FACILITY UND PROPERTY MANAGEMENT

"MIT EINER MÖGLICHST BREITEN AUFSTELLUNG KOMMT MAN BESSER DURCH DIESE UNSICHEREN ZEITEN"

Dirk Tönges, Foto: Vivanium

Infolge diverser Übernahmen hat der niederländische Property Manager MVGM innerhalb relativ kurzer Zeit auf inzwischen zehn europäischen Immobilienmärkten Fuß gefasst. Der Eintritt nach Deutschland wurde dabei Anfang 2019 durch den Erwerb der ehemaligen RGM-Tochter Property First vollzogen. Es folgten die Übernahme des Property-Management-Geschäfts von JLL sowie jüngst der Zukauf des Mannheimer Immobilienverwalters Vivanium. Letztere Transaktion brachte schließlich auch Dirk Tönges zu MVGM. Als Geschäftsführer lenkt er seit wenigen Monaten neben Menno van der Horst die Geschicke der MVGM Deutschland GmbH. Welche Ziele er sich auf die Fahne geschrieben hat, verrät er unter anderem im Gespräch mit Immobilien & Finanzierung. Red.

Herr Tönges, was sind Ihrer Einschätzung nach die derzeit wichtigsten Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt?

Viele Dinge sind derzeit bekanntlich im Wandel. Am besten beobachten lässt sich das an den einzelnen Assetklassen: Hotel und Retail haben zuletzt teils schwer gelitten und noch immer ist nicht klar, wo die Reise hingehen wird. Entsprechend viele Investoren orientieren sich nun um und stürzen sich dabei förmlich auf andere Assetklassen. Wohnen wird noch interessanter als es ohnehin schon war, Logistik erfreut sich ebenfalls nochmals gesteigerter Beliebtheit. Beide Nutzungsarten scheinen extrem krisensicher.

Was implizieren diese krisenbedingten Verschiebungen für Sie als Property Manager?

Dass man mit einer möglichst breiten Aufstellung besser durch diese unsicheren Zeiten kommt. Ich würde dabei mit Blick auf das Property Management grundsätzlich aber nicht von einer Krisensituation sprechen. Es handelt sich eher um eine Situation, mit der wir uns intensiv beschäftigen müssen.

Stellt sich neben der Frage "Was man tut?" zunehmend auch die nach dem "Wie"?

Absolut, und in diesem Kontext sind meiner Meinung nach große Veränderungen notwendig, die sich erfreulicherweise aber zunehmend am Markt abzeichnen. Es geht dabei vor allem darum, die Prozesse zu verbessern, digitaler zu werden und Dinge zu automatisieren. Vor nicht allzu langer Zeit war das noch ein extrem papierhaltiges Geschäft, davon entfernen wir uns nun langsam aber sicher.

Ein weiterer wesentlicher Trend besteht in der voranschreitenden "Europäisierung" von Mandaten: Kunden, die in vielen Teilen Europas investieren, legen zunehmend Wert darauf, dass der Property Manager ebenfalls eine breite, grenzüberschreitende Aufstellung hat. Wer nur in einem Land aktiv ist, fällt da schnell durchs Raster.

Wie beurteilen Sie die Vergabepraxis anno 2020? Orientieren sich Investoren vor allem am Preis oder findet ein Umdenken statt - auch weil das PM als Werttreiber erkannt wurde?

Jedem, der sich auf Investorenseite ein wenig mit PM beschäftigt, ist vollkommen klar, dass man nicht allein über den Preis gehen kann. Dafür ist die Fülle an relevanten Leistungen inzwischen einfach zu groß: Sei es Umwelt, Datenschutz oder Compliance - all diese Themen genießen einen hohen Stellenwert und finden dementsprechend in den meisten Ausschreibungen Berücksichtigung.

Deshalb glaube ich, dass wir mittlerweile weg sind von dem reinen Preismodell. Es gibt natürlich nach wie vor Ausschreibungen, wo es nur um den Preis geht. Aber für MVGM ist das eher irrelevant. Uns geht es nicht darum, der Größte zu sein, sondern wir wollen uns ganz klar über den Faktor Qualität definieren.

Man muss sich dabei natürlich in einem gewissen Rahmen bewegen, aber die entscheidende Frage ist doch, ob man die Prozesse, die Flexibilität, die Regionalität, die Zusatzleistungen und auch die Sicherheit für den Kunden verlässlich gewährleisten kann.

Wie verhält es sich beim Thema Out- beziehungsweise Insourcing von PM-Leistungen?

Diese Frage taucht im Laufe der Zeit immer wieder auf, fast wie in Zyklen. Einmal neigen Investoren dazu, das Property Management inhouse zu erbringen, weil sie etwa der Überzeugung sind, das besser zu können und dabei mehr Zugriff und Datensicherheit zu haben. Einige Zeit später merken sie dann aber, dass es doch schwieriger ist und fassen deshalb den Beschluss zum Outsourcing.

Ich will da gar nicht von Trends sprechen, aber das ändert sich wirklich laufend und dieses Phänomen wird es auch in Zukunft geben. Wir als Property Manager können dabei letztlich nur eines tun: Wir müssen diese Entscheidung über Insourcing mithilfe hoher Qualität so schwierig wie möglich für den Auftraggeber machen. Mit Blick auf MVGM mache ich mir da überhaupt keine Sorgen.

Wo liegen die Margen im PM denn ungefähr? Im FM sollen sie im Durchschnitt ja gerade einmal bei zwei bis drei Prozent liegen.

Auch im Property Management ist das Geschäft verglichen mit anderen Leistungen rund um die Immobilie nach wie vor ein margenarmes. Aber mit zwei Prozent geben wir uns nicht zufrieden, auch für das FM ist das meinem Empfinden nach zu tief gestapelt. Wir bewegen uns natürlich im einstelligen Bereich, aber doch höher als zwei Prozent.

Wie hat sich die Rolle des Property Managers in den vergangenen Jahren gewandelt? Wachsen Asset Manager zunehmend in die klassischen Verwalteraufgaben, wie etwa Vermietung, hinein?

Das Property Management beinhaltet insbesondere das operative Objektmanagement und existiert bereits seit vielen Jahren. Infolge von Internationalisierung und Institutionalisierung des Immobiliengeschäfts hielt dann schließlich auch das Asset und Portfolio Management Einzug. Das Asset Management greift dabei auf die regionale Kompetenz des Property Managers zu und definiert den von ihm zu erbringenden Leistungsumfang: Dazu gehören das Reporting, die Vorort-Leistung und zumeist etwas Technik.

Mittlerweile ist es allerdings so, dass gerade Themen wie die Vermietung oder große technische Maßnahmen vom Asset Manager gerne selbst übernommen werden, weil das eben auch noch vergleichsweise margenstark ist. Unser Anspruch als MVGM ist es grundsätzlich jedoch, nicht nur Basisleistungen anzubieten. Da wir uns mit der betreuten Immobilie sehr gut auskennen und zudem direkt vor Ort sind, wollen wir gerade auch den Technikbereich bedienen.

MVGM ist infolge dreier Übernahmen in Deutschland zuletzt kräftig gewachsen. Was waren die Beweggründe?

Für MVGM als niederländisches Unternehmen gilt, dass die Möglichkeiten zur Expansion am Heimatmarkt per se ziemlich limitiert sind. Deshalb wurde der Plan gefasst, europäisch zu werden. Mit dem ersten Zukauf der Property First erfolgte dabei der Eintritt auf den deutschen Markt. Mit dem zweiten, sprich der PM-Sparte von JLL, hat man die regionale Abdeckung des Europageschäfts erreicht. Was dann noch fehlte, war vor allem die Bedienung der Assetklasse Wohnen. Und diese Lücke wurde nun mit dem Kauf der Vivanium geschlossen.

Die Entwicklung ist also sehr logisch und nachvollziehbar: Zunächst der Schritt aus Holland raus auf den deutschen Markt - einem der größten und vielversprechendsten im PM-Bereich -, dann die Europäisierung und schließlich die gezielte Erweiterung um eine Schlüssel-Assetklasse.

Würden Sie allgemein von einem steigenden Konsolidierungsdruck am Property-Management-Markt sprechen?

Schwer zu beurteilen. Für die These spricht sicher das gerade bei kleineren Akteuren oftmals ungeklärte Thema der Nachfolgeregelung. Für MVGM gilt dabei grundsätzlich aber immer die Devise: Wir kaufen nicht, um zu wachsen, sondern um damit bestimmte strategische Ziele zu erreichen, beispielsweise die eben skizzierten Themen Regionalität und Erweiterung der Assetklassen. Davon abgesehen haben wir inzwischen die notwendige Größe erreicht, um auch auf organischem Weg signifikant wachsen zu können.

War das Timing der Expansion von MVGM im Rückblick unglücklich, insbesondere mit Blick auf den Kauf von Vivanium im Juni 2020? Sprich hätte man hier unter Umständen noch Abschläge beim Kaufpreis erzielen können?

Das glaube ich nicht. Abschläge wären ja nur dann ein relevantes Thema, wenn sich aufgrund der Pandemie die wirtschaftlichen Bedingungen des Unternehmens negativ verändert hätten. Aber Vivanium verfügt mit rund 15 000 Wohnungen und einem großen Gewerbeportfolio über ein sehr robustes Geschäftsmodell. Da hat Corona praktisch keinerlei Auswirkungen gehabt und somit war diese Frage auch nicht Gegenstand der Verhandlungen. Das Ganze war letztlich vielmehr eine Frage der Zeit, denn man konnte sich bekanntlich nicht treffen und Termine beim Notar waren nicht möglich.

Wie läuft nun die Integration der Zukäufe?

Wir sind sehr zufrieden. Bei Property First und dem JLL-Property-Management ist die Verschmelzung bereits abgeschlossen und auch bei Vivanium haben wir einen klaren Plan. In einem ersten Schritt geht es dabei vor allem um die Zusammenlegung der Standorte.

Wurden dabei auch Standorte geschlossen?

Nein, wir haben in Deutschland alle 13 Standorte der fusionierten Unternehmen erhalten. Lediglich innerhalb der Standorte wurden Niederlassungen zusammengelegt, so wurde etwa in Frankfurt am Main aus drei Niederlassungen eine. Das macht ja auch Sinn, schließlich will die MVGM-Gruppe in Deutschland künftig als ein Unternehmen wahrgenommen werden. Dafür müssen wir an den Standorten zusammenziehen und einheitliche Strukturen und Prozesse etablieren.

Beschränken sich die Synergien somit auf Kosteneinsparungen, wie sie aus solchen Standortzusammenlegungen resultieren?

Nein. Der eigentliche Wert, den wir durch die Fusionen geschaffen haben, ist die Bündelung einer riesigen Menge an Knowhow. Das zahlt sich beispielsweise bei der Arbeit mit Yardi, einer Property-Management-Software, aus: Hier verfügen wir mittlerweile über sehr viel länderübergreifende Kompetenzen, die es uns ermöglichen, eine ganz andere Qualität abzubilden. Nicht zu unterschätzen ist natürlich auch die bereits erwähnte Aufstellung: Wir haben alle Assetklassen im Portfolio und sind in zehn europäischen Ländern vertreten.

Können Sie bei der Digitalisierung von den Erfahrungen der niederländischen Mutter lernen?

In der Tat profitieren wir davon enorm. In den Niederlanden ist man bei diesem Thema schon deutlich weiter, da gibt es keinen Zweifel. Man denke nur einmal daran, wie hierzulande heute teilweise noch umständlich und analog mit Rechnungen hantiert wird. Hier bietet sich also sehr viel Optimierungspotenzial und die MVGM hat die besten Voraussetzungen, um diese zu heben und sich dadurch im Wettbewerb abzusetzen.

Welche Rolle spielt mangelnde Datenqualität?

Die Frage nach der Validität beziehungsweise Korrektheit der Daten ist momentan leider nach wie vor eine der größten und zugleich zeitraubendsten Probleme für den Property Manager. Er verbringt deshalb auch oftmals noch zu viel Zeit im System, anstatt sich seiner eigentlichen Kernaufgabe, sprich der Immobilie und deren Mieter, zu widmen.

Wie beeinflusst das Thema Nachhaltigkeit Ihre Arbeit?

Es wird ohne Zweifel immer stärker auf die Nachhaltigkeit einer Immobilie geachtet. Das stellt auch neue Anforderungen an den Property Manager. Wenn heute beispielsweise ein Fonds aufgelegt wird, dann definiert dieser für sich Nachhaltigkeitskriterien, die in der Ausschreibung an den Property Manager weitergegeben werden und die es zu erfüllen gilt. Auch hier dreht sich wieder vieles um das Thema Datenqualität. Die Digitalisierung von Prozessen wird beim Erreichen der Nachhaltigkeitsziele im Gebäudesektor noch eine ganz entscheidende Rolle spielen.

Sie haben angedeutet, dass der stark anorganische Wachstumskurs nun zunehmend von einem organischen abgelöst werden dürfte. Wo sehen Sie hier das größte Potenzial?

Ich gehe davon aus, dass wir uns vor allem im Bereich Wohnen signifikant vergrößern werden. Schon allein deshalb, da die Nachfrage hier entsprechend hoch ist. Im Übrigen werden wir Anfang 2021 unseren 14. Standort in Deutschland infolge der Übernahme eines Wohnportfolios eröffnen, und zwar in Freiburg. Damit haben wir das Bundesgebiet dann sehr gut abgedeckt.

Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass Logistik stark an Bedeutung gewinnen wird. Der PM-Bedarf im Bereich Retail/Shoppingcenter dürfte dagegen eher stagnieren, während ich im Bürobereich wie in den vergangenen Jahren einen kleinen Zuwachs erwarte.

Das Property Management im Bereich Wohnen gilt als sehr wettbewerbsintensiv und wenig lukrativ. Wie stehen Sie dazu?

Wohnen ist zweifellos ein Massengeschäft, dafür aber zugleich eines, in dem die Reglementierung ziemlich eindeutig ist: Es gibt beispielsweise sehr klare Vorgaben zur Betriebskostenabrechnung. Daraus folgt wiederum, dass sich in diesem Bereich noch sehr viel optimieren lässt. Zudem ist die Assetklasse wirklich sehr krisenunabhängig. Wohnen muss man immer!

Bei den Nutzungsarten ist viel durcheinander gekommen. Wie würden Sie die Erholung der einzelnen Segmente beschreiben?

Leider ist auch meine Glaskugel momentan noch ziemlich trübe. Nach einigen Hoffnungsschimmern im Sommer scheint sich die Lage für die besonders hart getroffenen Assetklassen derzeit wieder zu verschärfen. Mit Blick auf den Einzelhandel glaube ich aber zumindest, dass sich die Art des Einkaufens nachhaltig verändern wird. Wenn Sie heute in ein Shoppingcenter gehen, ist das eine ganz andere Erfahrung als noch vor einem Jahr, und zwar nicht im positiven Sinne. Da dürfte sich das Konsumentenverhalten also verschieben, die Leute werden gezielter einkaufen gehen und zugleich mehr über das Internet erledigen.

Wie verfahren Sie mit kriselnden Mietern im Retailbereich?

Wir sind natürlich laufend Gesprächen mit Mietern und Vermietern, schließlich gilt es einen langsamen Knockout des Mieters zu vermeiden. Gerade in den Shoppingcentern mit einem hohen Anteil an Gastronomie ist die Lage mitunter kritisch. Es ist aber zugleich oftmals sehr schwierig, schnelle Lösungen zu finden. Man muss hier einfach abwarten, wie sich die Situation weiter entwickelt. Wer hat die Kraft das durchzustehen und wer nicht? Da wird es in den nächsten Monaten sicher noch so manche Überraschung geben.

Wie beurteilen Sie die Assetklasse Office?

Ich bin hier nicht so pessimistisch wie andere. Ich glaube zwar schon, dass wir nicht mehr so viele Mitarbeiter in Büroimmobilien haben werden. Aber daraus ergibt sich nicht automatisch ein Weniger an Fläche: Wir werden diese letztlich nur anders nutzen. Es geht unter anderem darum, den Mitarbeitern mehr Freiräume zu geben, was wiederum mehr Fläche erfordert. Diese Effekte dürften sich in etwa die Waage halten.

Das Verhältnis zwischen Vermietern und Mietern wurde während der Corona-Krise mitunter als strapaziert beschrieben, insbesondere im Retailsegment. Wie war Ihr Eindruck?

Wir als Property Manager stehen da natürlich zwischen Baum und Borke, können grundsätzlich aber beide Seiten gut nachvollziehen. Es gab schon einzelne Fälle, in denen wir einem Auftraggeber empfohlen haben, etwas nachsichtiger zu sein - nicht zuletzt im Eigeninteresse. Einen neuen Mieter in Krisenzeiten zu finden, ist schließlich nicht einfach. Abgesehen von wenigen Hardlinern hat diese Logik meiner Beobachtung nach aber das Handeln der meisten Eigentümer beziehungsweise Vermieter bestimmt. Entsprechend kulant agierte das Gros von ihnen und bemühte sich um einvernehmliche Lösungen.

Wie genau sahen diese Lösungen aus?

Zum Beispiel wurden vorfristige Mietvertragsverlängerungen bei temporär reduzierter Miete vereinbart. Auch komplette Stundungen oder Ratenzahlungsvereinbarungen gehörten zu den insgesamt vielen guten Ansätzen. Aber es gab auch einige wenige Härtefälle, denen all das nicht geholfen hätte. Da ist der einzig richtige Weg dann der, möglichst schnell rauszukommen und neu zu vermieten. Denn wenn kein Geld mehr zu holen ist, macht es natürlich keinen Sinn, weiterzumachen. Auch da sollte man sich dann aber kulant zeigen und nicht unbedingt auf Kündigungsfristen pochen.

ZUR PERSON DIRK TÖNGES Geschäftsführer, MVGM Deutschland GmbH, Frankfurt am Main
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