BANKEN, IMMOBILIEN UND DAS RISIKO

PHILIPP OTTO CHEFREDAKTEUR, Foto: Verlag Helmut Richardi

Manche Dinge ändern sich nicht so schnell, auch nicht in einem so außergewöhnlichen Jahr wie dem vergangenen. Die Nachfrage nach halbwegs rentabler und dann auch noch sicherer Anlage bleibt hoch. Wäre Corona mit all den Einschränkungen nicht gewesen, 2020 würde als ziemlich normales Immobilienjahr in die Geschichte eingehen. Die Transaktionsvolumina in Deutschland liegen zwar um gut 10 Prozent unter dem Rekordjahr 2019, aber verzeichnen immer noch das zweitbeste Ergebnis aller Zeiten. Und das gilt nicht nur für Gewerbe-, sondern auch für Wohnimmobilien. Auch im Baugewerbe zeigen sich noch keine Bremsspuren. Laut Statistischem Bundesamt stieg der Umsatz im Bauhauptgewerbe von Januar bis November 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 3,4 Prozent. Die Renditen verharren auf niedrigerem, aber noch erträglichem Niveau. Und die Preise für Immobilien erweisen sich nach wie vor als recht stabil. Diese sehr generelle Zusammenfassung gilt natürlich nicht für das eine oder andere Einzelschicksal, das es selbst in normalen oder gar guten Jahren immer geben darf und geben muss.

Doch normal war 2020 gar nichts. Die Corona-Pandemie hatte und hat die Welt fest im Griff und der Politik fehlten und fehlen die Antworten. Zumindest solche, die nachhaltig Hoffnung auf Besserung versprechen. Das wird natürlich Spuren hinterlassen - in der Gesellschaft, aber auch in der Wirtschaft und der Immobilienwirtschaft. Es wird Assetklassen geben, die von den gegenwärtigen Entwicklungen eher profitieren. Wohnimmobilien beispielsweise. Vor allem dürfte geförderter Wohnraum in den Fokus von Investoren rücken. Laut Savills entfielen im Januar 39 Prozent des gesamten Transaktionsvolumen am Wohnungsmarkt auf geförderte Wohnungen. Zu den Immobilien, die auch während der Krise stabile Cashflows liefern, zählen daneben Logistikimmobilien, Lebensmittelmärkte, Büros, wenn sie lange Mietverträge mit der öffentlichen Hand oder anderen bonitätsstarken Nutzern aufweisen, sowie Nischen wie etwa Rechenzentren. Andere Branchen dagegen leiden, was sich auch am Immobilienmarkt bemerkbar macht: Tourismus, Gastronomie und Einzelhandel sind von den Lockdowns natürlich erheblich betroffen und werden sich so schnell nicht erholen. Eine flächendeckende Preiserosion ist dennoch nicht zu erwarten, da die Nachfrage weiterhin hoch ist, es keinen nennenswerten Leerstand gibt und die Geldpolitik Immobilieninvestitionen weiterhin beflügelt.

2020 war ein Ausnahmejahr mit dem größten realen Stresstest in der jüngeren Geschichte. Und angesichts der derzeitigen Entwicklungen bei Impfungen, möglichen Lockerungen, anhaltenden Schließungen und Ähnlichem wird auch 2021 noch keineswegs wieder Normalität einkehren. Entsprechend schwer fällt es Banken und Wirtschaftsakteuren, halbwegs verlässliche Prognosen für die nächsten ein oder zwei Jahre abzugeben. Denn natürlich werden Kredite ausfallen, die Frage ist nur, wann und wie groß die daraus resultierenden Löcher sein werden - das hängt stark von Dauer und Umfang der staatlichen Stützungsmaßnahmen ebenso wie von der weiteren konjunkturellen Erholung ab. Mit der Inflation kommt nun auch noch ein zusätzlicher Risikofaktor hinzu, der in den vergangenen Jahren überhaupt keine Rolle gespielt hat.

Insgesamt zeigt sich aber nach wie vor: Der deutsche Immobilienmarkt ist gesund und stabil. Entsprechend droht den Finanzierern, in erster Linie den Banken, noch kein allzu großes Ungemach. Hier macht sich natürlich in erster Linie das Beleihungswertprinzip bezahlt, da die Finanzierer nicht jede Preissteigerung eins zu eins mitgehen können. Von daher sind die Forderungen nach einer Anpassung an aktuelle Begebenheiten vor allem auf der Zinsseite sicherlich gerechtfertigt. Diese sollten aber sehr behutsam und mit viel Augenmaß vorgenommen werden. Hinzu kommt die Langfristigkeit der Kreditbeziehungen, da Veränderungen auf der Zinsseite erst mit Zeitverzögerung weitergeben werden können. Sollte es durch die Umsetzung von Basel III wie befürchtet zu einer Benachteiligung langlaufender Finanzierungen durch höhere Eigenkapitalanforderungen kommen, wäre das durch die Laufzeitenverkürzung bedingten höheren Preisschwankungen auf den Immobilienmärkten mit Blick auf die Stabilität der Immobilienfinanzierung und der Finanzstabilität natürlich kontraproduktiv.

Für die Bankenaufsicht heißt all das, wachsam zu sein, aber auch nicht übervorsichtig. Denn sollte die Erhöhung der aufsichtlichen Intensität zu früh kommen, wird daraus schnell eine Art selbsterfüllende Prophezeiung. Wenn man beispielsweise intensivst nach möglichen Quellen für Kreditausfälle sucht, wird man welche finden und dann werden als Reaktion die Risikovorsorgen zwangsläufig steigen. Auch sind Kapitalpuffer natürlich wichtig, wie sich nicht zuletzt in der aktuellen Situation zeigt, deren Herausforderungen die Institute durchaus gut gestärkt begegnen können. Ob man zusätzlich zum "Gebot", keine Dividenden auszuschütten, noch die Bankenabgabe erhöhen muss, mag übertrieben sein. Vdp-Präsident Louis Hagen spricht sogar von einer "regulatorischen Giftmischung". Denn auch zu viel Eigenkapital kann die Kreditversorgung abwürgen.

Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft
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