Milliarden für die Infrastruktur

Philipp Otto

"Lust verkürzt den Weg." So schön formulierte es einst der englische Dichter und Dramatiker William Shakespeare. Nun ist bekanntlich im Sommer aber Urlaubszeit. Und wer beispielsweise am ersten Augustwochenende in einigen der insgesamt vom ADAC gemessenen mehr als 12 000 km Stau auf Deutschlands Autobahnen zugebracht hat, hat von Lust nicht mehr viel verspürt. Da durfte man als leidgeprüfter Autofahrer wieder einmal feststellen, dass Deutschlands Autobahnen den gegenwärtigen Anforderungen nur noch bedingt gerecht werden, dass Brücken viel schneller und häufiger kaputtgehen als geplant,

dass der Transitverkehr ein Volumen erreicht hat, das zweifellos groß wenn nicht zu groß ist und dass es gerade an Zusammenführungen von Autobahnen meist viel zu eng zugeht. Frust statt Lust - das ist die Folge.

Dem will sich die Bundesregierung um Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt nun mit Macht entgegenstellen. Laut dem gerade verabschiedeten Verkehrswegeplan 2030 werden in den kommenden anderthalb Jahrzehnten die Ausgaben für Straßen, Schienen sowie Wasserwege kräftig aufgestockt. Bis 2030 sollen mit 270 Milliarden Euro etwa 1 000 Bauprojekte realisiert werden, die als vordringlich gelten. Dobrindt nennt seinen neuen, 182 Seiten starken Bundesverkehrswegeplan, der zuvor von Kritikern als "Luftschloss" oder "Wünsch-dir-was-Katalog" bezeichnet wurde, "das stärkste Programm für die Infrastruktur, das es je gab." Der letzte Bundesverkehrs wegeplan stammt aus dem Jahr 2003. Er sah Investitionen von rund 170 Milliarden Euro vor. Allerdings wurde bisher knapp die Hälfte der damals vorgesehenen Projekte nie realisiert. Nach dem überarbeiteten Entwurf sollen nun bis 2030 rund 133 Milliarden Euro für Autobahnen und Bundesstraßen, 112 Milliarden Euro für die Schiene und 24 Milliarden Euro für die Wasserstraßen ausgegeben werden. Neu ist, dass auch der Bau von Fahrradwegen einbezogen ist, sich der Bund also auch hier mit Mitteln beteiligt. Um die Belastungen für die Autofahrer und Bahnreisenden so gering wie möglich zu halten, gilt im neuen Verkehrswegeplan das Prinzip "Erhalt vor Neubau", soll heißen, rund zwei Drittel der Summe fließen in die Sanierung und knapp ein Drittel in den Neubau. Ausdrücklicher Schwerpunkt sind Engpässe, die sogar als eigene Kategorie gekennzeichnet sind - auch als Hinweis an die Länder, die fürs Planen und Bauen zuständig sind und zum Ärger des Bundes teils nicht mit höheren Mitteln Schritt halten. Konkret sollen 2 000 Kilometer Staustrecken auf Autobahnen entschärft werden, etwa durch Ausbau auf drei oder vier Spuren je Richtung. Bei der Bahn sollen auf rund 800 Kilometern Nadelöhre verschwinden.

Der Weg ist also vorgezeichnet. Nun müssen nur noch die bislang hinderlichen Planungsengpässe überwunden und die Finanzierung sichergestellt werden. Bei letzterer setzt der Bundesverkehrsminister gerade beim Autobahnausbau stärker als früher auf Öffentliche-Private Partnerschaften, sogenannte ÖPP oder auch PPP (Public Private Partnerships). Man fragt sich allerdings, warum nun plötzlich all die bislang hinderlichen Probleme bei ÖPP nicht mehr auftreten sollen und ob es mit den im Verkehrswegeplan avisierten Milliardeninvestitionen in die Infrastruktur nun endlich gelingen mag, den Investitionsstau in Deutschland aufzuheben. Immerhin bedeutet dieses Investitionsvolumen von etwa 15 Milliarden Euro jährlich gegenüber dem aktuellen Haushaltsansatz eine Steigerung um etwa 50 Prozent. Aber man darf Zweifel haben. Bereits vor rund zwei Jahren war Dobrindts Kabinettskollege Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel ob der anhaltenden Investitionsschwäche Deutschlands so besorgt, dass er ein echtes Expertengremium ins Leben rief, das sich diesem Thema widmen sollte. Ziel war es, für Deutschland eine Investitionsquote zu erreichen, die über dem OECD-Durchschnitt lag. Getan hat sich bis heute wenig, immerhin ist die Quote nicht gesunken. Und auch die Effektivität und Effizienz von ÖPP-Projekten wird immer mehr angezweifelt. Bei fünf von sechs in ÖPP gebauten Autobahnen sei es zu Mehrkosten von fast zwei Milliarden Euro gekommen, monierte der Bundesrechnungshof bereits 2013. Anfang dieses Jahres legten die Rechnungsprüfer in einem Gutachten nach. Sie befürchten, dass aufgrund der Anreize ÖPP auch dann umgesetzt würden, wenn eine konventionelle Realisierung sinnvoller wäre und dass wegen des enormen Finanzvolumens nur große Firmen zum Zuge kommen. Auch die von der Bundesregierung geplante Berücksichtigung von Zinsänderungsrisiken stößt den Rechnungsprüfern sauer auf. Nach einem Schub für ÖPP klingt das alles nicht.

Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft
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