MIPIM-SPECIAL

US-MULTIFAMILY: NICHT ALLEIN DER ZINS BESTIMMT DIE CAP RATES

Thomas Gütle, Foto: US Treuhand

Ganze neun Mal hat die US-Notenbank Fed den Leitzins seit Dezember 2015 inzwischen angehoben. Dabei haben sich die anfänglich befürchteten Preiskorrekturen bei US-Immobilien (bislang) nicht beziehungsweise nur geringfügig bestätigt. Und nach Einschätzung des Autors gibt es allen Grund zur Zuversicht, dass die Immobilienmärkte in den USA auch weiter steigende Zinsen gut verkraften können: Der Renditeabstand zwischen den Ankaufsrenditen (Cap Rates) und dem Marktzinsniveau ist noch immer vergleichsweise hoch, die Fremdkapitalquoten sind niedriger als vor der Finanzkrise und vor allem: Die fundamentalen Trends deuten auf weiter steigende Mieten in den meisten US-Teilmärkten hin. Red.

Während in der Eurozone noch darüber diskutiert wird, hat die Zinswende - oder besser gesagt: die Normalisierung der Geldpolitik - in den USA längst begonnen. Häufig wird davon ausgegangen, dass an den Immobilienmärkten lineare Wechselwirkungen zwischen steigenden Zinsen, steigenden Cap Rates (Ankaufsrenditen) und sinkenden Immobilienpreisen bestehen.

Lineare Wechselwirkungen nur in der Theorie

Diese Annahme basiert auf der Überlegung, dass Investoren bei Immobilieninvestments eine bestimmte Risikoprämie gegenüber dem Zinsniveau von als risikolos erachteten Kapitalanlagen erwarten. Steigen die Zinsen beispielsweise von mündelsicheren Staatsanleihen, müssten demnach auch die Cap Rates entsprechend steigen und die Immobilienpreise beziehungsweise -bewertungen nach unten gehen. Ein Blick in die USA - am Beispiel des Immobiliensektors Multifamily - zeigt allerdings, dass diese Argumentation zu einfach ist.

Für diese Überlegungen soll zunächst auf den Zusammenhang zwischen der Geldpolitik der Federal Reserve und den Renditen der Staatsanleihen eingegangen werden: Eine Erhöhung der Leitzinsen durch die Fed muss nicht zu einer linearen Erhöhung der Anleiherenditen führen. Denn kurzfristige Zinsen beeinflussen zwar langfristige Zinsen, aber sie bestimmen sie nicht. Oder anders ausgedrückt: Der langfristige Zins ist nicht völlig unter Kontrolle der Geldpolitik durch die US-Notenbank.

Um zu beurteilen, ob weitere Zinsschritte zu erwarten sind, sollte als nächstes die konjunkturelle Entwicklung in den Vereinigten Staaten beachtet werden, da diese über die Inflation ein Auslöser für die Zinsschritte der Fed sein könnte. Der wirtschaftliche Aufschwung in den USA ist inzwischen ins zehnte Jahr gegangen. Es gab in der Vergangenheit nur eine Wachstumsphase, die noch länger angedauert hat. Grundsätzlich endet ein Zyklus jedoch nicht aufgrund seines Alters, sondern aufgrund einer Überhitzung, des Einflusses geldpolitischer Maßnahmen oder unvorhersehbarer exogener Faktoren.

Anhaltend solide Fundamentaldaten

Für 2019 erwarten die meisten Researchhäuser ein Wirtschaftswachstum in einer Größenordnung von 2,5 Prozent und somit im Bereich des langfristigen Durchschnitts. Damit deutet sich keine Überhitzung an, auch nicht auf dem Immobilienmarkt. Fertigstellungen können grundsätzlich absorbiert werden. Zudem ist im Gegensatz zur Situation vor der Finanzkrise der Fremdkapitaleinsatz signifikant niedriger, da die Banken bei der Vergabe von Finanzierungen vorsichtiger sind und höhere Anforderungen als damals stellen.

Auch die Inflation dürfte sich innerhalb der Zielbandbreite bewegen. Manche Beobachter halten es deshalb für möglich, dass es vorerst keine weiteren Leitzinserhöhungen in den USA mehr geben wird. Die aktuelle Kommunikation der Fed indes lässt noch maximal zwei Zinsschritte in diesem Jahr erwarten.

Ein intakter Mietwohnungsmarkt

Die Entwicklung von Preisen und Renditen an den Immobilienmärkten folgt nicht allein der Zinsentwicklung, sondern zu einem wesentlichen Anteil auch fundamentalen Faktoren. Bei der Entwicklung speziell im US-amerikanischen Mietwohnungsmarkt - genauer: im Segment Multifamily - kann man beispielsweise feststellen, dass die Wachstumsstory in diesem Immobiliensegment noch nicht beendet ist. In den USA wächst die Bevölkerung um rund zwei Millionen Einwohner pro Jahr, entsprechend werden neue Haushalte gegründet.

Etwa 20 Millionen "Millennials" wohnen noch zu Hause oder im College und werden nach ihrem Auszug wohl in den meisten Fällen zuerst in eine Mietwohnung ziehen. Diese für den Arbeitsmarkt in den USA derzeit wichtigste Altersgruppe gründet signifikant später als die Generation der Baby-Boomer eine eigene Familie und bleibt deshalb auch länger in der Mietwohnung als frühere Generationen. Hinzu kommt, dass der Trend zur Miete generell weiter anhalten dürfte. Es gibt zurzeit zirka zehn Millionen Mieterhaushalte mehr in den USA als noch im Jahr 2005. Viele Millennials legen Wert auf die größere Wohnflexibilität und den hohen Komfort vieler Multifamily-Anlagen, die sogenannten "Amenities".

Durch die US-Steuerreform und die Preissteigerungen beim Wohneigentum hat sich die Attraktivität des Eigentums noch weiter verschlechtert. Für die kommenden Jahre werden im Multifamily-Bereich weiterhin jährliche Mietsteigerungen erwartet. Der größte unabhängige US-Immobilien-Researcher Co-Star hält die USA unverändert für "underhoused" und geht davon aus, dass zirka 2,4 Millionen Wohneinheiten fehlen. Für dieses Jahr wird ein Anstieg der Multifamily-Mieten um 2,4 Prozent erwartet. Allerdings sind die regionalen Unterschiede erheblich: Für die Secondary Cities, vor allem in den südlichen Bundesstaaten, sind zumeist wesentlich größere Steigerungen zu erwarten als in den großen Metropolen an Ost- und Westküste.

Keine eindeutige Korrelation zwischen Cap Rates und Zinsen

Die fundamentalen Rahmenbedingungen sind somit durchaus positiv, nicht nur für den Bereich Multifamily, sondern auch für den US-Immobilienmarkt im Allgemeinen. Was passiert nun, wenn die US-Notenbank Fed weitere Zinsschritte vornehmen und die Zinsen auch am Kapitalmarkt steigen sollten? Werden die Ankaufsrenditen, die sogenannten Cap Rates, dann entsprechend steigen? In der Vergangenheit bestand nur eine geringe und keineswegs eindeutige Korrelation zwischen der Entwicklung der Zinsen beziehungsweise Renditen und der Cap Rates. In manchen Phasen war die Korrelation sogar über einen längeren Zeitraum hinweg deutlich negativ.

Die Cap Rates müssen also nicht notwendigerweise linear steigen, wenn die Zinsen steigen. Dagegen spricht auch, dass die Risikoprämien - also die Spreads zwischen den Cap Rates und den Zinsen etwa am Markt für US-amerikanische Staatsanleihen (Treasuries) - von einem historischen Hoch kommen und Zinssteigerungen abfedern können. Freilich: Wenn hierbei eine gewisse Risikoprämie unterschritten wird, könnte es durchaus zu steigenden Cap Rates kommen.

Die Analysten von Co-Star rechnen jedoch nur mit marginalen Anstiegen bei den Cap Rates von zirka sieben Basispunkten bis Ende 2019 und weiteren rund 13 Basispunkten bis Ende 2020. Da sie von weiterhin sehr niedrigen Vergleichszinsen ausgehen, werden die Spreads demnach sogar leicht steigen.

Gute Aussicht auf Mietwachstum

Geht man nun von einer Erhöhung der Cap Rates aus, dann könnten daraus theoretisch fallende Immobilienpreise resultieren. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn der Nettoertrag (Net Operativ Income, kurz NOI) ebenfalls entsprechend steigt, da der Wert der Immobilie sich vereinfacht aus dem NOI dividiert durch die Cap Rate errechnet. Für eine solche Erhöhung des NOI spricht das bereits genannte Mietwachstum.

Ein wesentlicher Unterschied des US-Multifamily-Segments gegenüber europäischen Mietwohnungsmärkten, der Investoren an dieser Stelle zugutekommt, sind die in den USA typischen Zwölf-Monats-Mietverträge. Damit können die Mieten bei inflationären Entwicklungen zügiger angepasst werden als hierzulande. Vorliegende Zahlenreihen, die bis 1980 zurückreichen, zeigen, dass sich die Mieten stärker als der Consumer Price Index entwickelt haben - also nicht nur ein Inflationsschutz vorlag, sondern auch inflationsbereinigt eine positive Renditeentwicklung.

Den einen "US-Zyklus" gibt es nicht

Für eine generelle Beurteilung sollte allerdings beachtet werden, dass der US-Immobilienmarkt zwar weltweit der größte Immobilienmarkt ist, aber alles andere als homogen. Er weist eine Fülle von unterschiedlichen Märkten und Zyklen auf. Ein Vergleich zwischen Kalifornien, Texas, Florida und Michigan offenbart Unterschiede, die ähnlich groß sind wie zwischen einzelnen Ländern Europas. Daraus folgt, dass es nicht den einen "US-Zyklus" gibt, sondern viele regionale Zyklen, die stark voneinander abweichen können.

Eine Einschätzung der Entwicklungen im US-Immobilienmarkt erfordert somit neben dem Verständnis makroökonomischer Zusammenhänge vor allem auch regionale Expertise. Der Vorteil im Bereich Multifamily liegt darin, dass der Anleger hier defensiv investiert, da ein Grundbedürfnis befriedigt wird. Denn auch in wirtschaftlichen Schwächephasen wird entsprechender Wohnraum benötigt. Wohnen hat in der Vergangenheit Krisen am besten und schnellsten überstanden.

Mit Blick auf das Zusammenspiel von Zinsen, Cap Rates und Immobilienpreisen lässt sich abschließend festhalten, dass dies deutlich komplexer ist, als es oft dargestellt wird.

DER AUTOR THOMAS GÜTLE Geschäftsführender Gesellschafter, US Treuhand Verwaltungsgesellschaft für US-Immobilienfonds mbH, München
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Thomas Gütle , Managing Partner, PrimeraAdvisors GmbH, München
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