Konjunktur

Das oft unterschätzte chinesische Risiko

Dr. Konrad Finkenzeller, Head of Institutional Clients International, PATRIZIA Immobilien AG, Augsburg

Der Beitrag kann als ein kurzer Weckruf verstanden werden, über alle Tagesdiskussionen hinaus nicht die Krisengefahr im Reich der Mitte zu vernachlässigen. Denn der Autor sieht hier viele Anlässe zur Sorge. Eine ökonomische Krise in China würde die wirtschaftliche Entwicklung weltweit in Mitleidenschaft ziehen - und damit auch die deutsche Immobilienwirtschaft erheblich treffen. Denn mit der Automobilindustrie und dem Maschinenbau profitieren zwei dynamische deutsche Branchen in besonderem Maße von den Exporten nach China. Falls diese Exporte einbrechen sollten, würde auch hierzulande eine wirtschaftliche Abwärtsspirale ausgelöst. Red.

Es gibt zahlreiche Gründe, sich um die Entwicklung der Weltwirtschaft Sorgen zu machen. Vor kurzem war es der niedrige Ölpreis, der die Ökonomen beunruhigte, dann bewirkten die Brexit-Entscheidung in Großbritannien und die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten eine große Verunsicherung und immer wieder sorgt die Schuldenkrise der südeuropäischen Länder für Schlagzeilen, wie zuletzt nach dem Referendum in Italien. Ein Faktor aber, der die wirtschaftliche Entwicklung und damit auch die Immobilienbranche massiv treffen könnte, spielt in der öffentlichen Wahrnehmung eine erstaunlich geringe Rolle: die Krisengefahr in China.

Schuldenpyramide türmt sich auf

Dabei geben diverse Indizien im fernöstlichen Riesenreich berechtigten Anlass zur Sorge. Zu Beginn des vergangenen Jahres warf ein Kurssturz an den chinesischen Börsen ein Schlaglicht auf die fragile Lage. Dann meldete die Zollverwaltung in Peking, dass die chinesischen Ausfuhren innerhalb eines einzigen Monats um 4,4 Prozent eingebrochen waren. Und schließlich warnte der Internationale Währungsfonds (IWF) vor einer sich auftürmenden Schuldenpyramide, für die hauptsächlich staatliche Unternehmen verantwortlich sind.

Das ist eine brisante Gemengelage, ist doch China mit seinen 1,4 Milliarden Einwohnern und seiner seit Jahren stark steigenden Wirtschaftsleistung ein wichtiges Standbein der Weltwirtschaft. Büßt dieses Standbein seine Tragkraft ein, so könnte dies die gesamte Statik der Weltwirtschaft und damit auch der Immobilienmärkte gefährden.

Trotzdem glauben Optimisten, dass der deutsche Immobilienmarkt von einer Krise in China nicht nur nicht beeinträchtigt würde, sondern sogar profitieren könnte. Diese Argumentationslinie verläuft so: Gesunde chinesische Unternehmen und reiche chinesische Privatpersonen werden im Fall einer Krise im Reich der Mitte mit ihrem Geld noch mehr als bisher sichere Häfen im Ausland ansteuern. Ein erheblicher Teil dieses Kapitals wird in Deutschland landen, da die Bundesrepublik mit ihrem stabilen politischen System, ihrer hohen Rechtssicherheit und ihrer florierenden Wirtschaft die höchste Sicherheit verspricht.

Noch verstärkt wird - immer laut der Theorie der Optimisten - dieser Effekt durch die Brexit-Entscheidung. Bisher nämlich war London für chinesische Investoren meist die Anlaufstation für ihr Engagement in Europa. Wenn aber Großbritannien nicht mehr Mitglied der EU ist, dann werden andere Städte diese Funktion übernehmen. In Deutschland haben demnach im Bürosegment Frankfurt am Main und im Wohnbereich Berlin die besten Chancen, verstärkt chinesisches Kapital anzuziehen.

Diese Argumentation unterschlägt jedoch einen wesentlichen Punkt. Eine ökonomische Krise in China würde die wirtschaftliche Entwicklung weltweit in Mitleidenschaft ziehen - und davon würde auch Deutschland erheblich getroffen. Denn mit der Automobilindustrie und dem Maschinenbau profitieren zwei dynamische deutsche Branchen in besonderem Maße von den Exporten nach China. Falls diese Exporte einbrechen sollten, würde auch hierzulande eine wirtschaftliche Abwärtsspirale ausgelöst - mit allen negativen Folgen für die Immobilienbranche: Das Wirtschaftswachstum würde gebremst, die Kaufkraft und damit die Einzelhandelsnachfrage würden sinken, die Unternehmen würden weniger Bürofläche anmieten und die Haushalte würden sich zweimal überlegen, ob sie in eine größere Mietwohnung ziehen oder eine teure Eigentumswohnung kaufen sollen. Mit anderen Worten: Die Immobilienwirtschaft in Deutschland wird in einem solchen Fall nicht profitieren, sondern im Gegenteil einen schweren Rückschlag erleiden.

Derzeit Wachstum von 6,6 Prozent

Noch ist es allerdings nicht so weit. Denn mit einem Wirtschaftswachstum von 6,6 Prozent befindet sich China weiter auf Expansionskurs. Laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) soll das Wachstum zwar 2017 und 2018 zurückgehen, aber 2020 voraussichtlich immer noch 5,9 Prozent betragen. Dabei ist die Unsicherheit über die tatsächliche Entwicklung groß, wie eine monatliche Befragung von Experten durch das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zeigt: Laut diesem China Economic Panel änderte sich in letzter Zeit die Einschätzung der Fachleute in Bezug auf die wirtschaftlichen Perspektiven des Reichs der Mitte von Monat zu Monat deutlich.

Eines aber ist klar: Die Immobilienbranche sollte sich verstärkt mit der Lage in China auseinandersetzen, statt immer nur gebannt auf den Brexit, die Schuldenlast Griechenlands oder die Krise der italienischen Banken zu blicken. Und das bedeutet: Immobilienunternehmen sollten ihre Strategie so ausrichten, dass ein allfälliger Wirtschaftseinbruch in China sie nicht aus der Bahn wirft.

Der Autor Dr. Konrad Finkenzeller, Head of Institutional Clients International, PATRIZIA Immobilien AG, Augsburg
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