MIPIM-SPECIAL

DER SPANISCHE IMMOBILIENMARKT UNTER DER NEUEN REGIERUNG SÁNCHEZ

Stefan Meyer, Foto: Monereo Meyer Abogados

In dem Land mit der höchsten Eigentumsquote Südwesteuropas (rund 78 Prozent der spanischen Bevölkerung wohnt im Eigenheim - zum Vergleich: in Deutschland sind es 51 Prozent, der EU-Durchschnitt liegt bei 68 Prozent) gibt ein Blick auf den wohnungswirtschaftlichen Bereich zweifelsohne einen ersten Aufschluss über die Entwicklung des spanischen Immobilienmarktes. Aber auch die Entwicklung anderer Assetklassen wie Einzelhandel, Büro, Hotel und Logistik werden in diesem Beitrag kurz beleuchtet. Zudem geht der Autor auf die seit Mitte Januar 2020 amtierende Links-links-Regierungskoalition unter dem neuen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez ein. Gerüchten zufolge soll diese mit Regulierungsmaßnahmen kokettieren, die so gar nicht nach dem Geschmack der Immobilienbranche sein dürften. Red.

Mit einer nur hauchdünnen Mehrheit von 167 Ja- bei 165 Gegenstimmen - und gleichzeitiger Enthaltung der baskischen und katalanischen Separatisten - wurde Pedro Sánchez Mitte Januar vom spanischen Abgeordnetenhaus im zweiten Wahlgang zum neuen Ministerpräsidenten des Königreiches gewählt. Positiv ist sicherlich, dass Spanien nach dem Misstrauensvotum gegen Mariano Rajoy im Juni 2018 und zwei Wahlgängen nun endlich wieder über eine gewählte Regierung verfügt.

Die Regierung Sánchez ist zudem die erste Koalitionsregierung in der Geschichte der spanischen Demokratie, eine Links-links-Koalition der spanischen Sozialdemokraten PSOE und der Linkspartei PODEMOS, die allerdings über keine Parlamentsmehrheit verfügt und daher bei jedem Vorhaben auf verschiedene Stimmen anderer Parteien angewiesen ist.

Neuer Staatshaushalt als erste Feuerprobe

Die erste Feuerprobe der Regierung wird die Verabschiedung eines neuen Staatshaushaltes noch vor dem Sommer sein. Dieser ist dringend notwendig, denn bis jetzt regiert Spanien - auch zum Leidwesen der EU - noch immer mit dem 2018 durch die konservative Regierung Rajoy verabschiedeten Staatshaushalt, der bereits mehrfach verlängert wurde.

Gesamtwirtschaftlich gesehen übernimmt die neue Regierung kein ganz schlechtes Erbe. Dies wird deutlich mit Blick auf die Entwicklung des BIP: In den vergangenen Jahren lag das Wachstum der spanischen Wirtschaft konstant oberhalb des europäischen Durchschnitts, verlangsamte sich aber kontinuierlich seit 2015 (3,8 Prozent) auf 1,9 Prozent 2019. Bei den Arbeitslosenzahlen sieht es etwas schlechter aus: Diese lagen trotz kontinuierlichen Rückgangs seit Ende der Wirtschaftskrise 2014 Ende 2019 immer noch bei 13,9 Prozent.

Das Immobilienjahr 2019: Eigenheimpreise steigen weiter

Seit dem Überwinden der spanischen Immobilienkrise Mitte 2014 verzeichnet das spanische Amt für Statistik (INE) bis Ende 2019 einen durchschnittlichen, kontinuierlichen Preisanstieg für Eigenheime in Höhe von 32,48 Prozent. Laut dem unabhängigen Bewerter Gesvalt liegt der durchschnittliche Quadratmeterpreis in Spanien Ende 2019 bei 1 406 Euro, wobei die Balearen mit 2 368 Euro, Madrid mit 2 244 Euro und das Baskenland mit 2 163 Euro die höchsten Quadratmeterpreise verzeichnen.

Bei den Mietpreisen für Wohnraum liegt die Stadt Barcelona laut Gesvalt dagegen mit einem monatlichen Quadratmeterpreis von 16,72 Euro klar vor Madrid (15,86 Euro), vor der baskischen Stadt San Sebastian (15,31 Euro) und auch vor den Balearen (13,64 Euro). Leicht rückläufig war 2019 laut der Kammer der spanischen Grundbuchrichter mit landesweit rund 560 000 Transaktionen erstmalig wieder die Anzahl der Eigenheimerwerbe, die im Jahr 2018 noch 583 000 betrug. Zwar konnte bei den Neubauten sogar noch ein leichter Anstieg von 1,2 Prozent verzeichnet werden, der aber durch den Rückgang der Verkaufszahlen gebrauchter Wohnungen (4,6 Prozent) nicht aufgefangen werden konnte.

Auch die Erwerbe durch Ausländer, die immerhin 12,5 Prozent des gesamtspanischen Volumens ausmachen, lagen mit rund 63 000 Käufen 3,7 Prozent unterhalb des Vorjahresniveaus. Bei den Ausländern sind die Erwerbe insbesondere durch Briten zwar rückläufig, liegen aber immer noch leicht vor den Franzosen und den Deutschen.

Einig ist man sich auch darüber, dass die Mieten wegen des vergleichsweise geringen Angebots von Mietwohnungen im Königreich nach wie vor weiter steigen werden, anders als die Kaufpreise, deren Stagnation im laufenden Jahr erwartet wird. Ein wichtiger Meilenstein für Eigenheimfinanzierer war das am 16. Juni 2019 in Kraft getretene Gesetz über Immobilienkredite, das den privaten Immobilienkreditnehmer schützen soll und Banken, aber auch Vermittler und spanische Notare in die Pflicht nimmt.1) Auffallend war, dass die Anzahl der Eigenheimfinanzierungen direkt nach dem Inkrafttreten des Gesetzes deutlich abnahm, obwohl es sicher noch zu früh ist, den Grund dafür ausschließlich in dem neuen Regelwerk zu suchen.

Gesamtinvestitionen: Ausländer und Büroimmobilien dominieren

Insgesamt wurden im Jahr 2019 laut C & W Spanien 11,9 Milliarden Euro in spanische Immobilien investiert, wobei 70 Prozent des Kapitals aus dem Ausland stammte. BNP Paribas setzt die Zahl mit 12,725 Milliarden Euro sogar noch etwas höher an und stellt einen Zuwachs von rund fünf Prozent gegenüber 2018 fest.

Den größten Anteil an dieser Gesamtinvestition hat laut BNP die Assetklasse Office, die mit einem Volumen von 4,6 Milliarden Euro 2019 ein Rekordjahr hinlegte. Die Yields für Prime-Büroflächen in Madrid und Barcelona liegen zwischen 3,20 und 3,40 Prozent. Die Investitionen in Wohnungsportfolios zur Vermietung (eine der großen Neuentdeckungen im Eigentümerland Spanien!) erreichten laut BNP immerhin rund zwei Milliarden Euro im Jahr 2019.

Logistik boomt, Verschnaufpause bei Hotels

Auch spanische Logistikimmobilien verzeichneten 2019 laut CBRE mit einem Investitionsvolumen in Höhe von 1,683 Milliarden Euro und einem Zuwachs von rund 40 Prozent ihr zweitbestes Jahr seit 2003, neu angemietet wurden dabei 1,5 Millionen Quadratmeter. Die wichtigsten Logistikzentren Spaniens liegen in Katalonien und Zentralspanien, vor allem in Zaragoza und dem Corredor de Henares. Die Yields für Prime-Logistikimmobilien lagen erstmalig unterhalb von fünf (4,9) Prozent.

Bei den Hotels konnte laut Colliers International das Rekordjahr 2018 nicht wiederholt werden: Die Gesamtinvestitionen von 2,518 Milliarden Euro im Jahr 2019 entsprechen einem Rückgang von rund 45 Prozent. Insgesamt wechselten 2019 spanienweit 99 Hotels ihren Eigentümer. Hinzuzurechnen sind jedoch 29 Ankäufe von Gebäuden oder Baugrundstücken zur Entwicklung neuer Hotels. Eine der letzten wichtigen Transaktionen im Zuge von Neuentwicklungen, die noch im Dezember 2019 abgeschlossen werden konnte, war der Erwerb eines Bürogebäudes in unmittelbarer Nähe des Madrider Flughafens Barajas durch die deutsche Commerz Real mittels des "Commerz Real European Hotel Fund". Das Gebäude soll bis 2021 in ein Hotel mit 280 Zimmern der Steigenberger-Marke "Zleep" umgewandelt werden.2)

Die Assetklasse Retail ist unterdessen der große Verlierer im Jahr 2019: Laut JLL wurden nur noch rund 1,6 Milliarden Euro in spanische Einzelhandelsflächen investiert, was einen Rückgang von rund 60 Prozent im Vergleich zu 2018 bedeutet. Abgenommen haben vor allem die Investitionen in große Einkaufszentren und Gewerbeparks, der Trend geht auch in Spanien hin zu erstklassigen High-Street-Flächen. Die Yields pendelten sich zwischen 4,5 und 4,8 Prozent sowohl in Madrid als auch in Barcelona ein.

Ausblick 2020 - ein Jahr der Normalisierung

Die Experten sind sich einig, dass sich die Gesamtinvestitionen in Spanien nach fünf sehr guten Jahren im laufenden Jahr normalisieren werden. C & W Spanien vermutet für 2020 einen Rückgang der Gesamtinvestitionen von rund 14 Prozent auf 10,2 Milliarden Euro, wobei dies nicht auf das fehlende Interesse der internationalen Investoren, sondern auf die Verknappung geeigneter Objekte in Spanien zurückzuführen sei.

Der spanische Immobiliensektor wird auch 2020 weiterhin von den niedrigen Zinsen sowie einem überdurchschnittlichen Wirtschaftswachstum des Königreichs im EU-Vergleich profitieren können. Vor allem im Bürosektor wird seitens C & W Spanien ein Anstieg der Anmietung neuer Büroflächen in der Stadt Barcelona von bis zu 700 000 Quadratmetern erwartet, während in Madrid eine Stabilisierung bei 550 000 Quadratmetern vorhergesagt wird. Im Logistiksegment ist ebenfalls mit einer nicht unerheblichen Entwicklung neuer Flächen in Gesamtspanien zu rechnen, wobei für den Großraum Barcelona 600 000 und für den Großraum Madrid 700 000 Quadratmeter neue Flächen ins Auge gefasst sind.

Mietendeckel nach Berliner Vorbild?

Der Ankündigung der neuen Regierung, ebenso wie in Berlin, die Marktmieten für Wohnraum regulieren zu wollen, schenkt die Branche im Moment keinen Glauben. Auch der Wunsch der Linkspartei PODEMOS den spanischen REITs, den sogenannten SOCIMIs, die durch ihre Ankäufe entscheidend dazu beigetragen hatten, die Immobilienkrise 2014 zu überwinden, bestimmte Steuervorteile streichen zu wollen, beflügelt eher die aktuellen Investitionen.

Zumindest die PSOE und Pedro Sánchez wissen, wie wichtig ein gut funktionierender Immobiliensektor in Spanien ist, weshalb die Experten generell davon ausgehen, dass diese beiden die Branche betreffenden Ankündigungen der neuen Regierung weder prioritär, noch kompromisslos umgesetzt werden.

Fußnoten

1) Siehe hierzu ausführlich Meyer/Böck und Meyer/ Amort in Immobilien & Finanzierung, Ausgaben 4 und 5, 2019, Seiten 222 ff. und 331 ff.

2) Siehe hierzu die einschlägigen Pressemitteilungen, etwa auf den Webseiten von Commerz Real und Zleep.

DER AUTOR STEFAN MEYER Gründungspartner, Rechtsanwalt & Abogado, Monereo Meyer Abogados, Madrid
Stefan Meyer , Rechtsanwalt und ­Gründungspartner , Monereo Meyer Abogados, Madrid

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