Entwarnung

Philipp Otto

Foto: Fritz Knapp Verlag

Die Deutsche Bundesbank sorgt sich. Sie fürchtet, einen ähnlichen Fehler zu machen wie 2008, als Aufseher in den USA und Europa die potenziell von den Immobilienmärkten ausgehenden Risiken unterschätzt haben. Entsprechend warnt die Bundesbank seit geraumer Zeit vor den wachsenden Risiken für die Finanzstabilität. Sie hat auf Empfehlung des Finanzstabilitätsrates sogar extra neue makroprudentielle Instrumente entwickelt, die mittlerweile zwar abgeschwächt wurden, aber immer noch erhebliche Eingriffe in die Immobilienkreditvergabe der Banken samt Offenlegungspflichten der Schuldner ermöglichen. Dass in den Immobilienmärkten, so stabil und sicher sie auch immer sein mögen, ein gewisses Risikopotenzial steckt, ist unbestritten. Für eine Blase und einen daraus folgenden Crash müssen aber mehrere Faktoren zusammenkommen. Andreas Dombret, für die Bankenaufsicht zuständiges Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank, hat diese jüngst wie folgt charakterisiert: "Erstens muss ein Preisanstieg vorliegen, der durch fundamentale Faktoren wie zum Beispiel die volkswirtschaftliche Lage nicht mehr oder nur noch unzureichend erklärt werden kann. Zweitens wächst das Volumen an Immobilienkrediten übermäßig. Drittens lockern Banken ihre Standards bei der Kreditvergabe, um vom Boom an den Immobilienmärkten zu profitieren." Als er dann noch hinzufügte, dass er sich als Bankenaufseher ernste Sorgen mache, weil die Ampeln bei allen drei genannten Faktoren langsam auf gelb oder gar dunkelgelb gesprungen sind, konnte man das schon als echte Warnung verstehen.

Wohl aus dieser Sorge der Aufsicht heraus spielte das Thema "Wohnimmobilienkreditvergabe" denn auch eine größere Rolle im jüngsten von Bundesbank und BaFin durchgeführten Stresstest bei 1 555 kleineren und mittleren Banken und Sparkassen in Deutschland. Das sind 88 Prozent aller deutschen Institute, die mit einer aggregierten Bilanzsumme von 3 000 Milliarden Euro für rund 41 Prozent des deutschen Bankensektors stehen. Die Ausgangslage ist bekannt. Die Preise steigen und steigen - laut Stresstest um rund 50 Prozent seit 2010, was mittlerweile zu einer geschätzten Überbewertung von 15 bis 30 Prozent in deutschen Städten geführt hat. Außerdem stellt die Bundesbank ein kontinuierliches Wachstum der Wohnimmobilienkredite im selben Zeitraum fest, wobei gerade die kleinen und mittelgroßen Institute schneller zulegten als der Gesamtmarkt.

Ist das nun bedrohlich? Stehen wir- wie so manche Auguren warnen - schon in der nächsten Immobilienblase und vor dem nächsten Crash? Mitnichten. "Unsere Erhebung zeigt aktuell für Deutschland auch ein Stück weit Entwarnung. Wir beobachten bei den Vergabestandards und Kreditkonditionen keine weitreichende Lockerung - eine deutliche Aufweichung wäre ein Anzeichen für das Entstehen einer die Finanzstabilität gefährdenden Immobilienblase. Diese sehen wir aber nicht", so Raimund Rösler Exekutivdirektor Bankenaufsicht der BaFin. In der Tat sind die Ergebnisse der Umfrage beruhigend. Die Kreditgröße ist zwischen 2014 und 2016 von 92 000 Euro auf 110 000 Euro gewachsen und auch die Zinsbindung ist mit 8,9 Jahren im Durchschnitt ein Jahr länger als noch vor zwei Jahren. Die Kapitalbindung betrug 2016 rund 23 Jahre im Vergleich zu 22,6 Jahren 2014. Der durchschnittliche Zinssatz ist von 2,4 Prozent auf 1,7 Prozent gesunken, was natürlich auf die Margen drückt, aber die Einsparungen werden von den Kreditnehmern zu deutlich mehr Tilgung genutzt. Die Tilgungsquote liegt mittlerweile bei stolzen 3,8 Prozent. Und die Institute halten auch dem echten Stressszenario stand. So wurde ein Einbruch der Wohnimmobilienpreise bundesweit um 20 Prozent (adverses Szenario) beziehungsweise 30 Prozent (extremes Szenario) einhergehend mit einer massiven konjunkturellen Abkühlung simuliert. Dies führt dann zwar über einen erhöhten Wertberichtigungsbedarf und einen Anstieg der risikogewichteten Aktiva zu Verlusten bei einigen Banken. Insgesamt aber würde die harte Kernkapitalquote im adversen Szenario nur um 0,5 Prozentpunkte sinken, im extremen Fall um 0,9 Prozentpunkte.

Es zeigt sich also das, was die Profis schon lange gesagt haben. Der deutsche Immobilienmarkt ist gesund und stabil. Hier macht sich natürlich in erster Linie das Beleihungswertprinzip bezahlt, da die Finanzierer nicht jede Preissteigerung eins zu eins mitgehen können. Hinzu kommt die Langfristigkeit der Kreditbeziehungen, die Veränderungen erst mit Zeitverzögerung weitergeben würden. Und drittens schließlich sind die Preisanstiege vor allem nachfragegetrieben. Nicht umsonst sind die Angebotsknappheit und die Schaffung neuen, bezahlbaren Wohnraums das beherrschende Thema im Wahlkampf.

Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft
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