgestellt werden soll, ist eine genaue Analyse des Status des Verfahrens sowie der für die Gemeinde verbindlichen Ziele der Raumordnung und Landesplanung erforderlich. Gerade bei Einzelhandelsgroßprojekten ist der politische Wille der Gemeinde allein nicht ausreichend. Die Planung muss auch den Erfordernissen der Raumordnung genügen.

Besteht für das Grundstück ein Bebauungsplan, ist das bestehende Baurecht auf den ersten Blick klar. Auch hier lohnt sich aber ein zweiter: So wird oftmals übersehen, dass auf Bebauungspläne die Fassung der Baunutzungsverordnung (BauNVO) Anwendung findet, die zum Zeitpunkt der öffentlichen Auslegung des Bebauungsplans galt. Finden danach zum Beispiel die BauNVO 1977 oder 1968 Anwendung, gelten für Einzelhandelsgroßprojekte andere, weniger strenge Regelungen. Außerdem sollte stets geprüft werden, ob offensichtliche Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit des Bebauungsplans vorliegen wie unzulässige Verkaufsflächenobergrenzen. In diesem Fall richtet sich das Baurecht wiederum nach § 34 BauGB. Es muss allerdings dann meist gerichtlich geltend gemacht werden, da die Genehmigungsbehörden in der Regel von der Wirksamkeit der Bebauungspläne ausgehen.

Generell ist aus Sicht des Projektentwicklers Vorsicht geboten mit behördlichen Auskünften zum Baurecht, die auf die Schnelle im Ankaufsprozess eingeholt werden. Zum einen erhält man dabei nicht immer eine vollständige und rechtlich zutreffende Antwort. Zum anderen kann schon die Nachfrage Anlass für eine Änderung des Baurechts und den Erlass einer Veränderungssperre sein. Es sollte daher immer wohl überlegt sein, was und wie mit Gemeinden und Bauaufsichtsbehörden kommuniziert wird.

Behördliche Planungen und Kompensationsmaßnahmen

Neben der Baurechtsermittlung für das Grundstück selbst sollte stets geprüft werden, welche sonstigen behördlichen Planungen für das Grundstück und die Umgebung bestehen. So kann ein Zentren- oder Einzelhandelskonzept der Gemeinde oder die beabsichtigte Ausweisung eines Sanierungsgebiets die künftigen Entwicklungsmöglichkeiten maßgeblich beeinflussen. Verkehrswegeplanungen und benachbarte Großbauvorhaben können die Grundstücksnutzung und Vermietung (gegebenenfalls nur kurzfristig) erschweren oder (eher mittel- oder langfristig) erleichtern.

Bei Grundstücken auf der "grünen Wiese" oder langjährigen Brachen ist zu beachten, dass erhebliche Kosten und Aufwendungen für natur- und artenschutzrechtliche Kompensationsmaßnahmen entstehen können und gegebenenfalls weitere Grundstücke für die Durchführung dieser Maßnahmen gesichert werden müssen. Während der Ausgleich für den Eingriff in Natur und Landschaft in der Regel relativ gut zu bewältigen ist, weil auch weiter entfernt liegende Flächen in Betracht kommen oder ein gemeindliches Ökokonto besteht, auf das zugegriffen werden kann, stellt der artenschutzrechtliche Ausgleich oft eine Herausforderung dar. Die dafür benötigten Flächen müssen in einem räumlichen Zusammenhang mit der störenden Bebauung liegen und bestimmte Anforderungen erfüllen. Werden diese nicht eingehalten und wird gegen den Bebauungsplan geklagt, beispielsweise durch einen Naturschutzverband, wird dieser für unwirksam erklärt. Die frühzeitige Einholung qualifizierten Rates von Artenschutzexperten ist daher dringend zu empfehlen.

Verkehr und Umwelt

Bei größeren Entwicklungen stellt sich weiter regelmäßig die Frage, ob der zusätzliche Verkehr ausreichend bewältigt werden kann. Sofern sich die Notwendigkeit von Straßen(aus)baumaßnahmen ergibt, ist zu beachten, dass Abhängigkeiten nicht nur von der Gemeinde, sondern von Bund und Land bestehen können. Auch insoweit kann ein Verkehrsgutachten frühzeitig zumindest eine erste Einschätzung liefern.

Mit dem Thema Verkehr hängt auch die Frage der Umweltbelastung durch Lärm und Luftqualität eng zusammen. In der Praxis zeigen sich inzwischen erste Fälle, in denen innerstädtische Entwicklungen aufgrund der EU-Luftqualitätsrichtlinie (umgesetzt in deutsches Recht im Bundes-Immissionsschutzgesetz und der 39. Verordnung zum BImSchG) erschwert werden. Verkehrslärm ist in der Regel durch passive Schallschutzmaßnahmen zu bewältigen. Im Gegensatz dazu zwingt der Lärm aus gewerblichen Anlagen oft dazu, Fenster von Aufenthaltsräumen an den Gebäudeseiten, die zur Lärmquelle hin orientiert sind, komplett auszuschließen. Da dies die Innenentwicklung erheblich erschwert, gibt es Bestrebungen, die hierfür maßgebliche TA Lärm zu ändern. Solange dies aber nicht der Fall ist, sind diese oft nur rechnerischen, aber rechtlich relevanten Konflikte sorgfältig zu untersuchen und abzuarbeiten.

Die Themen Verkehr und Immissionen rufen oft auch die Nachbarn auf den Plan. Es sollte daher überlegt werden, welche Nachbarn ein Interesse haben könnten, sich klageweise gegen das Bauvorhaben zu wenden und ob solche Klagen Aussicht auf Erfolg haben können. Wichtig: Nachbarn im baurechtlichen Sinne sind nicht nur unmittelbare Grundstücksnachbarn, sondern alle, die von einem Vorhaben betroffen sein können. Wird insofern ein Risiko festgestellt, können Nachbarvereinbarungen Abhilfe schaffen.

Der Autor

Dr. Mark Butt Rechtsanwalt und Partner, GSK Stockmann + Kollegen, München

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