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SERVICEWOHNEN FÜR SENIOREN: VOM BABYBOOM ZUM GRAUEN BOOM

Dr. Michael Held, Foto: Terragon AG

Das Anlageuniversum institutioneller Immobilieninvestoren hat sich in den vergangenen Jahren stetig vergrößert: Neben Bürogebäuden, Einzelhandelsobjekten und Wohnanlagen sind immer öfter auch Hotels, Logistikimmobilien, Studenten-Apartments und Pflegeheime in den Portfolios zu finden. Letztere ist Gegenstand des vorliegenden Beitrags, wobei schnell deutlich wird, dass sich diese Anlagekasse selbst wiederum in diverse Unterkategorien aufteilen lässt. Nach Einschätzung des Autors bietet dabei vor allem Servicewohnen für Senioren - eine Art Mischform zwischen klassischer Wohnimmobilie und Betreiberimmobilie - interessante Investmentopportunitäten. Allerdings gelte dies immer nur unter der Voraussetzung, dass ex ante eine umfassende Prüfung der Rahmenbedingungen erfolgt. Dazu gehören seiner Ansicht nach insbesondere der Faktor Lage sowie die demografischen Prognosen für die jeweilige Region. Red.

Die Babyboomer befinden sich am Übergang zum Ruhestand. Der erste Jahrgang (nach gängiger Definition 1955) erreicht 2020 das gesetzliche Rentenalter, viele haben bereits die Gelegenheit zu Altersteilzeit oder Frühverrentung ergriffen. Statistisch gesehen, dürfen sie mit einem langen Leben rechnen, und während ihnen Gesundheit nur zu wünschen ist, gehören zum Alter leider auch körperliche Einschränkungen - bis hin zur Pflegebedürftigkeit. Während das Wort "Pflegeheim" jedoch alle möglichen negativen Assoziationen weckt, bietet modernes Seniorenwohnen mehr als nur ein Bett und ein paar Minuten täglich mit überforderten Pflegekräften.

Enorme Bandbreite bietet vielfältige Investmentchancen

Die Bandbreite reicht von ambulanten Services, die ein- bis mehrmals wöchentlich in die vertraute Wohnung kommen, über barrierefreie Wohnanlagen mit flexibel zubuchbaren Pflegeangeboten bis hin zu Premium-Einrichtungen mit Fünf-Sterne-Service und hauseigenem Spa. Für Investoren eröffnet das zahlreiche Möglichkeiten, denn der Markt für das Wohnen im Alter wächst kontinuierlich. Interessenten sollten sich allerdings mit den Besonderheiten dieser Anlageklasse vertraut machen, um ihre Chancen und Risiken realistisch einzuschätzen.

Der wohl vielfältigste und interessanteste Bereich des Wohnens im Alter ist das Servicewohnen für Senioren. Das Grundmodell ist immer gleich: eine barrierefreie Mehrparteien-Wohnanlage mit auf die Bedürfnisse älterer Menschen abgestimmten Dienstleistungen. Der genaue Umfang dieser Services unterscheidet sich je nach Betreiber, und meist können zu bestimmten Basisangeboten wie etwa einer hauseigenen Notrufannahme oder einem Conciergedienst je nach Wunsch und Bedarf weitere Leistungen hinzugebucht werden, von der Unterstützung im Alltag über Freizeitangebote bis zur ambulanten Pflege durch einen Dienstleister nach Wahl.

Mischform zwischen Wohn- und Betreiberimmobilie

Innerhalb dieses Rahmens gibt es allerdings Spielraum für zahlreiche Varianten, die entsprechend ihrer Ausstattung und ihrem Angebotsumfang auch verschiedene Preisklassen umfassen. Aus Sicht eines Immobilieninvestors handelt es sich um eine Art Mischform zwischen klassischen Wohnimmobilien und Betreiberimmobilien. Deshalb ist es für interessierte Anleger wichtig, sich über den Anbieter der Services zu informieren: Idealerweise verfügt das Unternehmen über Erfahrung und einen positiven Track Record.

Zudem sollten Serviceangebote und Immobilie zueinander passen. Barrierefreiheit ist ein Muss, doch Servicewohnanlagen haben noch andere Anforderungen. Gerade bei Einrichtungen von gehobenem oder höherem Niveau, die aus Anlegersicht am interessantesten sind, müssen Gemeinschaftsflächen für diverse Angebote bereitstehen. Das zieht zwar logischerweise einen höheren Einstiegspreis nach sich - je mehr Quadratmeter, desto höher die Gesamtkosten, und wenn es Spezialflächen etwa für ein hauseigenes Spa sind, steigen die Kosten weiter.

Eine Einrichtung mit entsprechend größerem und besserem Angebot kann aber wiederum höhere Mieten von den Bewohnern verlangen - je mehr Service, desto höher die Miete - und auch durch umfassendere Serviceleistungen zusätzliche Einnahmen erzielen. Dadurch ist das Verhältnis von Kosten zu Ertrag für Investoren deutlich besser als bei normalen Wohnungen - im Premiumbereich liegt die Rendite meist 50 Basispunkte oder mehr über derjenigen vergleichbarer Nicht- Service-Wohnungen.

Kaufkraft und Bedarf bei Senioren sind vorhanden

Selbstverständlich stellt sich an dieser Stelle die Frage, ob denn ausreichend Mietinteressenten willens und fähig wären, diese höheren Mieten und Servicepauschalen zu bezahlen. Die Antwort lautet ganz klar "ja": Aktuell können sich 58 Prozent der deutschen Rentner bis zu 1 000 Euro im Monat für Unterkunft und Service leisten, weit über ein Viertel (27 Prozent) haben sogar einen Spielraum von 2 000 Euro pro Monat. Berechnungsgrundlage ist jeweils eine Belastung von höchstens 50 Prozent des verfügbaren Monatseinkommens. In vielen Gemeinden und Landkreisen, von bekannten Wohlstandsoasen wie Starnberg bis hin zu demografisch eher durchschnittlichen Großstädten wie Aachen, ist der Anteil wohlhabender Senioren sogar deutlich höher.

Gleichzeitig besteht ein hoher Bedarf nach altersgerechtem Wohnraum, der auf absehbare Zeit weiter wachsen wird. Denn nicht nur der Anteil, sondern auch die Zahl älterer und vor allem hochbetagter Menschen wird in den kommenden Jahren steigen. Das liegt nicht nur an den eingangs erwähnten Babyboomern, die noch bis etwa 2035 in Rente gehen werden, sondern auch an den medizinischen Fortschritten, die uns allen eine höhere Lebenserwartung schenken.

Zugleich sind schon heute mehr als 90 Prozent aller deutschen Kommunen unterversorgt, was betreute Wohnformen für ältere Menschen betrifft. Ein Vergleich dieser Versorgungslücke und des daraus resultierenden Bedarfs mit der Kaufkraft und den Wünschen der Senioren, die in den kommenden Jahren in Einrichtungen des Servicewohnens ziehen wollen, ergibt sich bundesweit ein Investitionspotenzial von rund 65 Milliarden Euro.

Höhere Rendite - höheres Risiko

Im Geschäft mit Pflegeheimen wird immer wieder gewarnt, dass die höhere Rendite auch mit einem höheren Risiko einhergeht - zu Recht. Insbesondere Aufteilergeschäfte, bei denen Privatinvestoren einzelne Pflegeheimzimmer erwerben, sind riskant und für viele Käufer schwer einzuschätzen. In jedem Fall sollte ein Pflegeheiminvestor wissen, was es bedeutet, eine Betreiberimmobilie zu besitzen: Mieter ist dabei nicht etwa der Bewohner des Zimmers, sondern der Betreiber des Heims. Damit wird eine Betreiberinsolvenz zum Problem für den Investor, der nun entweder möglichst schnell Ersatz finden oder, misslingt dies, mit einem langfristigen Mietausfall rechnen muss.

Einrichtungen des Senioren-Servicewohnens sind damit jedoch nicht eins zu eins vergleichbar. Zwar gibt es auch in diesem Fall einen Betreiber, nämlich das Dienstleistungsunternehmen, das die Service- und Betreuungsleistungen im Haus erbringt. Der Vertrag, den die Bewohner mit diesem Dienstleister schließen, ist jedoch vom Mietvertrag getrennt - Letzterer bleibt also bestehen, selbst wenn der Betreiber das Geschäft aufgibt. Zudem ist es in einem solchen Fall deutlich einfacher, Ersatz zu finden. Da etwaige Pflegedienstleistungen von externen Unternehmen erbracht werden, ist das Servicewohnen auch vom Personalmangel in der Pflegebranche nicht direkt betroffen. Das Modell ist flexibler und damit letzten Endes krisenfester.

Möglichkeit zur Nach- und Drittnutzung

Auch die Immobilie selbst ist deutlich vielseitiger als ein klassisches Pflegeheim. Im Endeffekt ist sie ein barrierefreies, qualitativ hoch- bis höchstwertiges Wohnhaus mit Gemeinschaftsflächen. Nach- und Drittnutzungen für ein solches Objekt sind ohne Weiteres möglich. Liegt sie zudem innerstädtisch und ist gut angebunden, gewinnt die Immobilie mit der Zeit an Wert - und zwar, dank Barrierefreiheit und altersgerechter Einrichtung, schneller als ein klassisches, weniger gut für den demografischen Wandel gewappnetes Wohnhaus.

Denn durch die wachsende Zahl älterer Menschen steigt der Bedarf an altersgerechtem Wohnraum in vielen Städten sogar überdurchschnittlich. So erwartet beispielsweise Berlin nach der jüngsten Hochrechnung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt bis 2030 einen Bevölkerungszuwachs um insgesamt 7,5 Prozent (siehe Abbildung). Die Altersgruppe ab 65 dagegen wird um voraussichtlich sogar 23,5 Prozent wachsen (jeweils auf die mittlere Prognosevariante bezogen).

Immobilien für das Senioren-Servicewohnen sind also hochinteressante Investmentobjekte, die viele der Vorteile von Wohnimmobilien teilen, zugleich jedoch höhere Renditen erzielen. Insbesondere Einrichtungen von gehobener Qualität und Ausstattung sind in dieser Hinsicht sehr vielversprechend. Die Nachfrage entwickelt sich aufgrund demografischer Faktoren vor allem in den Städten und Metropolregionen positiv. Als eigenständiges Marktsegment befindet sich das Senioren-Servicewohnen noch in der Entwicklung, doch es gibt bereits zahlreiche Möglichkeiten für kleine wie große Investoren, von diesem Trend zu profitieren.

Eignung besonders für langfristige Investoren

Vor allem langfristig orientierte Anleger sollten darüber nachdenken, ihr Portfolio um eine Beteiligung an diesem nachhaltigen Trend zu ergänzen. Zugleich müssen die Risiken immer sorgfältig abgewogen werden. Nicht jede Einrichtung des Servicewohnens für Senioren ist ein garantierter Erfolg. Wie immer bei einem Immobilieninvestment gilt es, die Lage zu beachten - und in diesem Fall insbesondere die demografischen Prognosen für die jeweilige Region. Zudem empfiehlt es sich, mit erfahrenen Partnern mit gutem Track Record zusammenzuarbeiten, ob bei der Projektentwicklung, dem Asset Management oder den Serviceleistungen für Bewohner.

DER AUTOR DR. MICHAEL HELD Vorsitzender des Vorstands, TERRAGON AG, Berlin
Dr. Michael Held , Vorsitzender des Vorstands, TERRAGON AG, Berlin

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