MIPIM-SPECIAL

PASSEN COWORKER INS DEPOT A?

Brigitte Walter, Foto: Real I.S

Seit dem Jahr 2017 ist am deutschen Büromarkt - ausgehend von wenigen Hotspots wie Berlin, Hamburg und München - die rasante Ausbreitung von Coworking-Centern zu beobachten. Dabei ist nicht nur unter Nutzern, sondern auch unter Eigentümern, Entwicklern und Investoren das Interesse an Coworking-Spaces inzwischen stark gestiegen, da diese oftmals als Synonym einer zukunftsträchtigen und hochflexiblen Büroumgebung gesehen werden. Die Frage, inwieweit sich Coworking-Betreiber tatsächlich als Mieter von konservativen Investorengruppen eignen, erörtert die Autorin des folgenden Beitrags. Grundsätzlich empfiehlt es sich ihrer Ansicht nach, dem Konzept aufgeschlossen zu begegnen. Risiken, etwa hinsichtlich der Bonitätsstärke der jeweiligen Unternehmen, sollten jedoch eingehend beleuchtet werden. Red.

Wer in Büroimmobilien in deutschen Großstädten investiert, kommt nicht daran vorbei, sich mit dem Thema Coworking zu befassen. Flexible Bürokonzepte sind eine Folge der sich wandelnden Arbeitswelt mit einer aufstrebenden Start-up-Kultur sowie des immer knapper werdenden Angebots an erschwinglichen, zentral gelegenen Büroflächen. Doch sind die vermeintlich exotischen Mieter vereinbar mit den Bedürfnissen klassischer institutioneller Investoren wie Versicherungen, Versorgungswerke, Stiftungen, Banken und Sparkassen? Schließlich benötigen diese Akteure stabile und planbare Cashflows, um den eigenen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen.

Ausweg aus der Renditekompression

Coworking-Flächen erfreuen sich einer immensen Nachfrage. Das Onlinemagazin Deskmag, eigens auf dieses Thema spezialisiert, geht für 2018 von einem Anstieg der Coworking-Spaces um mehr als 20 Prozent auf etwa 19 000 aus. Demnach haben sich Ende 2018 insgesamt 1,7 Millionen Büroangestellte ihre Flächen geteilt. Um die verfügbaren Flächen herrscht ein starker Wettbewerb und das treibt die Mieten in die Höhe. Der Immobiliendienstleister JLL hat 2017 in der Hamburger Innenstadt bei Neuvermietungen eine um durchschnittlich 18 Prozent höhere Miete registriert, bei vergleichsweise langfristigen Mietverträgen.

Dies ist eine Entwicklung, bei der institutionelle Investoren hellhörig werden sollten, denn mit klassischer Bürovermietung in den deutschen A-Städten drücken die hohen Ankaufspreise enorm auf die Renditen. Letztere fallen mittlerweile oftmals unter drei Prozent, was gemessen an den eigenen Zahlungsverpflichtungen definitiv zu niedrig ist. Coworking kann also ein Ausweg aus der Renditekompression sein. Doch Depot-A-Manager, die von Natur aus ein wenig konservativer planen und investieren müssen, begegnen dem noch jungen Nutzungskonzept teilweise mit Zurückhaltung.

Der Grund liegt weniger am Casual-Outfit einiger Coworker noch an den Tischkickern oder den Spielkonsolen, die in den so geschätzten Lounge-Bereichen der Coworking-Anbieter liegen. Die Vorbehalte gelten vielmehr der Planbarkeit der Mieteinkünfte: Kann mit den oben beschriebenen höheren Mieteinkünften auch langfristig gerechnet werden? Um das Thema zu durchdringen, ist es notwendig, einige Fakten über das Nutzungskonzept zu kennen.

Prinzip der Fristentransformation

Grundsätzlich beruht das Geschäftsmodell schlicht und einfach auf einer Fristentransformation. Coworking-Betreiber mieten die Bürofläche langfristig an und vermieten sie dann sehr kurzfristig an diverse Coworker weiter. Die Fristen für letztere betragen in der Regel nur wenige Monate. In Städten wie Frankfurt am Main schließlich existieren sogar Büros, die stundenweise vermietet werden. Schnell noch ein Projekt fertigstellen, während der Partner nebenan den Einkauf erledigt: Das Höchstmaß an Flexibilität wird so ermöglicht.

Insofern herrscht auf vielen Coworking-Flächen in der Tat eine hohe Fluktuation. Die dazugehörigen Verwaltungsvorgänge leistet allerdings der Betreiber, der seinerseits mit dem Vermieter in vertraglicher Beziehung steht. Für Investoren als die eigentlichen Vermieter entsteht also kein höherer Aufwand. Das bedeutet allerdings, dass ein Coworking-Betreiber in der Lage sein muss, auch Phasen mit leeren Schreibtischen zu überstehen. Bei kleineren Anbietern stellt sich diesbezüglich die Frage nach ausreichender Bonität für Core-Immobilien in Top lagen.

Auf den richtigen Betreiber kommt es an

Der Markt ist mittlerweile ziemlich diversifiziert. Die Geschäftsmodelle der relevantesten Player unterscheiden sich teilweise stark. Zu nennen wären etwa die Marktführer Wework und Mindspace oder die deutschen Anbieter Work Republic und Design Offices. Auch diverse Start-ups und Kleinanbieter tummeln sich auf dem Markt. Flexible-Workspace-Anbieter wie Regus bieten Coworking-Flächen an, die etwas zurückhaltender gestaltet sind. Zuletzt machte Tribes von sich reden. Das niederländische Unternehmen verspricht High-End-Bürolösungen "basierend auf indigenen und nomadischen Stämmen aus der ganzen Welt, für Geschäftsnomaden aller Generationen und unterschiedlicher Herkunft."

Für den ein oder anderen Depot-A-Manager, der das Immobiliengeschäft vor Jahrzehnten von der Pike auf gelernt hat, mögen solche Marketingkonzepte befremdlich erscheinen, doch relevanter sollte die Frage sein, ob die junge Nutzergeneration davon angesprochen wird. Denn diese bringt eigene Vorstellungen und Bedürfnisse mit. Und längst nicht jedes Objekt ist für Coworking geeignet.

Nur wenige Standorte sind geeignet

Grundsätzlich kommen nur Großstädte infrage. In Deutschland reduziert sich die Auswahl auf Berlin und mit großem Abstand Hamburg, München und Frankfurt am Main. Die weiteren als "A-Städte" bekannten Metropolen sind bereits recht schwer vermittelbar. Infrage kommen ausschließlich die Innenstädte oder sehr urbane Stadtteile in Zentrumsnähe. Wichtig sind eine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr und ein lebendiges städtisches Umfeld. Coworker wollen "Business-Atmosphäre". Und auch wenn ihre Geschäftsmodelle meist auf virtuellen Vorgängen basieren, werden flexible Büroflächen auf der grünen Wiese nicht funktionieren - ganz gleich, wie stabil der Breitbandanschluss ist.

Um für Coworking geeignet zu sein, bestehen besondere Anforderungen an das eigentliche Objekt. Technisch modernste Ausstattung ist dabei selbstverständlich. Hoch im Kurs stehen sanierte, modernisierte Altbauten mit historischer Fassade sowie altehrwürdige, repräsentative Geschäftshäuser. Umgebaute ehemalige Industriegebäude oder Lagerhallen mit großzügigen Flächen sind ebenfalls beliebt. Allerdings können bei den jungen Coworkern selbst unkonventionelle Ideen gut ankommen - man denke an das Naturvölker- Interieurkonzept von Tribes. Wieso also nicht mal ein ehemaliges Schulgebäude, ein altes Postamt oder ausrangierte Klinikflächen? Fantasie ist gefragt.

Ein langfristiges Phänomen

Das A und O von Coworking Spaces ist eine möglichst große und unverstellte Grundfläche, die sich flexibel unterteilen lässt. Natürlich muss an jedem Arbeitsplatz ausreichend Tageslicht vorhanden sein. Meetingräume, Einzelbüros, die bei Bedarf hinzugemietet werden können, Lounges, Rückzugsorte, Teeküchen und ein Empfangsbereich - all dies sind essenzielle Bestandteile, die eine moderne Coworking-Fläche aufweisen sollte. Für zusätzliche Attraktivität können Sport- und Freizeiträume sorgen.

Coworking ist keine Modeerscheinung, die schon bald wieder verschwindet. Die Transformationen der Geschäftswelt machen das Konzept zu einem langfristigen Phänomen. Start-ups, die im Zuge der Digitalisierung geradezu wie Pilze aus dem Boden schießen, verfügen oftmals weder über die nötigen finanziellen Mittel noch die Prognosesicherheit, um langfristige Mietverträge für ganze Büroetagen abzuschließen. Für ein Büro mit zehn Mitarbeitern hat JLL ausgerechnet, dass die Nutzung von Coworking-Flächen in den ersten drei Jahren günstiger ist als ein konventionelles Büro anzumieten. Erst danach kehrt sich der Kostenvorteil um.

Meist würden Start-ups allerdings nicht einmal einen Vermieter finden, die zur Vermietung an nicht etablierte Unternehmen bereit sind. Dem KfW-Gründungsmonitor zufolge kamen in Berlin zwischen 2015 und 2017 ganze 207 Gründer auf 10 000 Erwerbsfähige. Bei einem Leerstand von unter drei Prozent wäre eine derart lebendige Gründerszene in der Bundeshauptstand ohne Coworking nicht möglich.

Konsolidierung unter Anbietern ist wahrscheinlich

Dabei sollte allerdings nicht der Eindruck entstehen, bei Coworking-Nutzern handele es sich ausschließlich um Start-up-Gründer, die den Markteintritt ihres Produktes erst noch vor sich haben. Immer mehr etablierte Unternehmen und Großkonzerne bringen zumindest einen Teil ihrer Mitarbeiter in Coworking Spaces unter. In manchen Fällen mag dies mit einer modernen Attitüde begründet sein, mit der sich Arbeitgeber positionieren wollen. Oftmals ist die Ursache jedoch viel simpler: Sie finden in den A-Städten einfach keine geeigneten Büroflächen zur langfristigen Anmietung.

Hier liegt gleichzeitig eine Gefahr, denn viele dieser solventen Mieter werden von den kurzen Kündigungsfristen Gebrauch machen, sobald sich die Konjunktur abschwächt und sie Zugang zu günstigeren, langfristig zu mietenden Flächen bekommen. Dies bedeutet, dass ein langfristiger Erfolg sämtlicher Coworking-Anbieter unwahrscheinlich ist. Der derzeitige Boom darf also auch nicht überschätzt werden.

Auf unterschiedliche Marken setzen

Bei aller angebrachten Vorsicht sollten sich konservative Immobilieninvestoren dem Phänomen Coworking aber nicht verschließen. Die kürzeren Fristen erhöhen das Risiko für sie nicht, denn dieses trägt in erster Linie der Coworking-Anbieter. Letzterer kann grundsätzlich ausfallen, wie jeder andere Mieter auch. Daher ist die richtige Auswahl von bonitätsstarken Betreibern sehr wichtig, ebenso ein gewisser Grad an Diversifikation. Es empfiehlt sich, auf unterschiedliche Coworking-Marken zu setzen, am besten auch aus verschiedenen Ländern.

Zwar steigt die Wahrscheinlichkeit eines einzelnen Ausfalls, doch insgesamt relativiert sich das Risiko. Bei einer funktionierenden Konstellation kann sich der Investor über höhere Mieteinkünfte freuen und das Coworking als Mittel gegen den Anlagenotstand betrachten. Spezialisierte Asset Manager erkennen, welche Büroflächen für Coworking geeignet sind und welche nicht. Sie helfen bei der Identifikation der idealen Betreiber und halten die anfallenden Kosten gering.

DIE AUTORIN BRIGITTE WALTER Mitglied des Vorstands, Real I.S. AG, München
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