MIPIM-SPECIAL

"INSGESAMT WAR ES EIN SEHR GUTES UND UMSICHTIGES MITEINANDER IN DER KRISE"

Jürgen Fenk, Foto: Philippe Matsas

Innerhalb von gerade einmal zehn Jahren hat die in Frankreich beheimatete Primonial-Gruppe ein Immobilienvermögen in Höhe von über 32 Milliarden Euro aufgebaut. Und der Wachstumskurs soll weiter forciert werden: Mithilfe der im vergangenen Jahr vollzogenen Gründung der paneuropäischen Immobilienplattform Primonial REIM will man zu einem der führenden Immobilien-Investment- und Asset-Manager in Europa aufsteigen. Als CEO für dieses ambitionierte Unterfangen konnte niemand Geringeres als Jürgen Fenk gewonnen werden. Im Interview mit "Immobilien & Finanzierung" gewährt er unter anderem Einblicke in die strategischen Details. Red.

Herr Fenk, Sie haben vor knapp einem Jahr als CEO bei Primonial REIM begonnen. Wie fällt Ihr erstes Zwischenfazit aus?

Sehr positiv, meine Erwartungen haben sich voll und ganz erfüllt. Ich habe hier ein Unternehmen mit sehr talentierten und vielen jungen Mitarbeitern vorgefunden, die wirklich Lust haben, sich strategisch internationaler auszurichten. Primonial REIM hat natürlich auch in der Vergangenheit schon aus dem Heimatmarkt Frankreich heraus in andere europäische Länder investiert, aber jetzt soll dies eben stark forciert werden und eine europäische Plattform entstehen. Das ist die wesentliche Herausforderung, die man mir übertragen hat.

Dass die Wahl auf Sie fiel, war also sicher kein Zufall, noch dazu, da Sie fließend Französisch sprechen.

Richtig, die Erweiterung des Teams um einen nicht französischen CEO unterstreicht noch einmal, dass man sich deutlich europäischer beziehungsweise internationaler aufstellen möchte. Die Tatsache, dass Französisch wie eine zweite Muttersprache für mich ist, macht dabei vieles einfacher für mich, auch wenn die allermeisten Kollegen hervorragend Englisch sprechen.

Klingt nach einem langfristigen Engagement.

Grundsätzlich gehöre ich ja schon fast zu den Dinosauriern in der Branche, weshalb es vermutlich kein extrem langfristiger Horizont mehr sein wird. Aber Spaß beiseite: Es ist definitiv kein Job, der nur auf das Erreichen eines kurzfristigen Ziels ausgerichtet ist. So etwas lässt sich natürlich nie mit 100-prozentiger Wahrscheinlichkeit voraussagen, aber ich kann mir zum jetzigen Zeitpunkt sehr gut vorstellen, hier bei Primonial REIM meine aktive Arbeitszeit einmal zu beenden. Das Spannende an diesem Job ist ja auch, dass er mich intellektuell sehr herausfordert. Das Asset Management ist schließlich ein Segment, das ich bis dato noch nie direkt betreut habe. Und so lerne ich jeden Tag extrem viel, was ich trotz fortgeschrittenen Alters sehr genieße.

Sie waren bekanntlich viele Jahre im Immobilienbanking tätig. Hat Sie die Rückkehr zu einer Bank nicht gereizt?

Nein, als ich 2017 die Helaba verlassen habe, war mir im Prinzip klar, dass ich nicht mehr operativ in eine Bank zurückkehren würde. Nach über 25 Jahren in Banken war einfach der Zeitpunkt gekommen, etwas Neues zu wagen. Und das habe ich nicht bereut. Höchstens ein Aufsichtsratsmandat in einer Bank käme für mich vielleicht noch in Frage, wer weiß. Das ändert aber natürlich nichts daran, dass ich weiter enormen Respekt für die Finanzierer habe, auch die Kontakte zu meinen ehemaligen Peers sind noch immer sehr gut. Insofern weiß ich genau um die Herausforderungen der Institute, was mir in meiner neuen Funktion als eine Art Übersetzer zwischen Kunden- und Bankenseite hilft.

Stichwort "Aufsichtsratsmandat": Ende April sollen Sie in das Kontrollgremium von Vonovia einziehen. Was reizt Sie an dem Posten?

Vonovia SE ist Europas größtes Wohnungsunternehmen und im Dax gelistet. Es ist eine Ehre und eine große Verantwortung, in das Aufsichtsgremium aufgenommen zu werden. Als ehemaliges Aufsichtsratsmitglied der Deutsche Wohnen SE werde ich versuchen, mein Wissen und meine Erfahrung in das kombinierte Unternehmen einzubringen und die weitere Entwicklung zu unterstützen.

Kommen wir zu Primonial REIM: Wie würden Sie das Unternehmen charakterisieren?

Primonial REIM ist die Immobiliensparte der Primonial-Group. Wir sind ein bankenund versicherungsunabhängiger Immobilienvermögensverwalter und Asset Manager, legen also nicht nur institutionelle, sondern auch private Gelder an, insbesondere aus Frankreich.

Mitte 2021 wurde publik, dass der größte Projektentwickler Frankreichs, Altarea, die Primonial-Gruppe von den aktuellen Anteilseignern (Bridgepoint, Latour Capital, Société Générale Assurances) übernehmen wird. Wie ist da der Stand der Dinge?

Die Transaktion verläuft nach Plan. Altarea wird bis Ende Februar die ersten 60 Prozent der Anteile an Primonial REIM erwerben, die übrigen 40 Prozent werden voraussichtlich zum ersten Quartal 2024 übergehen. Wichtig zu verstehen ist zugleich aber, dass der Deal unabhängig von der eingangs erwähnten Strategie erfolgt. Altarea steht voll hinter unserer europäischen Wachstumsstory. Daran wird sich also nichts ändern, ebenso wenig wie im Bereich Governance beziehungsweise Management von Primonial REIM.

Dennoch kommt Ihnen gerade der explizite Immobilienhintergrund von Altarea vermutlich nicht ungelegen, oder?

Sicher erhoffen wir uns davon Synergien, denken Sie nur an das Sourcing von Immobilien. Den größten französischen Projektentwickler als Haupteigner zu haben, kann beim Zugang zu neuen Assets nur von Vorteil sein, auch wenn Altarea künftig natürlich nicht exklusiv für uns entwickeln wird.

Sie haben in den vergangenen Monaten auch ein Rebranding vollzogen. Warum?

Das Rebranding ist ein sehr wichtiger Bestandteil unserer Expansionsambitionen. Bis vor Kurzem gab es nur die französische Einheit Primonial REIM. Um aber in unseren europäischen Zielländern wirklich Fuß zu fassen, braucht es entsprechende Strukturen vor Ort. Deshalb wurden Einheiten in Italien und Luxemburg gegründet. Den deutschen Markt hat man dagegen bereits vor einigen Jahren mit dem Kauf der Aviarent Invest betreten. All diese Tochterunternehmen liefen unter eigenen Namen und somit war das Geschäftsmodell für Außenstehende etwas schwer verständlich.

Deshalb die Gründung einer übergreifenden Holding ...

Richtig. Diese Holding trägt den bestehenden Namen der französischen Einheit, also Primonial REIM. Parallel dazu wurden die vier Ländereinheiten in Frankreich, Deutschland, Luxemburg und Italien jeweils umbenannt in Primonial REIM France, Primonial REIM Germany et cetera. Außerdem haben wir das Logo mit einem frischen Anstrich versehen. Unter dem Strich handelt es sich also um kein radikales Rebranding, wo man sich irgendeinen neuen Fantasienamen oder Ähnliches verpasst. Stattdessen halten wir bewusst an der etablierten Marke Primonial REIM fest, denn sie wird mit nachhaltigem Erfolg assoziiert.

An der Spitze der deutschen Einheit steht seit Kurzem Peter Finkbeiner. Was erwarten Sie von ihm und seiner Truppe?

In Deutschland steht einerseits der Ausbau der institutionellen Kundschaft im Fokus. Andererseits gründen wir aber auch eine KVG, mit deren Hilfe Immobilienfonds für deutsche Privatkunden aufgelegt werden sollen. Da sind wir gerade im Prozess der Lizenzbeschaffung, mit Alexander Tannenbaum konnten wir einen ausgewiesenen Experten dafür gewinnen.

Grundsätzlich muss man sich Primonial REIM aber immer als eine europäische Plattform vorstellen. So verfügen wir beispielsweise über französische Fonds, die Exposure in Deutschland haben und vice versa. Auch gibt es Fonds nach luxemburgischem Recht, die einen paneuropäischen Investmentansatz für eine globale Anlegergruppe verfolgen. Entsprechend wichtig ist somit eine gute Zusammenarbeit unter den Ländereinheiten, denn das deutsche Transaktionsteam sourct eben längst nicht nur für die in Deutschland ansässigen Investoren.

Man kann sich also zeitnah auf einen offenen Publikumsfonds von Ihnen einstellen. Wie sieht es mit deutschen Institutionellen aus, wäre ein Spezial-AIF nach KAGB nicht auch naheliegend?

Also momentan ist diesbezüglich nichts Konkretes geplant, da wir mit unseren Luxemburger Vehikeln die institutionellen Präferenzen umfänglich abdecken können. Sollte sich aber ein nachhaltiges Interesse an deutschen Strukturen ergeben, dann ließe sich das natürlich problemlos über die künftige KVG darstellen.

Nun gilt der hiesige Markt für Immobilien-Publikumsfonds als hart umkämpft. Hinzu kommt, dass Sie ein banken- und versicherungsunabhängiges Haus sind...

Das ist korrekt. Wir sind dennoch davon überzeugt, mithilfe intelligenter Produkte geeignete Vertriebspartner zu finden und damit in diesem Markt Fuß fassen zu können. Da wir momentan mitten in der Antragsstellung für die KVG-Lizenz sind, kann ich noch nicht zu viel verraten, aber ein Produkt wird voraussichtlich im Bereich Gesundheitsimmobilien angesiedelt sein. Das ist eine der Kernkompetenzen von Primonial REIM. Mit über zehn Milliarden Euro Assets under Management sind wir hier sogar europaweit der führende Investor. Und der angenehme Nebeneffekt ist, dass viele der großen deutschen Immobilienfondsanbieter hier nicht übermäßig aktiv sind. Das könnte also eine vielversprechende Nische für uns sein.

Überhaupt darf man nie vergessen, dass das Publikumsgeschäft ganz klar die DNA der Primonial-Gruppe ist. In Frankreich war das der Ursprung der Aktivitäten und man hat sich zu einem der größten Player in diesem Segment entwickelt. Wenn wir jetzt also in Europa kräftig wachsen wollen, dann ist es nur naheliegend, sich auf diese Stärke zu besinnen. Und am deutschen Marktpotenzial mit seinen über 80 Millionen Einwohnern kommt man dabei natürlich auch nicht vorbei.

In wie vielen europäischen Ländern ist Primonial REIM aktiv?

Wir sind in zehn verschiedenen Ländern investiert, sei es über Immobilienfonds oder Club Deals. Unsere Engagements beschränken sich also keineswegs auf die vier Länder, in denen wir mit unseren Ländereinheiten präsent sind. Viele unserer Deals sind grenzüberschreitender Natur, den größten Healthcare-Provider Frankreichs haben wir zum Beispiel bei seinen Konsolidierungsaktivitäten im Ausland via mehrerer Sale-and-Lease-Back-Transaktionen begleitet. Solche Deals sind naturgemäß aufwendiger, aber wir fühlen uns sehr wohl damit.

Stichwort "aufwendig": Der deutsche Markt für Gesundheitsimmobilien gilt als sehr kleinteilig. Entsprechend aufwendig dürfte da der Aufbau eines nennenswerten Portfolios sein, oder?

Ja und nein. Sie haben Recht, der deutsche Healthcare-Markt ist wesentlich fragmentierter als etwa der französische. Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass die Konsolidierung noch bevorsteht. Gerade auf kleinere Betreiber übt die Kombination aus Kostendruck und regulatorischen Veränderungen enormen Druck aus. Und an diesem Prozess wollen wir uns möglichst proaktiv beteiligen, zumal er noch zu halbwegs ordentlichen Preisen vonstattengehen dürfte, auch wenn sich die Renditeperspektiven in den vergangenen Jahren sicher verschlechtert haben.

Wie sieht Ihr Ankaufprofil aus?

Wie sind sehr flexibel unterwegs, das heißt, Einzelassets ab 10 Millionen Euro kommen für uns ebenso infrage wie große Portfoliodeals über eine Milliarde Euro.

Ihr Bestandsportfolio im Wert von 32 Milliarden Euro setzt sich Stand heute zu 47 Prozent aus Büro, 31 Prozent Gesundheit/Bildung, 8 Prozent Handel, 9 Prozent Wohnen und 5 Prozent Hotel zusammen. Wird sich das in den kommenden Jahren verschieben?

Es wird vermutlich zu gewissen Verschiebungen kommen. Ganz grundsätzlich wollen wir natürlich weiterwachsen. Im Zuge dessen dürfte der Wohnanteil, aber auch Hotel, deutlich ansteigen, denn in diesen beiden Assetklassen haben wir uns einiges vorgenommen. Der Anteil der Gesundheitsimmobilien sollte proportional zum Gesamtwachstum mehr oder weniger konstant bleiben. Büro wird hingegen voraussichtlich leicht an Gewicht einbüßen, aber das liegt definitiv nicht daran, dass wir nicht mehr an die Assetklasse glauben. Überhaupt ist das alles ja auch immer eine Definitionsfrage.

Wir schauen uns momentan zum Beispiel den Life-Science-Sektor an, den würden manche ebenfalls unter Büro subsumieren. Retail haben bekanntlich viele pauschal abgeschrieben, das greift aber definitiv zu kurz. Wenn man genau hinsieht, bieten sich auch hier viele spannende Opportunitäten. Das gilt definitiv auch für Logistik, wo wir bislang aber noch nicht aktiv sind, uns aber ein Engagement vorstellen können.

Sie sind also sehr unvoreingenommen.

Richtig, wir sind sehr flexibel. Es gibt keine holzschnittartige Matrix, die unsere Investmentstrategie Land für Land beziehungsweise Assetklasse für Assetklasse festlegt. Das wäre mit Blick auf unsere europäische Plattform auch zu kurz gegriffen. Ja, es gibt Assetklassen wie Büro, die eine lokale Strategie nahelegen. Aber gerade bei Gesundheits- oder Hotelimmobilien muss man aufgrund der oftmals grenzüberschreitend aktiven Betreiber zwangsläufig die europäische Brille aufsetzen.

Sie haben Logistik angesprochen, wo Primonial REIM bislang keine Erfahrung hat. Käme da ein Einstieg über den Zukauf einer etablierten Plattform infrage?

Ausschließen möchte ich das nicht. Wir halten grundsätzlich immer Ausschau nach existierenden Plattformen oder Playern, die potenziell zu uns passen. Anorganisches Wachstum kann Teil unserer Wachstumsstory sein, dass wir es können, haben wir in der Vergangenheit schon mehrmals bewiesen. Die primäre Strategie ist es aber sicher nicht, denn die besteht ganz klar im organischen Bereich.

Dafür braucht es einen guten Zugang zum Transaktionsmarkt. Wie sind Sie diesbezüglich aufgestellt?

In Frankreich, Deutschland und Italien sind wir mit entsprechenden Teams präsent. Gerade in Deutschland und Italien wollen wir die aber noch deutlich ausbauen, weshalb ich viel Zeit bei Bewerbungsgesprächen und dem Onboarding neuer Mitarbeiter verbringe. Beim Sourcing sprechen wir zum einen ganz klassisch mit Brokern, zum anderen versuchen wir natürlich auch, über unsere Netzwerke an Off-Market-Deals zu gelangen. Hinzu kommen die bereits erwähnten Portfoliotransaktionen im Bereich der Gesundheitsimmobilien, die direkt über den jeweiligen Betreiber laufen. Das ist unter dem Strich keine Rocket Science, die meisten anderen Marktakteure handhaben es ganz ähnlich. Umso wichtiger ist es deshalb, gute Leute im Team zu haben, die auch in einem hart umkämpften Wettbewerbsumfeld verlässlich liefern können.

Der Ausbruch der Corona-Pandemie jährte sich kürzlich bereits zum zweiten Mal. Wie ist Ihr Eindruck, stehen die Zeichen auf den europäischen Immobilienmärkten inzwischen wieder auf Wachstum oder herrscht nach wie vor Krisenbewältigung?

Pauschal lässt sich das leider nicht sagen. Was aber definitiv ein ermutigendes Zeichen ist, sind die 2021 auf breiter Front anziehenden Transaktionsvolumina in Europa. Es fließt inzwischen wieder sehr viel Geld in die hiesigen Immobilienmärkte und zwar von überall herkommend. Vor allem die nicht in Europa ansässigen Investoren, die pandemiebedingt ihre Aktivitäten notgedrungen drosseln mussten, kommen derzeit wieder stark zurück.

Wie groß ist in Ihren Augen das Risiko, dass bei Corona das dicke Ende erst noch kommt, beispielsweise in Form einer Insolvenzwelle?

Das ist sicher ein Thema, das man genau im Auge behalten muss. Viele Unternehmen haben ja Hilfsprogramme in Form von Krediten bekommen, die zumindest in Teilen wieder zurückzuzahlen sind. Dass könnte den ein oder anderen Mieter in die Bredouille bringen. Dass daraus aber eine systemische Gefahr für die Stabilität der Immobilienmärkte resultiert, erscheint mir dann doch zu schwarzgemalt.

Hat es Sie überrascht, dass während der Pandemie nicht mehr Druck auf die Preise kam?

Im Einzelhandel waren Bewertungsabschläge ja durchaus zu beobachten. Aber es stimmt, insgesamt blieben die Einschläge sehr überschaubar. Zur Stabilität trug sicher bei, dass Investoren nicht in Liquiditätsnot gerieten und sich zu Notverkäufen gezwungen sahen. Damit konnte eine Negativspirale wie 2008 verhindert werden, hinzu kommen die wesentlich konservativeren Finanzierungsausläufe als damals. Insgesamt war es ein sehr gutes und umsichtiges Miteinander in der Krise, angefangen bei der Regulatorik über die Banken und Investoren bis hin zu den Mietern.

Lassen Sie uns zum Schluss noch über ESG sprechen. Wie geht Primonial REIM da heran?

Auch für uns ist das natürlich ein strategisch extrem wichtiges Thema. Um das zu unterstreichen, haben wir unter anderem eine eigene ESG-Organisation aufgebaut und unser Head of ESG stellt sicher, dass auf der gesamten paneuropäischen Plattform die definierten ESG-Standards eingehalten werden. Vereinfacht kann man es auf drei Ebenen herunterbrechen. Zunächst ist das die Corporate-Ebene und die Frage, was wir als Unternehmen beitragen können. Dann kommt die Fondsebene, auf der sich durch die Schaffung der neuen EU-Produktkategorien derzeit extrem viel ändert, und schließlich die Betrachtung auf Asset ebene, wo insbesondere die konkrete CO2-Reduzierung im Fokus steht.

Was sind Ihre Ziele bei den Fonds?

Die Einstufung als Artikel-8-Fonds ist für das Gros unserer Fonds das Minimalziel, noch besser wäre natürlich die Einstufung gemäß Artikel 9. Wir arbeiten derzeit unter Hochdruck, um diesem Anspruch gerecht zu werden, sowohl bei Neuauflagen als auch den bestehenden Produkten. Das daran kein Weg vorbeiführt, belegen die Gespräche mit institutionellen Investoren: Mit Artikel-6-Fonds fällt man schon heute mehrheitlich durchs Raster.

Und wie sieht es auf der Assetebene aus?

Wir managen ein Immobilienportfolio im Wert von rund 32 Milliarden Euro, Tendenz steigend. Das auf "Grün" zu drehen, ist also ein Marathon und kein Sprint. Jede Assetklasse stellt andere Anforderungen an die energetische Modernisierung und erfordert unterschiedliche Maßnahmen. Im Einkauf achten wir heute jedenfalls sehr viel stärker auf Nachhaltigkeitskriterien und im Bestand versuchen wir über vielfältige Sanierungsmaßnahmen die Energieeffizienz zu verbessern und gleichzeitig den CO2-Ausstoß zu reduzieren.

Denken Sie, dass politisch verordnete Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestands bis 2050 ist realistisch?

Für die Gesamtheit des Gebäudesektors vermag ich das nicht zu beurteilen. Es muss jedenfalls alles darangesetzt werden. Bei Primonial REIM versuchen wir grundsätzlich, dieses riesige Endziel in mehrere konkrete Etappen zu unterteilen. Das ist auch psychologisch ein wichtiger Faktor, denn wenn man immer nur das Jahr 2050 im Kopf hat, besteht die Gefahr, das Problem einfach immer weiter in die Zukunft zu verschieben.

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor bei ESG ist die Datenlage. Deutschland gilt diesbezüglich als rückständig. Können Sie das im direkten Vergleich mit Frankreich bestätigen?

Wiederum kann ich da nur für Primonial REIM sprechen, aber ja, Frankreich scheint diesbezüglich schon ein Stück weiter zu sein. Gerade in Bezug auf Energieverbräuche und CO2-Ausstoß haben wir für unser französisches Portfolio einen höheren Transparenzgrad als in Deutschland.

Werden Immobilien, die nicht energetisch ertüchtigt werden, perspektivisch als Stranded Assets unverkäuflich sein?

Diese Gefahr ist auf jeden Fall real, in ersten Ländern gibt es diesbezüglich ja auch bereits konkrete Anforderungs- beziehungsweise Ausschlusskriterien. Das muss im Umkehrschluss aber nicht automatisch bedeuten, dass eine solche Immobilie keine Verwendung mehr hat. Vorausgesetzt man findet beim Preis zusammen, lässt sich in vielen Fällen sicher ein neuer Eigentümer finden, der eine alternative Version für ein solches Asset hat. Hier sehe ich durchaus, dass ein Markt für Stranded Assets entsteht.

Jürgen Fenk , CEO , Primonial REIM Holding, Paris
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