Forderungsmanagement und Bewertungsfragen

Das automatisierte Mahnwesen - raus aus der Nische?

Florian Kappert

Weniger Ressourcen für die Bearbeitung offener Rechnungen aufbringen zu müssen - das wünschen sich viele Unternehmen. Die Übertragung an Factorer oder die Auslagerung an Inkassounternehmen stellen gängige Optionen für den oftmals stiefmütterlich behandelten Prozess des Mahnwesens dar. In Zeiten der voranschreitenden Digitalisierung tun sich natürlich weitere Alternativen auf. Das Konzept der Bilendo-Software basiert auf der Idee einer vollständigen Automatisierung des Mahnwesen-Prozesses. Ob sich dieses Konzept problemlos in etablierte interne Prozessabläufe von Unternehmen einbinden lässt, wird die Nagelprobe für das junge Startup sein. Dass Potenzial vorhanden ist, zeigt sich am Interesse von Investoren. Sowohl die Commerzbank-Tochter main incubator als auch die Tochter der LFA Förderbank Bayern, BayernKapital, sind vor Kurzem eine Partnerschaft mit Bilendo eingegangen. Im Interview erläutert Mitgründer und Geschäftsführer Florian Kappert das Prinzip der Software und beantwortet auch die Frage, inwieweit sie sich für Akteure aus der Immobilienbranche eignet. Red.

I&F Herr Kappert, Ihr Unternehmen wurde vor gut einem Jahr gegründet. Wie fällt Ihr erstes Fazit aus?

Wir haben Bilendo im April 2015 als GmbH gegründet. Die Idee dazu hatten wir einige Monate vorher und haben auch vorab mit Entwicklung und Marketing begonnen, um ein Gefühl für Markt und Produkt zu bekommen. Seit dem Frühjahr haben wir dank unserer Investoren - der Commerzbank über den Investor main incubator und zusätzlich BayernKapital - die Möglichkeit, unser Geschäftsmodell zu festigen und einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Für den Moment sind wir sehr zufrieden und kommen sowohl mit dem Produkt, der Produktqualität als auch mit der Kundengewinnung sehr gut voran. Es scheint, als wären wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort, gerade da das Thema "Digitalisierung im Mittelstand" momentan sehr akut ist.

I&F Wie sieht der weitere Fahrplan aus? Ist der Break-Even-Point in Reichweite?

Der weitere Fahrplan steht ganz klar auf Wachstum. Wir werden unsere Partnerschaften zu ERP, CRM und anderen fakturierenden Systemen ausweiten und unser Team in den Bereichen Entwicklung, Support, Marketing und Vertrieb stärken. Trotz der stark steigenden Kosten sind wir zuversichtlich, einen Break-Even in absehbarer Zeit zu erreichen. Wichtig dabei ist jedoch nicht in erster Linie der Break-Even unseres Unternehmens, sondern allen voran die Produkt- und Lösungsqualität, die wir der Branche anbieten. Hier haben wir bereits heute eine gute Ausgangsposition, die es auszubauen gilt.

I&F Auf Ihrer Webseite findet man relativ wenige Informationen über das Unternehmen. Warum ist das so, wollen Sie etwa keine Werbung machen?

Nein, ganz im Gegenteil. Wir sind der Meinung, dass Werbung erst dann effektiv ist, wenn das Produkt, der Service und vor allem das Produktangebot stimmen. Werbung, Produkt und die Produkterfahrung müssen aufeinander abgestimmt sein. Ansonsten besteht die Gefahr, die für Startups so wichtigen ersten Kunden schnell wieder zu verlieren. Aus diesem Grund hat die Selbstdarstellung auf unserer Webseite im Moment eine untergeordnete Priorität. Wir arbeiten hart an unserem Produktangebot und allen voran an Material, das unseren Kunden hilft, ihre Liquidität zu verbessern.

I&F Wie genau sieht das Geschäftsmodell von Bilendo aus? Was ist das Spezifische im Vergleich zu anderen Branchenmodellen?

Bilendo ist ein klassischer Cloud Service mit einem monatlichen Abo-Modell. Kunden zahlen für den Service nur solange sie ihn nutzen wollen. Wir sind demnach stark daran interessiert, den Kundennutzen zu maximieren. Die Kundenzufriedenheit ist für uns eine der wichtigsten Metriken zur Messung des Erfolgs. Mit unserem Mahnwesen-Service modernisieren wir im Grunde bestehende Ansätze. Bisher ist Mahnwesen ein Service oder ein Prozess der Finanzbuchhaltung. Der Prozess an sich ist leicht, die Durchführung im Alltag ist allerdings oft problematisch und immer zeit- und ressourcenaufwändig. Die Innovation liegt nahe. Durch eine selbstlernende Software haben wir Ansätze um den Mahnwesen-Prozess vollständig zu automatisieren. Ein Großteil unserer Kunden ist damit in der Lage, über 90 Prozent Ihres Zeitaufwands einzusparen.

I&F Sie wollen das Mahnwesen per Software standardisieren und vereinfachen: Was ist der große Vorteil von Bilendo gegenüber herkömmlichen Mahnwesen?

Bei Bilendo handelt es sich um eine Standardsoftware, die jedes Unternehmen nutzen kann. Der Vorteil ist, dass wir keine bestehenden Software-Systeme ablösen. Bilendo muss auch nicht installiert oder aufwändig geschult werden. Dabei ist es ganz egal ob das Mahnwesen bisher gar nicht, vom Steuerberater, in der Buchhaltungsabteilung oder sonst wo im Unternehmen durchgeführt wurde. Mit Bilendo machen wir jedem Unternehmen einen vollständig automatisierbaren Prozess zugänglich.

I&F Für welche Unternehmen kommt Ihr Angebot in Frage, sprich, wer sind potenzielle Kunden? Ist es egal, aus welchen Branchen die Kunden kommen?

Richtig, es ist egal, aus welcher Branche ein Unternehmen stammt. Ausschließlich bei Ärzten und Rechtsanwälten muss man die genaue Situation genau betrachten. Hier ist es so, dass wir diese Kunden im Moment noch warten lassen bis wir die genauen rechtlichen Voraussetzungen geklärt haben. Ansonsten ist Bilendo die perfekte Prozessunterstützung. Dabei treten wir gegenüber dem Mahnungsempfänger beziehungsweise dem Rechnungsempfänger nicht auf. Unsere Kunden haben damit einen professionellen, automatischen und effizienten Prozess der mit allen positiven Nebenaspekten auf sie selbst zurückfällt. Der Service funktioniert in einer Größenordnung von 5 bis 10000 Ausgangsrechnungen pro Monat. Je mehr Rechnungen desto größer der Nutzen. Unsere kleinsten Kunden versenden im Schnitt 50 bis 100 Rechnungen.

I&F Gibt es Besonderheiten bei den Lösungen für die Immobilienbranche? Welchen Unternehmen aus der Immobilienwirtschaft würden Sie die Bilendo-Software empfehlen?

Bilendo ist immer dann interessant, wenn Rechnungen per Software gestellt werden. Im schlechtesten Fall erstellen Unternehmen ihre Rechnungen mit Microsoft Word und speichern diese anschließend als PDF. Das ist zwar nicht mehr erlaubt, wird aber dennoch oft praktiziert. Im besten Fall erstellen Unternehmen ihre Rechnungen mit einer Faktura-Lösung oder einem auf ERP oder CRM basierenden System. In beiden Fällen greifen unsere Schnittstellen und die Software, um alle Daten aus den PDF-Dokumenten zu erkennen. In den allermeisten Fällen aktivieren unsere Kunden auch noch das Modul für die automatische Zahlungszuweisung. Wir haben Schnittstellen zu allen deutschen Banken und PayPal. Das versetzt uns in die Lage, den klassischen Rechnungskauf abzubilden und eingehende Zahlungen automatisch zu buchen. Bilendo eignet sich im Übrigen auch dann, wenn alle Rechnungen bezahlt werden. Unsere Daten zeigen, dass nach Einführung der Software die durchschnittliche Zeit zur Zahlung reduziert wird und damit die durchschnittliche Liquidität des Unternehmens steigt.

All dies ist insbesondere auch für Unternehmen der Immobilienbranche interessant. Wir machen die Erfahrung, dass es gerade im Bereich der Hausverwalter und Makler viel Potential für Optimierungen gibt. Beim Hausverwalter ist es sogar noch wichtiger als beim Makler: Nicht selten sendet dieser zahlreiche Rechnungen an Mieter, Käufer und Dienstleister. In den meisten Fällen werden einfache Listen über die offenen Posten geführt oder ein Steuerberater oder eine Steuerkanzlei beauftragt, die Buchführung zu übernehmen. In beiden Fällen birgt Bilendo die Chance, sowohl die Liquidität als auch die Außenwirkung der involvierten Akteure zu stärken. Makler und Hausverwalter können sich so vollständig auf ihr Geschäft konzentrieren und geben das Forderungsmanagement in die Hand unserer Automatik.

I&F Warum drücken sich viele Unternehmen vor dem Mahnwesen? Es ist doch nur recht und billig, das man für seine Leistung auch bezahlt wird.

Mahnen ist unangenehm. Mahnen lädt zur Kritik ein. Mahnen ist zeitaufwändig. Das schlimmste jedoch ist, dass Mahnen erst dann möglich ist, wenn Unternehmen wissen, welche Rechnungen bezahlt, angezahlt oder noch gar nicht gezahlt wurden. Dazu muss irgendwo verwaltet werden, welche Kunden Mahnungen bekommen, wie der Kunden angesprochen werden soll, wie man den Kunden erreicht und welche Mahnstufe ein Kunde hat. Grundsätzlich haben Sie natürlich Recht. Wenn man geleistet oder geliefert hat, dann hat man auch das Recht bezahlt zu werden. Genau hier empfehlen wir unseren Kunden mit ihren eigenen Kunden eine professionelle Kommunikation und ein klares Projektende beziehungsweise Übergabedatum der Leistung oder des Produkts. Wer ordentlich liefert kann auch ordentlich abnehmen lassen. Das macht später die Wahrscheinlichkeit für eine zeitnahe Zahlung auf jeden Fall größer.

I&F Wie genau funktioniert die Software?

Bilendo übernimmt den kompletten Prozess nach Rechnungsstellung. Wir extrahieren entweder Daten aus einer PDF-Rechnung oder verbinden uns direkt mit der Faktura-Software. In beiden Fällen kommen wir zu den Informationen aus den ausgehenden Rechnungen. Durch unsere Bank-Schnittstelle und unseren Algorithmus zur Erkennung und Zuordnung von Zahlungen zu Rechnungen sind wir in der Lage, rund 98 Prozent der Ausgangsrechnungen ohne Mithilfe unsere Kunden zu verarbeiten. Mit der Automatisierung bekommen unsere Kunden vollen Einblick in die Automatik: Am Vortag, besser gesagt am vorherigen Werktag, bekommen Kunden eine Übersicht über die Aktionen, die unsere Automatik tätigt. Greift man dann nicht ein, so geschehen die Aktionen automatisch. Möchte man eine Rechnung oder eine Mahnung nicht beziehungsweise später versenden, muss die Automatik nicht ausgestellt werden. Es ist möglich, die Rechnung oder Mahnung innerhalb der Automatik auf einen anderen Zeitpunkt zu verschieben.

I&F Ist Bilendo eine Standardsoftware oder wird sie jeweils an die vorhandene Infrastruktur in den Unternehmen angepasst?

Beides. Bilendo ist eine Standardsoftware mit offenen Anknüpfstellen. Es gibt viele verschiedene Wege in das System. Je nach Software und Unternehmen wählen wir mit unseren Kunden im Rahmen der 30-tägigen Testphase die beste Alternative aus.

I&F Ist Bilendo kompatibel mit alle gängigen Systemen?

Ja, die Software funktioniert mit jedem System.

I&F Gibt es Wettbewerber?

Ist ein Markt ohne Wettbewerber ein Markt? Vermutlich nur selten. In unserem Fall sind die Wettbewerber vielseitig. Übergreifend können wir feststellen, dass Mahnwesen fester Bestandteil von Software-Lösungen in der Finanzbuchhaltung ist. Zusätzlich ist Mahnwesen ein Teil des Services von Factoring- und Inkassogesellschaften. Bezüglich der Finanzbuchhaltung sind die Softwarelösungen sehr komplex und müssen unfassbares leisten. Die sich ständig wechselnden Anforderungen der Gesetzgeber und die hohen Anforderungen der Kunden sind nur von Experten realisierbar. Natürlich macht es bei diesen Lösungen Sinn, auch den relativ einfachen Prozess des Mahnwesens zu integrieren. Genau so ist auch seit Jahrzehnten. Dennoch bieten wir auch im Zusammenspiel mit diesen Lösungen einen Vorteil für die Anwender ohne dabei die Software an sich in Frage zu stellen. Bilendo ist also ein Aggregat zur bestehenden Software-Lösung.

Betrachtet man erfolgreiche und moderne Factorer, so lässt sich feststellen, dass die Unternehmen ihren Kunden vorschreiben, ein stringentes Mahnwesen zu betreiben. Der Factorer lässt sich dabei alle ausgehenden Rechnungen des Kunden zu Kauf andienen und entscheidet sich im Einzelfall gegen den Kauf einer Rechnung. In absoluten Ausnahmesituationen übernimmt er auch den Prozess des Mahnwesens. Hier kommen wir ins Spiel. Mit Bilendo hat auch der Factorer den Vorteil, dass die Rechnungen professionell "verfolgt" und nachgefasst werden.

Auch Inkassounternehmen bieten den zunächst ähnlichen Prozess an. Der Hauptunterschied liegt jedoch in der Außenwirkung der Rechnungssteller. Durch den Verkauf der Forderung erhalten die Rechnungsempfänger die Rechnungen von einem Dritten. Das verunsichert und verärgert oft - meistens jedoch zugunsten der Zahlungsmoral in Bezug auf die konkreten Forderungen. Übergreifend betrachtet wirkt sich Inkasso also nicht zwingend positiv auf die Kundenbeziehung aus. Das Grundproblem ist jedoch ein anderes. In den meisten Fällen werden Forderungen viel zu spät an ein Inkassounternehmen übergeben. Wir empfehlen daher den strikten und kontinuierlichen Mahn-Prozess mit Bilendo umzusetzen und dann die Forderungen zeitnah an das Inkasso zu übergeben.

So gesehen gibt es, je nach Sichtweise, viele potentielle Wettbewerber oder potentielle Partner. Unsere aktuelle Liste an Partner bestärkt uns in der Annahme, dass viele Unternehmen mit uns gemeinsam den Kundennutzen erhöhen wollen.

I&F Hat die Bilendo-Software die Qualität, "analoge" Inkassobüros zu ersetzen? Ist das überhaupt die Ihre Intention?

Bilendo ist kein Inkassounternehmen. Wir haben auch nicht die Intention, diesen Service abzulösen. Die Funktion, die von Inkassounternehmen erfüllt wird, ist gut und darüber hinaus auch erforderlich. Im Gegenteil ist es vielmehr so, dass Inkassounternehmen, die mit uns gemeinsam die eigenen Mandanten ansprechen, die Anzahl der übernommenen Forderungen je Mandant vervielfachen können. Das ist eine Art "Win-win-win-Situation". Die Mandanten können schneller Forderungen übergeben und erhöhen die Inkasso-Rate. Die Inkassounternehmen wiederum bekommen mehr Forderungen und wir profitieren durch mehr Kunden.

I&F Es gibt drei Pakete, die jeweils unterschiedlich bepreist werden. Sind das die einzigen Einnahmequellen von Bilendo?

Korrekt. Bilendo finanziert sich zu 98 Prozent aus den Einnahmen dieser Pakete. Der kleine Rest entfällt auf Zusatzdienste wie den Postversand.

I&F Mit Bayern Kapital und Main Incubator haben sich bereits zwei große Finanzierer an Ihrem Unternehmen beteiligt, welche Bedeutung hat das für Bilendo?

Die Nähe zu Bank und Staat tut uns aus vielerlei Hinsicht gut. Insbesondere durch Kontakte, Know-How und den starken Reputationseffekt könnten wir uns im Moment keine besseren Partner für die nächsten Monate und Jahre vorstellen.

I&F Gibt es einen Plan über das weitere Engagement dieser beiden Akteure, hinsichtlich Dauer, Ausstieg und Ähnlichem?

Wenn so starke Kooperationen wie die unsere geschmiedet werden dann mit einem klaren Sinn. Dabei ist natürlich alles möglich und denkbar. Für den Moment können wir uns glücklicherweise auf die Produktentwicklung und unsere Kunden konzentrieren.

I&F Was war die Intention der Investoren, wie konnten Sie diese überzeugen?

Ich persönlich denke, dass die Intention der Investoren im Gesamtpaket lag. Bilendo bietet die Möglichkeit den eigenen Kunden unserer Partner ein Innovatives Produkt anzubieten. Das gilt natürlich nicht nur für die Kunden der Commerzbank, sondern für Kunden aller Partner. Das macht unser Unternehmen im Gesamtkontext so spannend. Ich sage immer: Bilendo hebt das Mahnwesen aus der Nische und macht es zum einem Produkt für alle Unternehmen. Warum das für Investoren besonders interessant ist, liegt auf der Hand.

Zur Person

Florian Kappert Geschäftsführer, Bilendo GmbH, München

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