Größe ist nicht alles

Philipp Otto

Es war als der ganz große Coup geplant. Die Übernahme der Deutsche Wohnen sollte für die Vonovia das Sahnehäubchen mit Kirsche auf den außergewöhnlichen vergangenen Jahren sein. Eine kluge Strategie, clevere Aktionen auf der Refinanzierungsseite und die milliardenschweren Übernahmen unter anderem von Gagfah und Südewo haben die ehemalige Deutsche Annington bis in den Dax katapultiert, ein maßvollerer Umgang mit den Mietern hat das Image vom Ausbeuter ein wenig gewandelt. Nun sollte die fast 14 Milliarden Euro schwere Übernahme der Nummer zwei im Markt, die Vonovia, in eine neue Sphäre wachsen lassen. In Deutschland wäre man unangefochten die Nummer eins gewesen und in Europa wäre der zweite Platz hinter Unibail Rodamco gefestigt, wenn nicht gar zementiert worden.

Doch da man aber offensichtlich nicht bereit war, einen ordentlichen Aufschlag auf den fairen Wert der Deutsche-Wohnen-Aktien zu bezahlen, muss nun weiter geträumt werden. Denn die Aktionäre des Konkurrenten haben entschieden und nur gut 30 Prozent wollten das Angebot des Marktführers annehmen. Das ist viel zu wenig, die Mindestannahmequote wurde weit verfehlt, die Vonovia ist gescheitert.

Doch zum Wundenlecken bleibt nicht viel Zeit. Zwar bedauert Vonovia-Chef Rolf Buch, dass eine "wertschaffende Möglichkeit, den Markt weiter zu konsolidieren, nicht zustande kommt". Aber seine Aktionäre erwarten nun neue Antworten, wie weiteres Wachstum generiert werden kann. Natürlich kann die Vonovia auch allein weiter gut leben. Aber nachdem Buch bereits in der Vergangenheit unabhängig vom Ausgang des Deutsche-Wohnen-Deals die Übernahme anderer börsennotierter Gesellschaften wie beispielsweise der LEG oder der Tag ausgeschlossen hat, wird es schwieriger, große Wachstumssprünge zu zeigen. Zum Vergleich: Allein die Übernahme der Gagfah führte zu einer Verdoppelung des operativen Gewinns (FFO I) im vergangenen Jahr auf etwa 600 Millionen Euro. 2016 soll der Gewinn nochmals um 100 Millionen steigen. Als Dividende für 2015 wird die Vonovia 0,94 Euro je Aktie ausschütten, 27 Prozent mehr als im Vorjahr.

Die Antwort für die verwöhnten Aktionäre wird laut Buch zum einen in der Übernahme kleinerer Portfolios liegen. Daneben sollen aber die sogenannten Extensions - also Dienstleistungen rund um das Wohnen - die Erträge steigen lassen. Ihm schweben Zusatzleistungen wie eine moderne Küche, der Kabelanschluss oder in der Zukunft möglicherweise Pflegedienste in einer Seniorenanlage vor. Diese Zusatzleistungen haben für Vonovia mittlerweile schon eine solche Bedeutung erlangt, dass sie auf Anraten der Wirtschaftsprüfer erstmals im Segment "Extensions" separat ausgewiesen werden.

Spannend wird auch sein zu beobachten, ob damit die Konsolidierung der börsennotierten Wohnungsgesellschaften an ihrem Ende angekommen ist. Wird die Deutsche Wohnen beispielsweise erneut ihre Fühler nach der LEG ausstrecken? Das wiederum würde der Vonovia sicherlich schmecken. Denn wie sagte Buch einst: "Wir haben erreicht, dass die LEG als eigenständiges, börsennotiertes Unternehmen erhalten bleibt. Die LEG ist ein wichtiger Partner für uns, wie der Verkauf von rund 14 000 Wohnungen im November 2015 zeigt." Und wird die Vonovia nun ihren Worten, kein Interesse mehr an der Deutsche Wohnen zu haben, auch Taten folgen lassen und sich konsequenterweise von ihrer üppigen Beteiligung am Konkurrenten trennen und damit vielleicht wieder Schwung in das Übernahmerad bringen?

Doch Größe ist nicht alles, das sind nur Börsenspielchen. Für das echte Problem ist das meiste davon ohne Bedeutung. Denn auch wenn Vonovia, Deutsche Wohnen und wie sie alle heißen weiter munter übernehmen und übernommen werden, bewegt das in erster Linie die Bestände, schafft aber keinen neuen Wohnraum. Dafür sorgen andere, in erster Linie die vielen kleinen, zum Teil städteeigenen Wohnungsbaugesellschaften. Wenn man sie denn lässt, die Gemeinden ausreichend Bauland ausweisen und die Politik auf die die Neubautätigkeit bremsende Maßnahmen wie Mietpreisbremse und Gewerbesteuererhöhungen künftig verzichtet. Auf der einen Seite einschränken und auf der anderen Seite mit Sonder-Afas fördern ist keine nachhaltige Strategie, sondern lediglich ein Flickenteppich. Aber war es schon mal anders?

Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft
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