MIPIM-SPECIAL

MIT REAL ASSETS AUF DEM VORMARSCH

Vivienne Bolla, Foto: Aviva Investors

Infolge des langsamen Auslaufens der expansiven Geldpolitik und perspektivisch wieder steigenden Anleiherenditen dürfte sich so mancher Investor derzeit über eine Neujustierung seiner Anlagestrategie Gedanken machen. Mit Blick auf die Assetklasse Immobilie gibt es nach Einschätzung der Autorin aber keinerlei Grund zur Panik, denn der Anstieg nominaler Anleiherenditen dürfte im historischen Kontext sehr moderat ausfallen. Vor diesem Hintergrund spreche einiges dafür, dass die institutionelle Nachfrage nach realen Vermögenswerten weiter wachsen wird. Welche konkreten Implikationen für Immobilienaktien, Real Estate Debt sowie Immobilien mit Pachtverträgen zu erwarten sind, zeigt die folgende Untersuchung. Red.

In einem Bericht aus dem Jahr 2018 prognostiziert PwC, dass sich alternative Anlageklassen - insbesondere reale Vermögenswerte, Private Equity und Private Debt - mehr als verdoppeln und bis 2025 21,1 Billionen US-Dollar erreichen könnten.1) Es ist leicht zu verstehen, woran das liegt. Renditehungrig und auf der Suche nach diversifizierten Vermögenswerten, die stabile Cashflows bieten und so vor Volatilität und Inflation schützen können, werden Investoren zunehmend von realen Vermögenswerten, sogenannten "Real Assets", angezogen. Eine weitere aktuelle Studie 2) ergab, dass Pensionsfonds und Versicherer in ganz Europa planen, ihre Allokation bei alternativen Vermögenswerten in den kommenden Jahren zu erhöhen.

Großer Appetit bei Pensionsfonds und Versicherern

Die Investoren sind zunehmend ergebnisorientiert. Und obwohl sie sich in ihren aktuellen und zukünftigen Investitionsvorlieben für Real Assets unterscheiden - sowohl hinsichtlich der Vermögenswerte selbst als auch der Zugangsmöglichkeiten ("Single Strategy" oder "Blended Multi-Asset-Ansatz") -, ist der Trend eindeutig: Für Pensionsfonds mit einer relativ geringen regulatorischen Belastung sind illiquide Vermögenswerte attraktiv. Denn mithilfe dieser Anlageklassen können Pensionsfonds ihr Risiko weiter reduzieren und Finanzierungslücken schließen. Und auch Versicherer, die weitaus härteren regulatorischen Rahmenbedingungen unterliegen, investieren weiterhin in Real Assets und planen größtenteils eine Erhöhung ihrer Allokationen.

Viele Investoren suchen kompetente Berater oder Partner, die sie dabei unterstützen, effektiv in diese komplexe Anlageklasse zu investieren. Ein Greenwich-Bericht aus dem Jahr 2014 3) bestätigt, dass Kunden angesichts der bestehenden Herausforderungen sich eine professionelle Beratung wünschen. In demselben Bericht wurde darauf hingewiesen, dass die institutionellen Kunden bei der Kategorisierung von Real Assets sehr unterschiedliche Ansätze verfolgen, was den Bedarf noch deutlicher macht.

Renditen steigen, aber nicht so deutlich wie früher

All dies geschieht vor dem Hintergrund steigender Renditen. Da die Notenbanken ihre außergewöhnliche geldpolitische Unterstützung auslaufen lassen, müssen sich Investoren fast aller Anlageklassen darauf einstellen, dass der schon lange bestehende Bullenmarkt für Anleihen wohl vorbei ist. Mit Ausnahme von Gold und einigen anderen Rohstoffen gilt das auch für Real Assets.

Große Sorgen müssen sich Investoren jedoch nicht machen. Zum einen scheint die Inflation zwar anzuziehen, die Inflationserwartungen sollten aber gefestigt sein, so wie das schon seit Einführung von Inflationszielen in den neunziger Jahren der Fall ist. Und um ihre Inflationsziele zu erreichen, dürften die Zentralbanken ihre Geldpolitik nicht so stark straffen müssen wie in der Vergangenheit.

Gleichzeitig werden die unterschiedlichen Treiber der niedrigeren Realzinsen aus den vergangenen Jahrzehnten nicht so schnell verschwinden. Zusammengenommen bedeuten diese Faktoren, dass ein weiterer Anstieg der nominalen Anleiherenditen moderat ausfallen dürfte. So wird erwartet, dass die Rendite für zehnjährige deutsche Staatsanleihen bis Ende 2021 voraussichtlich nur auf ein Prozent steigen wird, verglichen mit durchschnittlich 4,3 Prozent zwischen 2000 und 2007.4)

In solchem Umfeld spricht einiges dafür, dass die institutionelle Nachfrage nach Real Assets weiter wächst. Da die gegenwärtige Phase der wirtschaftlichen Expansion in den Industrieländern offenbar endet, werden die stabilen und verlässlichen Einkommensströme diverser Sachinvestments weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Dass sie im unterschiedlichen Grad vor Inflation schützen, trägt ebenfalls zu ihrer Attraktivität bei.

Verlässliche Einkommensströme und Illiquiditätsprämie

In Erwartung von historisch betrachtet niedrig bleibenden Anleiherenditen sind außerdem die Illiquiditätsprämien, die Real Assets bieten, für Anleger auf der Suche nach einer etwas höheren Rendite unverändert interessant. Sollten die Korrelationen zwischen Anlageklassen vergleichsweise hoch bleiben, da die Zentralbankpolitik weiterhin die Märkte bestimmt, dürften Sachwerte gleichzeitig eine der wenigen Möglichkeiten darstellen, eine nennenswerte Portfoliodiversifikation zu erzielen.

Auch Veränderungen im regulatorischen Umfeld erklären den aktuellen Anstieg der institutionellen Nachfrage nach Real Assets, insbesondere auf der Kreditseite. So haben Banken, bis vor kurzem die größten Kapitalgeber, die Kreditvergabe in diesem Bereich aufgrund höherer Eigenkapitalanforderungen unter Basel III zurückgefahren. Dies hat Raum geschaffen für andere Institutionen, die die Lücke füllen. Gleichzeitig haben Änderungen der Solvency-II-Vorschriften viele Investitionen dieser Art für europäische Versicherungsunternehmen interessanter gemacht.

Allerdings darf nicht vergessen werden, dass es sich bei Real Assets um eine vielfältige, komplexe und illiquide Anlageklasse handelt und Investoren daher erhebliche Ressourcen aufwenden müssen, um die Vorteile jeder einzelnen Anlagemöglichkeit zu prüfen. Im Folgenden werden die wichtigsten Kategorien von Sachanlagen untersucht sowie die verschiedenen Arten, wie diese auf den von uns erwarteten Zinsanstieg - allerdings auf ein viel niedrigeres Niveau als in bisherigen Konjunkturzyklen - reagieren werden.

Bei Immobilienaktien ist auf niedrige Verschuldung zu achten

Für Investments in Immobilienaktien gibt es im Wesentlichen drei unterschiedliche Strategien: Core, Value-Add (Mehrwert) und Opportunistic (opportunistisch). Als Core-Strategien werden Immobilien wegen der stabilen Ertragsströme geschätzt, ihr Preis korreliert tendenziell stark mit Staatsanleiherenditen, wenn auch etwas verzögert. Wie zu erwarten, gingen steigende Zinsen in der Vergangenheit einher mit einer schwächeren Performance von Immobilienaktien, insbesondere bei hoher Kreditfinanzierung. Für die Übernahme der unterschiedlichen Risiken, einschließlich der reduzierten Liquidität, können Investoren aber mit einem Renditeaufschlag rechnen.

Die Entwicklung der Value-Add- und Opportunistic-Strategien sind weniger eng mit Staatsanleihen korreliert, da beide Wachstum zusätzlich zu den Ertragsströmen oder, in einigen Fällen, anstelle derer bieten. Da Zinsen bei anziehender Konjunktur tendenziell steigen, werden diese Arten von Strategien in einem Umfeld anziehender Staatsanleiherenditen tendenziell besser abschneiden als Core-Strategien, sofern die Investoren nicht übermäßig verschuldet sind. Zusammenfassend sollten Anleger also bei steigenden Anleiherenditen sogenannte Value-Add- und Opportunistic-Strategien gegenüber Core-Immobilien bevorzugen, da diese Wachstumspotenziale bieten. Und sie sollten auf eine niedrige Verschuldung achten.

Sollten höhere Zinsen zu einem Rückgang der Immobilienpreise führen, könnte dies den Wert der Kredite beeinflussen, die für diese Immobilien aufgenommen wurden. Da die Verschuldung in dem Sektor jedoch überwiegend gering ist, kann ein gewisser Wertverlust toleriert werden. Höhere Zinssätze erschweren es zudem einigen Hypothekenschuldnern, ihre Schulden weiter zu bedienen. Um dieses Risiko zu reduzieren, können sich Investoren auf länger laufende Kredite auf solche Kreditnehmer konzentrieren, die finanziell gut aufgestellt sind und überzeugende langfristige Strategien haben. Trotz dieser Risiken dürfte die institutionelle Nachfrage nach Real Estate Debt wegen der stabilen Ertragsströme hoch bleiben. Derzeit halten wir die voraussichtlichen Renditen von Real Estate Debt für attraktiver als diejenigen von Immobilienaktien.

Immobilien mit langen Pachtverträgen sind eine Mischform, sprich sie weisen Eigenschaften sowohl von Aktien als auch von Anleihen auf. Es handelt sich wohl um die defensivste Art in Immobilien zu investieren. Der Schwerpunkt liegt auf Gebäuden mit langen Pachtverträgen und verlässlichen Mietern, etwa Behörden und angesehene Unternehmen. Damit der Realwert der Erträge konstant bleibt, werden an die Inflation gekoppelte Pachtverträge und solche mit fest vereinbarten Erhöhungen favorisiert.

Inflationsgebundene Pachtverträge von Vorteil

Solche Anlagen sind insbesondere für Pensionsfonds und andere institutionelle Anleger interessant, die stabile Ertragsquellen suchen, die zu ihren langfristigen Verbindlichkeiten passen. Immobilien mit langen Pachtverträgen können eine gute Alternative sein zu Ertragsströmen aus normalen und inflationsgebundenen Staatsanleihen, mit einem nennenswerten Renditeaufschlag.

Immobilien mit langen Pachtverträgen werden in der Regel in Relation zu Staatsanleihen gepreist und bieten meist keinerlei reales Kapitalwachstum. Der Wert hängt daher an Zinsänderungen, gleichzeitig ist die Abhängigkeit vom allgemeinen Immobilienmarkt begrenzt. Da solche Anlagen langfristige Verbindlichkeiten abdecken und gegen Inflation schützen können, sollte die Nachfrage, solange der Zinsanstieg moderat ist, an halten - insbesondere vor dem Hintergrund des nach wie vor bestehenden Bedarfs an leistungsorientierten Altersversorgungssystemen.

Wenn, wie wir erwarten, die Zinssätze im historischen Vergleich niedrig bleiben, werden Investoren ihr Engagement in Real Assets wahrscheinlich hochfahren, da diese, über die Illiquiditätsprämie, sowohl die Rendite erhöhen als auch zur Diversifikation traditioneller Portfolios beitragen können. Das gilt noch mehr angesichts der Tatsache, dass viele Investoren hier noch kaum engagiert sind.

Da das Real-Asset-Universum vielfältig ist, kann ein Ansatz über mehrere Bereiche die Risiken mindern, indem er Portfolios in verschiedenen Phasen des Zinszyklus einen Nutzen bringt. Allerdings handelt es sich auch um eine komplexe und illiquide Anlageklasse, sodass für eine langfristige Outperformance auch ein disziplinierter Einsatz von Kapital nötig ist.

Gesellschaftliche Megatrends berücksichtigen

Langfristige Investoren und Finanzmarktakteure müssen über die Renditeerwartungen von Real Assets hinaus versuchen, auch die künftigen Bedürfnisse der Gesellschaft zu berücksichtigen. Technologie und Daten verändern die physische und soziale Infrastruktur um uns herum. Es ist klar, dass sich die Immobilien- und Infrastrukturprojekte, in die Aviva in den vergangenen zwanzig Jahren investiert hat, deutlich von denen unterscheiden werden, in die wir in den nächsten zwanzig Jahren investieren.

Bis 2050 dürften mehr als 70 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben. Daher muss auch die Politik - ob in den Stadtverwaltungen oder in den nationalen und lokalen Regierungen - mit dem Privatsektor und den Interessengruppen zusammenarbeiten, um die damit verbundenen unvermeidlichen Herausforderungen zu bewältigen. Disruptionen in der Industrie und dezentralisierte Entscheidungswege dürften sich fortsetzen. Innovationen wie die sogenannte Peer-to-Peer-Energie, intelligente Zähler und Netze sowie die vielen Datenschutzaspekte von Smart Cities, müssen sorgfältig geprüft werden. Darüber hinaus gibt es weitere Trends wie Co-Working-Lösungen, schnellere Breitbandkabel und die Bedrohung des Einzelhandels durch die Onlinekonkurrenz, die die Investitionslandschaft beeinflussen werden.

Last, but not least steht die Integration von Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren in allen Real-Assets-Entscheidungen ganz oben auf der Agenda. Bereits 2012 erklärte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon: "Unser Kampf um globale Nachhaltigkeit wird in den Städten gewonnen oder verloren." Dies zeigt, wie wichtig Maßnahmen der Immobilienbranche bei der Erreichung der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung sein werden.

Fußnoten

1) PwC: "Asset & Wealth Management Revolution - Embracing Exponential Change", Oktober 2017.

2) Aviva Investors: "Alternative Income Study 2018"

3) Greenwich Associates: "Real Assets - An increasingly Central Role in Institutional Portfolios", 2014.

4) Macrobond.

DIE AUTORIN VIVIENNE BOLLA Analystin Real Assets, Aviva Investors, London
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