Kein Investitionsweltmeister

Philipp Otto

Foto: Fritz Knapp Verlag

"Die Nummer 1 der Welt sind wir!" Deutschland ist Fußballweltmeister. Deutschland ist Exportweltweister. Aber Deutschland ist nicht Investitionsweltmeister! Gemessen an den staatlichen Bruttoanlageninvestitionen liegt die Bundesrepublik mit einer Investitionsquote von knapp 2,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) weit hinter den meisten Industriestaaten zurück. Das BMF plädiert für mildernde Umstände. So müsse man den hohen Anteil der Militärausgaben in den USA ebenso berücksichtigen wie den Unterschied zu Frankreich, wo der Staat deutlich mehr Aufgaben übernehme als in Deutschland, und die Aufholeffekte der übrigen Euroländer, in denen Strukturfonds der EU die Investitionsquote nach der Krise nach oben getrieben hätten. Aber: Anfang der siebziger Jahre gab die Bundesregierung noch rund fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Investitionen aus, also mehr als das Doppelte.

Gleichzeitig steigen aber die Einnahmen und dank der Niedrigzinspolitik der EZB kann Finanzminister Wolfgang Schäuble einen ausgeglichenen Haushalt vorweisen. Das entfacht seit geraumer Zeit heftige Diskussionen. Bereits mehrfach hat neben anderen IWF-Chefin Christine Lagarde angemahnt, es gebe in Deutschland Spielraum für mehr Investitionen, um Konjunktur und Produktivität anzukurbeln und so die globale Wirtschaft zu stützen. Aktuelle Zahlen der Deutschen Bundesbank untermauern diese Forderungen und werden das Thema im Wahlkampf weiter hochkochen. Einer Untersuchung im Monatsbericht Juli zufolge betrug allein im vergangenen Jahr die mit dem aktuellen Schuldenstand ermittelte gesamtstaatliche Ersparnis aus der niedrigeren Durchschnittsverzinsung der Staatsschulden demnach 47 Milliarden Euro oder 1,5 Prozent des deutschen BIP. Kumuliert erreichen die Zinsentlastungen von 2007 bis heute laut Bundesbank-Experten eine Größenordnung von 240 Milliarden Euro. Von dieser Entlastung profitieren sowohl der Bund als auch insbesondere hoch verschuldete Länder und Gemeinden. Letztere hätten im Vergleich zu einer gegenüber dem Jahr 2007 unveränderten Durchschnittsverzinsung demnach 17 Milliarden Euro im Jahr 2016 eingespart, so der Bericht. Viel Geld, das investiert werden könnte oder müsste.

Hierzu ist anzumerken: Geld allein macht nicht glücklich. Allein die Erhöhung der staatlichen Investitionsquote führt noch nicht zu einer Verbesserung der Gesamtlage, sondern es muss richtig und vor allem sinnvoll investiert werden. Die Bereitschaft, mehr zu tun, ist schließlich da. So sind die zukunfts- und wachstumsorientierten Ausgaben laut BMF von 31,5 Milliarden Euro im Jahr 2016 auf 33,3 Milliarden Euro im Jahr 2017 gestiegen. Die Haushaltsmittel für die klassischen Verkehrsinvestitionen stiegen seit Beginn der Legislaturperiode um 25 Prozent auf 12,8 Milliarden Euro. Für den flächendeckenden Breitbandausbau auf 50 Mbit/s sollen bis 2020 zirka 4 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden. Die Entlastungsmaßnahmen für Länder und Kommunen ergeben für den Zeitraum von 2014 bis einschließlich 2017 eine Größenordnung von mindestens 65 Milliarden Euro. Für die Stärkung ihrer Investitionskraft werden den Kommunen 2017 insgesamt zusätzlich 1,5 Milliarden Euro bereitgestellt und zur Förderung von Investitionen finanzschwacher Kommunen gewährt der Bund den Ländern Finanzhilfen in Höhe von 3,5 Milliarden Euro im Rahmen des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes. Es sind also durchaus Mittel vorhanden. Aber bessere Straßen sorgen noch nicht für eine aufblühende Wirtschaft, mehr Jobs und damit eine höhere Attraktivität der jeweiligen Region. Die Verödung wird dann weitergehen. Auch der Rettungsschirm wirkt keineswegs investitionsfördernd, hilft er klammen Kommunen zwar aus ihrer akuten Finanznot heraus, all das aber auf Kosten umfassender Sparprogramme. Zudem kann der Staat es nicht alleine richten. Doch leider hat auch die 2014 vom damaligen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel ins Leben gerufene Expertenkommission zur "Stärkung von Investitionen in Deutschland" bislang zu geringen Erfolg gehabt, private Investitionen in Deutschland spürbar zu erhöhen. Zu schlecht sind offensichtlich die bislang gemachten Erfahrungen bei den PPP- oder ÖPP-Projekten, zu unsicher ist die Planeinhaltung, zu teuer die Folgeinvestitionen, zu schwierig die Finanzierung beispielsweise über Gebühren wie eine Maut.

Es bedarf ganz eindeutig neuer Ideen und neuer Konzepte im Sinne echter Wirtschaftsund Standortförderung - von staatlicher wie privater Seite. Sonst lebt die Bundesrepublik weiter von der Substanz. Und das geht zwar lange, aber nicht ewig gut.

Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft
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