Fragwürdiger Instrumentenkasten

Philipp Otto

In der Theorie ist vieles klar und einfach. So braucht man den Vorstellungen der Vertreter der klassischen Wirtschaftslehre zufolge nur sämtliche störenden Nebenbedingungen auszublenden und allein auf die freien Marktkräfte zu vertrauen, um immer wieder einen Zustand zu erreichen, der ohne äußeres Zutun einem stabilen Gleichgewicht zustrebt. Doch die Realität sieht stets etwas anders aus. Davon kann der Wohnungsmarkt ein Lied singen. Denn zu den massivsten staatlichen Eingriffen in der Bundesrepublik Deutschland kam es nach dem Zweiten Weltkrieg.

Da knapp ein Viertel des Wohnungsbestandes zerstört war und mehr als zwölf Millionen Flüchtlinge untergebracht werden mussten, wurde die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum zur wichtigsten Aufgabe des Staates. Auch heute noch kommt der Wohnungsmarkt kaum ohne staatliche Interventionen aus, denn er ist kein Markt wie jeder andere. Auch heute noch ist ein Teil der Bevölkerung nur unzureichend mit Wohnraum versorgt - Tendenz nicht zuletzt ob der Flüchtlingswelle steigend. Das ruft erneut den Gesetzgeber auf den Plan. Beispiel Mietpreisbremse, die Wohnraum bezahlbar erhalten soll. Auch wenn dieses Instrument nicht flächendeckend zum Einsatz kommt, so ruft es doch massive Kritik hervor, nicht nur von der Immobilienwirtschaft selbst, sondern auch von der Deutschen Bundesbank, die in ihrem Monatsbericht Anfang 2013 warnt: "Die Regulierung von Mieten ist ein Eingriff in die Preisbildung, die nur aus guten Gründen in Erwägung zu ziehen ist. Die Begrenzung von Mietsteigerungen bei Neuverträgen birgt nicht zu unterschätzende Risiken im Hinblick auf die Verzerrung marktgerechter Anreize zur Schaffung neuen Wohnraums."

Nun ist es aber just diese Deutsche Bundesbank, die im Rahmen der makroprudenziellen Aufsicht über deutliche Eingriffe in den Markt nachdenkt. "Um systemischen Risiken aus der Wohnimmobilienfinanzierung effektiv vorbeugen oder sie eindämmen zu können, sind Instrumente, die direkt an der Kreditbeziehung zwischen Kreditgeber und -nehmer ansetzen, eine sinnvolle Ergänzung", heißt es im Finanzstabilitätsbericht 2015. Folgende vier Instrumente befinden sich gerade im gesetzgeberischen Prozess: 1. Eine Obergrenze für das gesamte Fremdkapitalvolumen einer Wohnimmobilienfinanzierung relativ zum Marktwert der Sicherheit (Kreditvolumen/Immobilienwert-Relation). 2. Eine Vorgabe für den Zeitraum, innerhalb dessen ein Teil des Darlehens zurückgezahlt werden muss oder eine maximale Laufzeit (Amortisationsanforderung). 3. Eine Obergrenze für den Schuldendienst im Verhältnis zum Einkommen (Anforderung an Schuldendienst). 4. Eine Obergrenze für die Gesamtverschuldung relativ zum Einkommen (Gesamtverschuldungs/Einkommens-Relation.

Natürlich kann man diese Instrumente lediglich als Werkzeugkasten betrachten, der wahrscheinlich nicht zum Einsatz kommen wird, denn ernsthafte Risiken aus dem Wohnimmobilienmarkt für die Finanzstabilität sieht die Bundesbank nicht. Und selbstverständlich kann man die Wirkung der Maßnahmen, sollten sie doch angewendet werden, abmildern, indem statt starrer Werte eine gewisse Bandbreite bei der Erfüllung der Vorgaben zugestanden wird. Aber natürlich hat das eine neue Qualität, denn die Eingriffe der Aufseher betreffen nicht nur die Banken, sondern auch die Bundesbürger, die über die Offenlegungspflichten von Vermögensverhältnissen sicherlich nicht erfreut sein werden. Und sie wirft nach wie vor viele Fragen auf: Wie werden beispielsweise Erspartes oder andere Vermögensgegenstände berücksichtigt? Wie sollen über alle Banken und alle Regionen und alle Bürger hinweg richtige (!) Werte ermittelt werden? Wo bleibt Individualität bei der Ermittlung von Beleihungswerten und/oder der individuellen Tragfähigkeit zur Schuldentilgung? Werden damit nicht alle Institute als Hasardeure abgestempelt, die nicht richtig rechnen können? Das Problem ist doch eigentlich ein ganz anderes. Die EZB hält den Zinssatz niedrig und stellt enorme Mengen an Liquidität zur Verfügung. Vieles davon fließt mangels rentabler Anlagealternativen in den Immobilienmarkt. Zudem ist die übliche Steuerung über Lombard- und Diskontsatz längst außer Kraft gesetzt. Es kann aber deshalb nicht richtig sein zu versuchen, mit zweifelhaften Instrumenten dem Markt diese Liquidität wieder zu entziehen. Denn die Ausweichkräfte des Marktes sind nicht zu unterschätzen, was eine Fülle neuer Regelungen und Instrumente nach sich ziehen würde. Richtig wäre es, an den Ursachen anzusetzen, was politisch aber nicht gewollt ist. Armer Draghi, arme Bundesbank, armer Wohnungs- und Immobilienmarkt.

Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft
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