IMMOBILIEN UND IHRE FÖRDERUNG

SOLLTE SELBST GENUTZTES WOHNEIGENTUM GEFÖRDERT WERDEN?

Dr. Reiner Braun, Foto: empirica_Heidi Scherm

Die Wohneigentumsbildung steht in Deutschland am Scheideweg. Für immer mehr Haushalte droht die sich stetig verschärfende Melange aus steigenden Bau- und Grundstückskosten, geringem Baulandangebot und hohen Transaktionskosten zur unüberwindbaren Hürde zu werden. Was kann beziehungsweise muss der Staat diesbezüglich unternehmen? Der Autor erachtet eine Förderung auf Grundlage des Sozialstaatsprinzips als gerechtfertigt, wobei es hier sicher zu stellen gilt, dass sie möglichst nur bedürftigen Haushalten zugutekommt. Welche Instrumente diesen nicht ganz trivialen Anspruch am besten erfüllen, ist Gegenstand des vorliegenden Beitrags. Red.

Auch in einer Marktwirtschaft können staatliche Eingriffe notwendig und erlaubt sein, aber sie sind dann begründungsbedürftig. Als Begründung kommen an erster Stelle Maßnahmen zum Schutz der Eigentumsrechte in Betracht, denn ohne diese könnte eine Marktwirtschaft überhaupt nicht funktionieren (Artikel 14 Grundgesetz (GG)). Darüber hinaus rechtfertigt das Sozialstaatsprinzip (Artikel 20 und 28 GG) Eingriffe zur Umverteilung.

Daneben können Staatseingriffe auch rein ökonomisch gerechtfertigt werden, wenn Marktversagen diagnostiziert wird. Solche Funktionsstörungen liegen vor, wenn das Marktangebot von bestimmten Gütern "zu gering" ausfällt. Tatsächlich werden seit einigen Jahren "zu wenige" Wohnungen gebaut. Das sieht man an den steigenden Mieten, die eine zunehmende Knappheit anzeigen. Und tatsächlich gibt es auch "zu wenig" selbst genutzte Wohnungen. Denn obwohl in Umfragen regelmäßig eine Mehrheit der Mieterhaushalte die eigenen vier Wände als bevorzugte Wohnform angibt, sinkt die Wohneigentumsquote seit Jahren.

Besonders deutlich wird dieser Rückgang bei Haushalten, die gerade das typische Ersterwerbsalter für Wohneigentum hinter sich lassen: Die Wohneigentumsquote der 40- bis 49-Jährigen ist in den vergangenen drei Jahrzehnten im früheren Bundesgebiet von einst 55 im Jahr 1988 auf nunmehr 49 Prozent kontinuierlich gesunken (siehe Abbildung 1). Liegt hier also ein Marktversagen vor?

Abbildung 1: Entwicklung der Wohneigentumsquote im Zeitverlauf (Anteil der 40- bis 49-jährigen Haushalte in Prozent, jeweils Westdeutschland) Quelle: Empirica-Studie "Wohneigentum in Deutschland" für die LBS Bundesgeschäftsstelle (2021)

Der Markt funktioniert, die Angebotsbedingungen sind schlecht

Schaut man auf die Angebotsbedingungen, so scheint es weniger am Markt zu liegen, dass das Angebot der Nachfrage hinterherhinkt: Neues Bauland wird - wenn überhaupt - in vielen Großstädten nur widerwillig und tröpfchenweise bereitgestellt. Baukosten werden durch Verschärfungen im Baurecht immer weiter erhöht. Und immer häufiger verhindern, verzögern und verteuern Bürgerproteste zusätzlich den Neubau.

Demnach sind die Ursachen für die zu geringen Neubauzahlen eher in ökologisch motivierten Bedenken oder anderen planerischen Restriktionen als im Marktversagen zu finden. Hinzu kommt ein gewisses Nimby-Verhalten (Not in my backyard), wobei gegen ein solches Sankt-Florian-Prinzip weniger eine Förderung als vielmehr Aufklärung (zum Beispiel "Neubau verteuert Durchschnittsmieten, aber nicht die Bestandsmieten") oder die Vermittlung von Empathie durch Testimonials wirken dürfte (zum Beispiel Plakate mit echten Wohnungssuchenden der betroffenen Gemeinde). Mit Marktversagen jedoch kann man eine Förderung von Selbstnutzern nur schwerlich rechtfertigen.

Wie also ließe sich die Förderung des selbst genutzten Wohneigentums begründen? Tatsächlich liefert das Sozialstaatsprinzips hier einen Ansatzpunkt, insbesondere im Hinblick auf den Schutz der Familie und die Daseinsfürsorge. Denn der Erwerb von Wohneigentum und die Gründung einer Familie gehen regelmäßig Hand in Hand.

Die Wohneigentumsquote ist umso höher, je früher junge Familien gegründet werden und je mehr Ältere, also ehemalige Familien, es gibt. Aber vor allem ist die Quote umso höher, je erschwinglicher Wohneigentum für Familien ist. Die Vorzüge ausreichender Freiräume - gerade für Kinder - haben sich darüber hinaus im Lockdown sehr drastisch gezeigt. Eine Erhöhung der Wohneigentumsquote wäre also kein Selbstzweck. Hinzu kommen die altbekannten Vorteile von selbst genutztem Wohneigentum im Hinblick auf Altersvorsorge und Vermögensverteilung (siehe Abbildung 2). Denn eine selbst genutzte Immobilie senkt nicht nur das Armutsrisiko im Alter, sondern stellt auch den größten Baustein im Vermögen privater Haushalte.

Abbildung 2: Vermögen am Vorabend des Ruhestandes (in Tausend Euro) Quelle: Empirica-Studie "Wohneigentum in Deutschland" für die LBS Bundesgeschäftsstelle (2021)

Empirisch kann gezeigt werden: Bei den allermeisten Menschen geht es nicht um die Frage der Vermögensanlage "Geld oder Immobilien", sondern um die Gretchenfrage "kein Vermögen oder selbst genutztes Wohneigentum". Denn Selbstnutzer immunisieren sich gleichsam gegen die Ver suchungen eines hedonistischen Konsumlebens und kalkulieren in einer vorausschauenden Rationalität die eigene Sprunghaftigkeit und die Neigung zu Spontanentscheidungen mit ein. Der Erwerb von Wohneigentum impliziert daher einen freiwilligen Einstieg in Sparprozesse, die die Ungeduld bremsen und so die Vermögensbildung boostern.

Zielgenaue Ausrichtung auf Schwellenhaushalte

Damit eine Förderung aber nach dem Sozialstaatsprinzip zu rechtfertigen ist, darf sie auch nur bedürftigen Haushalten zugutekommen und sollte sie gezielt deren Teilhabe an der Vermögensbildung verbessern. Deswegen muss eine Eigentumsförderung speziell auf Schwellenhaushalte abzielen, insbesondere eigenkapitalbedingte Schwellenhaushalte.

Denn die größte Herausforderung für junge Familien besteht seit jeher in der Überwindung der Eigenkapitalhürde. Und in Zeiten von Niedrigzinsen gilt das in ganz besonderem Maße. Denn Niedrigst- und Negativzinsen erschweren nicht nur die Vermögensbildung, sie schüren auch die Flucht der Kapitalanleger ins Betongold und treiben so deren Preise über das knappheitsbedingte Ausmaß hinaus. Im Ergebnis gelingt im Jahr 2021 nur noch jedem sechzehnten jungen Mieterhaushalt die Überwindung der Eigenkapitalhürde; zehn Jahre zuvor schaffte dies noch jeder neunte (nur noch 6 Prozent gegenüber einst 11 Prozent der 30- bis 44-jährigen Mieter).

Mosaiksteine der Förderung

Gleichwohl sollte eine Förderung nicht auf die eine einzige eierlegende Wollmilchsau bauen. Rein technisch würde eine große Menge Geld den Weg in die eigenen vier Wände ebnen - aber das wäre nicht effizient. Denn erstens soll die Förderung zielgenau sein und möglichst wenig Preiseffekte verursachen. Und zweitens sollte eine Förderung in erster Linie Hilfe zur Selbsthilfe geben und so zu möglichst wenig Mitnahmeeffekten führen. Eine sinnvolle Förderung beginnt daher nicht erst beim Kauf, sonst bereits in der Sparphase. Sie sollte darüber hinaus die spezifische Entscheidungssituation und das jeweilige Marktumfeld berücksichtigen. Und bei alldem sollte sie dennoch einfach und verständlich sein.

(1) Förderung in der Ansparphase: Am einfachsten gelingt eine effiziente Förderung noch in der Sparphase. Preiseffekte sind hier kaum zu erwarten, solange für geförderte Anlagen dieselben Konditionen gelten wie für ungeförderte. Mitnahmeeffekte können durch Auflagen zur Mittelverwendung minimiert werden. So wird zum Beispiel die Wohnungsbauprämie nur ausbezahlt, wenn bestimmte Einkommensgrenzen unterschritten und das angesparte Vermögen für wohnwirtschaftliche Zwecke verwendet wird.

Ihre Wirksamkeit ist zudem empirisch abgesichert: Nach einer Studie des DIW im Auftrag des Bundesfinanzministeriums ("Evaluierung der Wohnungsbauprämie", 2019) sparen geförderte Haushalte mehr und schaffen früher den Sprung in die eigenen vier Wände. Prämienhöhe und Einkommensgrenzen wurden zwar in der letzten Legislaturperiode erst angepasst, sind jedoch angesichts zweistelliger Steigerungsraten beim Kaufpreis und inflationsbedingter Einkommenszuwächse schon bald wieder veraltet. Aber immerhin: Rund 10 000 Euro kann eine geförderte Familie derzeit mithilfe der Wohnungsbauprämie in sieben Jahren als Eigenkapital ansparen. Die Hälfte aller jungen Mieter besitzt dagegen weniger als diese Summe (siehe Abbildung 3).

Abbildung 3: Verteilung der Bruttogeldvermögen bei 30- bis 44-jährigen Haushalten Quelle: Empirica-Studie "Regionaler Eigenkapitalbedarf für Wohneigentum" für den Verband der privaten Bausparkassen (2021)

Eigenheimrente: Bewährtes bewahren

Ein anderes bewährtes Ansparmodell ist die Eigenheimrente. Der sogenannte Wohn-Riester sorgt dafür, dass Riester-Ersparnisse nicht eingesperrt sind. Vielmehr ermöglicht sie, angesparte Riester-Beträge unkompliziert für den Erwerb von selbst genutztem Wohneigentum einzusetzen. Das ist wichtig, weil junge Familien andernfalls vor der Wahl stünden, entweder in Riester oder für Wohneigentum anzusparen. Und beides schaffen Schwellenhaushalte nicht.

Allerdings droht der Eigenheimrente ein baldiges Aus. Das wäre dann der Fall, wenn die im Koalitionsvertrag angekündigte Einführung einer neuen Generation privater Vorsorgefonds das herkömmliche Riester-Sparen ersetzen würde. Hier gilt es, Bewährtes zu bewahren. Weitere gut 10 000 Euro an potenziellem Eigenkapital könnte eine junge Familie sonst bald nicht mehr innerhalb weniger Jahre gefördert ansparen.

(2) Förderung beim Kauf: Beim Kauf von selbst genutztem Wohneigentum wurde in den vergangenen Jahren Rechte-Tasche-Linke-Tasche gespielt. Links steckte die KfW das Baukindergeld zu: pro Kind 12 000 Euro. Rechts holte sich der Fiskus die Grunderwerbsteuer heraus: bei bis zu 6,5 Prozent und oftmals 500 000 Euro Kaufpreis sind das mehr als 30 000 Euro. Glücklich, wer da wenigstens drei Kinder hatte.

Man kann nun lange diskutieren, ob die bis 1996 gültigen 2 Prozent oder die bis 2006 bundesweit gültigen 3,5 Prozent fair wären. Die mittlerweile üblichen Steuersätze und Objektpreise jedenfalls rauben den allermeisten jungen Mieterhaushalten das komplette Eigenkapital (siehe Abbildung 3). Im Koalitionsvertrag der Ampel ist daher (mal wieder) die Gewährung eines Freibetrages bei der Grunderwerbsteuer vorgesehen. Über die Höhe müssten jedoch die Länder entscheiden. Das könnte (mal wieder) ausgehen wie das Hornberger Schießen, wenn die eigentumsunfreundlichen Länder die Sätze weiter erhöhen, ohne einen Freibetrag zu beschließen. Eigenkapitalersetzende Darlehen und Tilgungszuschüsse - ebenfalls im Koalitionsvertrag vorgesehen - ergäben dann auch keinen Sinn mehr.

(3) Spezifische Entscheidungssituation und Marktumfeld: Eine Förderung, die sich auf das Sozialstaatsprinzip beruft, sollte neben dem Einkommen auch die spezifische Entscheidungssituation und das jeweilige Marktumfeld zum Maßstab für Bedürftigkeit heranziehen. So haben die Befürworter eines großzügigen Umgangs mit der Aufteilung bestehender Mehrfamilienhäuser in Eigentumswohnungen einerseits recht: Ohne diese Umwandlungen gäbe es keine preiswerten Bestandsobjekte für Schwellenhaushalte.

Andererseits ist auch den Kritikern zuzustimmen, wenn sie bemängeln, dass diese Rechnung auf angespannten Märkten nur zulasten der bisherigen Mieter aufgeht. Es wäre daher fair, Umwandlungen großzügig zu handhaben, aber im Gegenzug eine spezielle Förderung für Bestandsmieter anzubieten. Mitnahmeeffekte wären gering, wenn Einkommensgrenzen nach Haushaltsgröße dafür gelten.

Preiseffekte wären gering, weil bewohnte Wohnungen ohnehin preiswerter sind und ließen sich zusätzlich durch gutachterlich bestätigte Abschläge absichern. Idealerweise räumt man dem Bestandsmieter zudem eine Mietkaufphase ein, innerhalb derer er zusätzliches Eigenkapital ansparen kann. Technisch könnte dies mittels zins- und tilgungsfreier Förderkredite realisiert werden. Oder wie es die Ampelkoalition nennt: eigenkapitalersetzende Darlehen.

Völlig anders sieht es in Schrumpfungsregionen aus. Hier ist der sogenannte Donut-Effekt zu beklagen: Neubau auf der grünen Wiese trotz innerörtlichem Leerstand. Donut-Gemeinden bieten deswegen meist wenig Aufenthaltsqualität und unattraktive Ortskerne, mit der Folge zunehmender Abwanderung.

Spezielle Instrumente für Donut-Gemeinden

Die Ursachen sind vielfältig: Eine Empirica-Studie zeigt, dass ein Teil der Käufer am Ortsrand bei geeigneter Unterstützung auch den Kauf einer (leerstehenden) Bestandsimmobilie in Erwägung gezogen hätte. Oft mangelt es aber schon an einer Übersicht zum innerörtlichen Leerstand oder an vorab erstellten Altbaugutachten, die dessen Sanierungsstand und erforderliche Maßnahmen zusammenstellen.

Preiseffekte ließen sich minimieren, wenn entsprechende Jung-kauft-Alt-Programme möglichst auf Gutachten und Modernisierungsmaßnahmen beschränkt blieben, nicht aber den Kauf selbst fördern. Mitnahmeeffekte wären durch Einkommensgrenzen nach Haushaltsgröße gering zu halten. Technisch sollte diese Förderung durch Zuschüsse erfolgen. Zumindest aber durch Tilgungszuschüsse - wie es die Ampelkoalition ebenfalls verspricht.

Wohneigentum ist vielfältig und förderungswürdig

Als Fazit lässt sich somit festhalten: Wohneigentum ist vielfältig. Viele denken dabei immer nur an freistehende Eigenheime auf der grünen Wiese. Aber Wohneigentum ist mehr. In der Stadt taucht es als urbane Stadtvilla oder vertikales Townhouse auf, in der Dorfmitte als verwinkeltes Hexenhaus und in der Stadtmitte als Eigentumswohnung. Zuletzt lebte bereits fast jeder vierte Selbstnutzerhaushalt auf der Etage (22 Prozent), in den Städten sogar mehr als die Hälfte (52 Prozent).

So vielfältig wie das Wohneigentum, so vielfältig sind die Lebenslagen und die Marktbedingungen beim Erwerb. Deswegen sind spezifische Förderungen notwendig, die zudem auf den Schutz der Familie und die staatliche Daseinsfürsorge zugeschnitten sind. Die höchste Treffsicherheit kann dabei als Hilfe zur Selbsthilfe in der Ansparphase erzielt werden.

Schwieriger wird es beim Kauf selbst, denn hier kann es zu unerwünschten Preiseffekten kommen, die eine Förderung ad absurdum führen. Weniger gefährlich ist dies zurzeit in Knappheitsregionen, denn hier machen die Kapitalanleger den Markt. Die Preise sind so hoch, dass eine Förderung potenzieller Selbstnutzer kaum noch zusätzliche Effekte hervorriefe. In Schrumpfungsregionen sollten dagegen eher Markttransparenz und Nebenkosten, nicht aber der Kauf selbst, gefördert werden.

Die grundsätzliche Förderungswürdigkeit von selbst genutztem Wohneigentum sollte aber niemand in Frage stellen. Denn die positiven Auswirkungen von selbst genutztem Wohneigentum im Hinblick auf die Altersvorsorge und eine breitere Eigentumsstreuung als wesentlicher Faktor für eine krisenfeste Gesellschaft sind hinreichend belegt.

Und die Vorzüge ausreichender Freiräume für Familien haben sich jüngst in der Corona-Lage auf vielfältige Weise gezeigt: Wohneigentum bietet öfter als Mietwohnungen die Chance auf ein eigenes Zimmer für jedes Kind, ein Arbeitszimmer für die Eltern sowie Platz für Freizeit und Hobby für die ganze Familie in der Kellerwerkstatt, dem eigenen Garten oder auf einem großen Balkon.

Fußnoten

1) Vgl. Pfeifer, U. und Braun, R., "Wohneigentum oder Mietwohnung - eine rationale Entscheidung?", Der Langfristige Kredit, Heft 18/1998, S. 598-602, Frankfurt am Main 1998.

2) Vgl. Abbildung 7 in "Regionaler Eigenkapitalbedarf für Wohneigentum", im Auftrag des Verbandes der privaten Bausparkassen (2021).

3) Vgl. "Werden wirklich zu viele Eigenheime gebaut?", im Auftrag des Verbands der privaten Bausparkassen (2018).

Dr. Reiner Braun , Vorsitzender des Vorstands , empirica AG, Berlin

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