Geballter Raum

Philipp Otto

Ein Häuschen im Grünen, Kinder, die im Garten spielen, nette Nachbarn, beschauliche Ruhe, ausreichend Parkraum vor der Tür, der Blick in den freien Himmel, den Sonnenuntergang auf der Terrasse genießen - was lange Zeit als Sinnbild für ein schönes Zuhause galt, hat heute offensichtlich ausgedient. Stadt ist in, je größer, je besser scheint sich eine zunehmende Zahl an Menschen zu denken. Klar, hier sind die Wege kürzer, das Angebot an Arbeits- und Ausbildungsstellen ist weitaus größer, das Freizeitangebot vielfältiger. Das Beispiel Frankfurt am Main: Die Mainmetropole wächst derzeit um rund 300 Bewohner pro Woche. Aktuell leben etwa 724 000 Menschen in der Stadt.

Damit sind Prognosen, die erst im Jahr 2020 eine Einwohnerzahl von 725 000 Bürgern errechnet haben, bereits heute Makulatur. Das Institut der deutschen Wirtschaft geht von einem Anstieg der Bevölkerungszahl bis 2030 auf 850 000 Menschen aus.

Diese Zahlen zeugen zunächst einmal von der hohen Attraktivität der "Bankenstadt" am Main. Ähnliches gilt für die übrigen Metropolen. In München steigt die Zahl der Haushalte Schätzungen zufolge bis 2030 um 35 Prozent. Aber die Pendelbewegungen stellen Stadtverantwortliche wie Immobilienwirtschaft natürlich auch vor enorme Herausforderungen. All diese Menschen wollen wohnen, einkaufen, arbeiten, Autofahren, Radfahren und die öffentliche Infrastruktur nutzen. Und selbst, wenn die Mittel dafür sogar bereitstehen sollten, es fehlt oft schlicht der Raum. Eine Folge ist: Der Wohnraum in deutschen Ballungszentren wird bis zum Jahr 2030 deutlich knapper. In zehn großen Städten und Regionen könnten dann bis zu einer Million Wohnungen fehlen - eine gleichbleibende Bautätigkeit vorausgesetzt. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie "Wohnen in Deutschland im Jahre 2045" der Forschungsgesellschaft Prognos. Am größten ist die voraussichtliche Lücke in Berlin mit 173 000 fehlenden Wohnungen, gefolgt von München (158 000) und dem Rhein-Main-Gebiet (155 000). Und das, obwohl die Mainmetropole derzeit mit im Schnitt 25 neu geschaffenen Wohnungen je Einwohner in ihrer Wohnbautätigkeit deutlich aktiver ist als beispielsweise München, Berlin oder Hamburg. Aber in Frankfurt zeigt sich auch das Hauptproblem: Die Stadt ist mit einer Grundfläche von rund 2 590 Quadratkilometern die kleinste der deutschen Großstädte, viele Parks und Straßen engen den Spielraum der Stadtplaner weiter ein.

Als Ausweg bleibt daher oft nur der Abriss alter und das Errichten neuer Gebäude, was keineswegs immer nur auf Zustimmung der Anwohner trifft. Auch die Aufwertung ganzer Viertel oder die Umgestaltung von ehemaligen gewerblichen Gebieten in gemischt genutzte Viertel sorgen für Diskussionen und Kopfschütteln. Die Bürger fürchten nicht zu Unrecht eine Verteuerung des Wohnraums und damit ein Ende der gewachsenen sozialen Strukturen. Besserverdienende in der Stadt, sozial Schwächere in den Außenbezirken am Rand, bis auch diese wieder "In" sind und die Verschiebung weitergeht. Hier den richtigen Grat zwischen berechtigten Investoreninteressen und den Sorgen der Menschen zu finden, wird in Zukunft eine der Hauptaufgaben der Stadtpolitik sein. Ein Beispiel sind die in Frankfurt aus dem Boden schießenden Wohntürme. Natürlich springt für den Investor mehr Rendite heraus, wenn die Wohnungen an reiche Ausländer als Kapitalanlage im sicheren Hafen Deutschland verkauft werden. Aber lindert ein solcher Turm dann die Wohnungsnot? Sorgt er für eine Belebung des Viertels und damit bessere Möglichkeiten für Gewerbetreibende? Im Gegenteil, ein solch meist leerstehendes Hochhaus wird schnell zur Verödung des Viertels führen.

Doch mangelnder Wohnraum ist nur eine Problematik der schnell wachsenden Ballungsräume. Die Konkurrenz zwischen Gewerbeflächen und Wohnflächen eine andere. Denn - Stichwort Urban Logistik - auch der Handel drängt aufgrund der kurzen Wege wieder zurück in die Städte. Die Anforderungen an Büroräume ändern sich schnell, heute sind grüne Gebäude mit sehr flexiblen Nutzungsmöglichkeiten gefragt. Der lange Gang mit lauter Einzelbüros ist unnütz. Da es aber zu teuer ist, alte Gebäude umzurüsten wird lieber neu gebaut. Auch das sorgt für steigende Nachfrage nach Grund und Boden, ebenso wie zu mehr Leerstand in den alten Gebäudetypen. Gewerbliche Nutzung der Flächen sorgt aber für die Arbeitsmöglichkeiten der Menschen und die Steuereinnahmen der Städte. Der Umbauprozess der Stadt Frankfurt und das Thema Vereinbarkeit von Wohnen und Arbeiten ziehen sich durch dieses Heft exemplarisch für alle Ballungsräume in Deutschland.

Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft
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