November-Blues

Es mag an den typischen Novembereigenschaften liegen, dass sich die Kreditwirtschaft selbst und die sich mit ihr beschäftigenden Institutionen und Dienstleister derzeit so schwer mit positiven Zukunftsgedanken tun. Grau in grau, trist, nasskalt, neblig, ungastlich und wenig hoffnungsfroh - so präsentiert sich der vorletzte Monat des Jahres üblicherweise. Hinzu kommt eine gewisse Hektik, denn wie immer kommt das Jahresende überraschend und zu früh. Was noch nicht erledigt ist, muss schnell noch in den letzten zwei, drei Wochen des Jahres getan werden. Weihnachten rückt immer näher. Das kommende Jahr wirft seine Schatten voraus. Wird es besser oder gleich schlimm? All das schlägt auf die Stimmung.

Natürlich liegt es sicherlich nicht nur am November, dass derzeit die Zukunft der Kreditwirtschaft ebenfalls eher grau in grau gesehen wird und dass sich pessimistische Prognosen häufen. Und das, obwohl alle betroffenen Institute sowohl den Asset Quality Review als auch den Stresstest durch die Europäische Zentralbank mehr oder weniger mühelos gemeistert haben. Doch kaum ist der Stress vorbei, geht es erst richtig los. Stieß Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret zunächst noch auf wenig Gegenliebe der Branche, als er noch auf der Stresstest-Pressekonferenz den Instituten die Leviten las, die Ertragsschwäche anprangerte, die sinkende internationale Wettbewerbsfähigkeit feststellte und als logische Konsequenz daraus eine Konsolidierung forderte. Diese Ansicht setzt sich nun aber mehr und mehr durch. Jürgen Fitschen, Vorstandschef der Deutschen Bank und Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, sieht "europäische Banken im globalen Wettbewerb zurückfallen", vor allem im Vergleich zu den US-Rivalen, DZ-Bank-Chef Wolfgang Kirsch sprach sogar von einer "Gewinnwarnung" für die gesamte Branche. Und Uwe Fröhlich, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken- und Raiffeisenbanken (BVR), erwartet einen "Selektionsprozess".

Fakt ist: Nur sechs Prozent der großen deutschen Banken verdienen derzeit ihre Eigenkapitalkosten. Das über Ertragssteigerungen auszugleichen, wird schwer. Die Zinsergebnisse sind seit Jahren rückläufig, die Provisionsergebnisse allenfalls stabil, können aber die Rückgänge keineswegs kompensieren. Die Risikovorsorgen, derzeit quasi bei Null, werden nicht auf diesem Niveau verharren. Bleiben die Kosten: Über eine Ausdünnung der Filialnetze wird bereits nachgedacht. Intern werden überall Strukturen überprüft und Potenziale zur Kostensenkung ausgelotet. Zumindest im Ausland wird auch vor Entlassungen nicht halt gemacht: So hat die ING gerade angekündigt, 1 700 Mitarbeiter zu entlassen. Und auch die derzeitige "Welle" an Kündigungen eingezahlter Bausparverträge kann im Zusammenhang der Kosten- und Ertragsoptimierung gewertet werden. War das bislang in größerem Stil nur von den privaten Bausparkassen Wüstenrot und Schwäbisch Hall bekannt, haben gerade auch die LBS Bayern und die LBS West rund 38 000 hochverzinste Altverträge gekündigt.

Eine weitere Möglichkeit kann auch die bessere Nutzung des häufig "stillen" Assets Unternehmensimmobilien sein. Großbanken sind hier deutlich weiter als Sparkassen oder Volks- und Raiffeisenbanken. Die Deutsche Bank hat gerade erst ein im Bau befindliches eigenes Gebäude in Frankfurt an den südkoreanischen Pensionsfonds NPS für 251 Millionen Euro verkauft. Das Gebäude soll 2016 fertiggestellt sein und langfristig von Töchtern der Deutschen Bank angemietet werden. Doch auch Sparkassen erkennen zunehmend die Möglichkeiten, die sich im eigenen Gebäudebestand noch bieten. Zumindest wurde das Thema gerade in Berlin beim DSGV intensiv diskutiert. Ob hingegen Fusionen immer zu Verbesserungen bei den Margen führen, darf zumindest angezweifelt werden. Seit Mitte der achtziger Jahre ist die Zinsspanne rückläufig. Im gleichen Zeitraum hat sich die Zahl der Banken in Deutschland von 3 500 auf nunmehr 1 800 in etwa halbiert.

Es ist aber nicht alles grau in grau dieser Tage: Die Bundesbank sieht laut aktuellem Finanzstabilitätsbericht keine Anzeichen einer Immobilienblase in Deutschland. Bislang bergen steigende Preise für Wohnimmobilien keine übermäßigen Risiken für die Finanzstabilität, heißt es, und aktuell sei keine destabilisierende Wechselwirkung zwischen der Kreditvergabe der Banken und der Entwicklung der Häuser- und Wohnungspreise zu erkennen. Immerhin!

Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft
Eigene Bewertung: Keine Durchschnitt: 5 Punkte (1 Bewertung)


X