MARKT ODER STAAT - ODER BEIDES?

Philipp Otto Chefredakteur, Foto: Verlag Helmut Richardi

Wo werden wir künftig wohnen? Wie werden wir künftig wohnen? Angesichts wachsender Bevölkerungszahlen, Raumnot in Städten und Kommunen, einer Politik der Vorschriften und dem Megathema Klimawandel sind das einige der entscheidenden Fragen der kommenden Jahre. Antworten sind nicht so leicht zu finden. Klar ist nur, es braucht mehr Angebot an Wohnraum, sonst werden die Preise weiter steigen.

Am 26. September wird gewählt. Und natürlich werden diese Fragen bei der Entscheidung der Wähler für oder gegen schwarz oder rot, grün oder gelb eine Rolle spielen. Interessant ist zunächst einmal zu beobachten, wie wichtig den Parteien das Thema Wohnen/Mieten ist. Im Wahlprogramm der Grünen finden sich auf stolzen 11 Seiten Ideen für mehr bezahlbaren Wohnraum und lebenswerte Städte und Dörfer. Bei den Linken sind es immer noch 7, bei der CDU derer 4. Dünn wird es bei SPD (2 Seiten von 66 Seiten), der FDP (ebenfalls 2 von 67 Seiten) und der AfD (2 Seiten). Und auch bei den Inhalten geht es schnell weit auseinander. Alle Parteien wollen mehr Wohnraum schaffen, um dem Preisanstieg Herr zu werden. Am weitesten lehnt sich hierbei die CDU/CSU aus dem Fenster, die bis 2025 mehr als 1,5 Millionen neue Wohnungen gebaut sehen will. Angesichts der Neubautätigkeit der vergangenen Jahre ist das mehr als ambitioniert. Wurden hier doch im Schnitt gerade einmal rund 300 000 neue Wohnungen fertiggestellt. Etwas zurückhaltender sind die Grünen mit einer Million zusätzlicher Mietwohnungen in den kommenden Jahren. Allerdings sollen zusätzlich auch noch 1 Million Sozialwohnungen in den kommenden zehn Jahren geschaffen werden. Ähnlich klingt es bei der SPD, die ebenfalls den Bau von 100 000 Sozialwohnungen jährlich verspricht, die Linke sogar 250 000. Keine Zahlen nennen FDP und AfD.

Wenige Überraschungen gibt es bei den erforderlichen Maßnahmen, um diese Versprechungen in die Tat umzusetzen: Möglichst wenig staatliche Eingriffe bei CDU/CSU und FDP, gesetzliche Vorgaben zu Miethöhe oder Mietendeckel lehnen beide Parteien ab. Die Grünen dagegen wollen eine Mietobergrenze im Bestand gar bundesweit gesetzlich verankern, die Mietpreisbremse entfristen und nachschärfen sowie reguläre Mieterhöhungen auf 2,5 Prozent im Jahr begrenzen. Auch die SPD will eine entfristete Mietpreisbremse und in angespannten Wohnlagen ein Mietenmoratorium sowie Mieterhöhungen maximal in Höhe der Inflationsrate. Das reicht den Linken natürlich nicht: Sie wollen einen bundesweiten Stopp für Mieterhöhungen ebenso durchsetzen wie sie besonders hohe Mieten staatlich verordnet senken wollen. Einen anderen Weg geht die AfD: Diese will laut Wahlprogramm mehr Bauland ausweisen, das Baurecht entkomplizieren, Kosten durch Streichung übertriebener Standards für Energie beispielsweise senken, die Grunderwerbsteuer ersatzlos streichen - zumindest für "Einheimische" - sowie den sozialen Wohnungsbau zugunsten von mehr Wohngeld und Wohneigentumsförderung abschaffen.

Vereinfacht zusammengefasst heißt das: Die Wohnungspolitik der neuen Regierung wird den Erwerb von Wohneigentum erleichtern und fördern, sich massiv für den Bau zusätzlicher Wohnungen auch im sozialen beziehungsweise bezahlbaren Segment einsetzen, Lasten zwischen Bund, Ländern und Kommunen neu verteilen, zusätzliche Bürokratie vermeiden, Spekulationen eindämmen, Städte und Gemeinden attraktiver weil lebenswerter machen und die Umwelt dank bezahlbarer Klimastandards schonen, enteignen, bremsen und verbieten. Auch wenn es nun natürlich auf die Details, sprich die Zusammensetzung ankommt, man die Rechnung an der einen oder anderen Stelle ohne den Wirt, in diesem Fall die Kämmerer, gemacht hat und es noch keine Lösung für den zusätzlichen Flächenbedarf gibt - es könnte schlimmer kommen.

Allerdings heißt das auf jeden Fall auch mehr Staat, mehr Markt vermutlich nur eingeschränkt. Dass der Staat in die Wohnungspolitik eingreift, hat sich fünf Jahrzehnte lang bewährt, denn die Marktwirtschaft kann oder will das Erforderliche nicht leisten. Allerdings dreht der Wind der staatlichen Wohnungsbaupolitik nun vermutlich in die falsche Richtung: Hat sich diese doch vor allem dann als erfolgreich erwiesen, wenn sie nicht auf Verbote, sondern auf Anreize gesetzt hat. Die Vorstellung vom Staat oder der Kommune als Bestandshalter passt da ebenso wenig, wie die immer wieder öffentlichkeitswirksam und in jedem Parteiprogramm zur Schau gestellte Sorge, die Umwandlung von Wohnungsunternehmen in börsennotierte Aktiengesellschaften würde den Mieter unweigerlich dem erbarmungslosen Heuschrecken-Kapitalismus opfern. Eine derartige politische Argumentation kann überhaupt nur unter der Annahme geführt werden, dass der gesamte soziale Status des Wohnungswesens nichts mehr gilt. Wer so Ängste schürt, traut den eigenen Gesetzen nicht. "Kauf bricht Miete nicht", das gilt doch wohl auch heute noch.

Ob ein echter Bauminister wirklich ein Fortschritt wäre?

Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft
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