Pro und Kontra: Wohnimmobilienblase in Deutschland

Lorenz Reibling

Immobilienblase oder nicht? Meldungen über steigende Immobilienpreise sind wie Wasser auf die Mühlen der Kritiker. Doch ist das Preisniveau am deutschen Immobilienmarkt nun gefährlich überhöht oder nicht? Prof. Lorenz Reibling sieht die Gefahr und bezieht sich in seiner Argumentation vor allem auf Erfahrungswerte. In Ansätzen erkennt er bereits jene Infragestellung vermeintlich traditioneller Bewertungsparameter, in diesem Fall für die Rechtfertigung der Preissteigerungen, die noch jeder Blase vorausgegangen sind. Manfred Binsfeld hingegen tut sich schwer, von einer Blase auf dem Wohnimmobilienmarkt zu sprechen. Deutschlandweit gesehen träfen die Hauptkriterien für eine spekulative Blase im Vergleich zu anderen Ländern nicht zu. Im Gegenteil: Die Kreditvergabe sei konservativ, der Wohnungsneubau bleibe hinter der Nachfrage zurück und die Preise hätten sich im europäischen Vergleich nicht dramatisch erhöht. Er räumt allerdings eine mögliche Überhitzungsgefahr ein, wenn die Zinsen noch lange auf ihrem historischen Tiefststand verharren sollten. Red.

PRO

"Diesmal ist alles anders"?!

Wir wissen aus der Geschichte von Preisblasen an den Kapitalmärkten, dass diese stets damit einhergehen, vermeintlich "traditionelle" Bewertungsparameter infrage zu stellen. Dies ist derzeit auch - zumindest in Teilsegmenten - am deutschen Immobilienmarkt zu erkennen. Das Problem bei Preisblasen ist stets, dass sie von den meisten Marktteilnehmern erst im Nachhinein erkannt werden - wenn sie bereits geplatzt sind. Zu den wichtigen Merkmalen einer Blase gehört, dass die meisten Marktteilnehmer bestreiten, dass es eine gibt. Sie führen stets zunächst eine Reihe "fundamentaler" Gründe an, die eine extreme Preissteigerung rechtfertigen sollen. Wenn dann die Bewertungen ganz offensichtlich viel zu hoch sind, hilft man sich in der letzten Phase mit dem Argument, dass die bisher stets verwendeten Bewertungsparameter angeblich nicht mehr angemessen seien.

Bevor am Beispiel des deutschen Wohnimmobilienmarktes gezeigt wird, dass genau diese Entwicklung in Teilsegmenten stattfindet, sollen einige Beispiele aus anderen Märkten angeführt werden, in denen es Preisblasen gab: In den achtziger Jahren baute sich die Aktien- und Immobilienmarktblase am japanischen Markt auf. Teilweise erreichten die Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) einen Wert von 100 oder mehr. Das Argument lautete damals, die japanischen Verhältnisse seien besonders und es sei angeblich nicht statthaft, die bislang geltenden Bewertungsparameter, wie etwa das KGV, hier anzuwenden. Aus heutiger Sicht, mehrere Jahrzehnte nach dem Platzen der Japan-Blase, erscheinen diese Argumente konstruiert und absurd, damals wurden sie ernst genommen.

Ebenso war es auf dem Höhepunkt der "New Economy"-Blase am Ende der neun ziger Jahre. Die meisten Unternehmen erwirtschafteten überhaupt keine Gewinne - und es war auch nicht absehbar, dass sie es jemals tun würden. Auch damals hieß es, angeblich veraltete Maßstäbe der "Old Economy" seien eben nicht auf Internetunternehmen anzuwenden.

Heute kann beobachtet werden, dass in einigen Wohnungsmärkten in Deutschland Mehrfamilienhäuser für Kaufpreisfaktoren von 30, 40 oder mehr verkauft werden. Beispiel Berlin-Neukölln: In wenigen Jahren stiegen dort die Faktoren teilweise von 10 auf bis zu 25. Zunächst argumentierte man, es sei durchaus vernünftig, einen hohen Faktor zu zahlen, wenn es genügend Potenzial für die Mietentwicklung gebe. Das ist an sich durchaus richtig. Angesichts der bevorstehenden Regulierung durch die Mietpreisbremse sind jedoch die vermeintlichen Potenziale oftmals gar nicht mehr gegeben, da bei der Neuvermietung maximal zehn Prozent oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete genommen werden darf.

Das neueste Argument lautet: "Der Faktor ist egal, es kommt nur auf den Quadratmeterpreis an." So lautet also die aktuelle Variante des altbekannten Liedes: "Diesmal ist alles anders." An die Stelle von Käufern, die Erträge aus Mieteinnahmen generieren wollen, treten solche, die ganz anders rechnen: Sie teilen das Mehrfamilienhaus auf und verkaufen die Wohnungen teuer als Eigentumswohnungen. Wie bei einem explodierenden Aktienmarkt setzen sie darauf, dass es am Ende unbedarfte Kleinanleger gibt, die bereit sind, noch höhere Preise zu zahlen als jene, zu denen man gekauft hat. Die Rechnung kann durchaus aufgehen. Wie bei jedem irrationalen Überschwang an den Finanzmärkten gilt das jedoch nur so lange, bis die Marktteilnehmer wieder zur Vernunft kommen. Und dann gelten irgendwann wieder die vermeintlich überholten "traditionellen" Bewertungsmaßstäbe.

Der Autor

Prof. Lorenz Reibling

Chairman und Senior Partner, Taurus Investment Holdings, LLC, München

KONTRA

Die "gezähmte" Blase

In den USA, in Spanien, Irland und Dänemark sind Immobilienblasen geplatzt. Nun wird auch in Deutschland seit einigen Jahren regelmäßig vor einer Immobilienblase gewarnt. Dabei wird oft vergessen, dass in Ländern mit spekulativen Blasen drei Kriterien vorlagen, die auf Deutschland nicht zutreffen: exzessive und sich selbst verstärkende Preiserhöhungen, eine leichtfertige Kreditvergabe und daher ein Überangebot an Wohnungen. Selbst für die Ballungszentren in Deutschland fällt es daher schwer, von einer Blase auf den Wohnimmobilienmärkten zu sprechen. Die Kreditvergabe ist maßvollkonservativ. Der Wohnungsneubau hat zwar angezogen, bleibt aber deutlich hinter der Nachfrage zurück und die Preise für Eigentumswohnungen im Bestand haben sich seit 2007 in den Ballungszentren und in den attraktiven Großstädten nominal nur um rund 40 Prozent erhöht, in München um mehr als 60 Prozent. Schauen wir auf die vergangenen 20 Jahre, stellen wir fest, dass die Preise in den zehn Top-Performer-Städten lediglich um 25 Prozent angestiegen sind - insgesamt eine Entwicklung, die gut fundamental zu erklären ist.

In London und Oslo sind Wohnungen im Vergleich dazu heute fast viermal so teuer wie 1995, in Stockholm mehr als dreimal so teuer. In Belgien, Dänemark, Finnland, Holland, Irland und Spanien sind die Preise im selben Zeitraum zwischen 100 und 150 Prozent gestiegen, und das obwohl in Spanien, Irland, Holland und Dänemark in den letzten zehn Jahren veritable Immobilienblasen geplatzt sind. Verglichen mit dieser Preisdynamik nimmt sich auch der Preisanstieg von 40 Prozent vor dem Platzen der Blase nach der Wiedervereinigung aus. Allerdings war dieser begleitet von einem massiven Überangebot an neuen Wohnungen, einer stärkeren Kreditvergabe, als dies heute der Fall ist, und politischen Fehlanreizen wie der Sonder-Afa. Kurzum: Ein "irrationaler Überschwang" sieht anders aus. Ein Land, das als sicherer Hafen internationales Kapital anzieht, ist zugleich auch ein Land, in dem Stabilität das oberste Gebot ist, und nicht etwa Wachstum und Innovation. Die Bremsmanöver der aktuellen Wohnungspolitik passen in dieses Bild.

Vor diesem Hintergrund fällt es schwer von einer Blase am Wohnimmobilienmarkt zu sprechen, erst recht von einer landesweiten Spekulationsblase. Die ausgesprochenen Warnungen hinsichtlich Spekulations- und Überhitzungsgefahr beziehen sich daher auf die attraktiven Ballungs- und Wirtschaftszentren sowie ausgewählte Universitätsstädte, und hier vor allem auf das Segment der neugebauten Eigentumswohnungen und weniger auf den Bestand. Sicherlich wird es mit fortschreitendem Boom auch in demografisch und ökonomisch schwachen Städten zu Preisentwicklungen kommen, die nicht mehr durch die Mietentwicklung gerechtfertigt sind. Die Frage, wo sich die Preise von den ökonomischen Fundamentalfaktoren und der Mietentwicklung zunehmend abkoppeln, wird daher zu Recht von der Bundesbank und den Instituten durch ökonometrische Analysen laufend überwacht.

Wichtiger als die schwierige Diagnose einer "phantomhaften" Blase sind für Käufer einer Wohnimmobilie allerdings die Analyse des lokalen Preisniveaus und damit die zyklische Position eines Marktes. Neben der Erschwinglichkeit ist dies vor allem die Mietrendite. Dabei zeigt sich, dass in den Top-7-Standorten und in Städten wie Regensburg, Freiburg und Heidelberg die Nettomietrenditen von Eigentumswohnungen im Bestand deutlich unter vier Prozent liegen und bei neuen Eigentumswohnungen sogar unter drei Prozent. Damit befinden sich die Mietrenditen wieder auf dem sehr niedrigen Niveau von 1995/96, dem Peak des letzten Booms.

Auch wenn dieses Mal die Rahmenbedingungen andere sind - gekennzeichnet von stabilen Nachfragetrends, geringem Angebot und ultraniedrigen Zinsen -, sollte angesichts derart niedriger Renditeniveaus höchste Aufmerksamkeit bei der Objektwahl geboten sein, vor allem bei privaten Kleininvestoren. Im Vergleich zu den verschwindend geringen Renditen von Staatsanleihen mögen derart niedrige Mietrenditen noch zu rechtfertigen sein, nicht aber angesichts der zyklischen Natur des Immobilienmarktes und der höchst ungewissen Zukunft. Je länger die Zinsen so niedrig bleiben, desto höher ist die künftige Überhitzungsgefahr. Zudem sollte jeder Käufer künftige Szenarien durchspielen, die eine Abschwächung der urbanen Zuwanderungstrends, eine weitere Zunahme der Bautätigkeit und wieder ansteigende Zinsen einkalkulieren. Wichtig ist es, die niedrigen Zinsen zu nutzen, um höhere Tilgungsraten zu vereinbaren. Das Platzen einer Immobilienblase müssen wir in Deutschland jedoch vorerst nicht befürchten.

Der Autor

Manfred Binsfeld

Leiter Immobilienmarkt-Research, FERI EuroRating Services, Bad Homburg vor der Höhe

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