Partner ja - Freunde nein

Philipp Otto

Wer kennt es nicht. Der Urlaub steht an und ziemlich gestresst vom Autopacken ist man endlich unterwegs, um sich dann von einem Stau zum nächsten zu kämpfen, weil diese Spezialisten von Straßenmeistereien just zur Urlaubszeit Deutschlands Autobahnen mit Baustellen zupflastern. Das nervt, zumindest diejenigen, die sich durch die gefühlt viel zu vielen Baustellen quälen. Dabei sind es noch viel zu wenige, meinen die Experten. Deutschlands Straßen und Brücken sind in einem teils desolaten Zustand, der Investitionsstau enorm.

Auf 7,2 Milliarden Euro jährliche Investitionen taxierte eine Expertenkommission um den früheren Verkehrsminister Sachsen-Anhalts, Karl-Heinz Dähre, den Bedarf, um zumindest den Bestand zu erhalten. Tendenz steigend: Laut Verkehrsverflechtungsprognose des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom Juni vergangenen Jahres ist bis 2030 von einem weiter stark zunehmenden Güter-(+ 38 Prozent gegenüber 2010) und Personenverkehr (+ 12 Prozent) auszugehen.

Entsprechend gemischt fallen die Reaktionen auf das Mitte Juli von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt vorgestellte Verkehrs-Investitionspaket aus. 2,7 Milliarden Euro sollen zusätzlich für den Bau und die Sanierung von Autobahnen und Bundesstraßen ausgegeben werden. Angesichts der Zahlen zum Bedarf klingt das aber nicht nach Attacke. Hinzu kommt: Der Großteil der Gelder fließt keineswegs in Sanierung und Reparatur, sondern in den Neubau. Mit 1,5 Milliarden Euro entfallen mehr als die Hälfte auf Lückenschlüsse bei Autobahnen und Bundesstraßen, weitere 700 Millionen Euro stehen nur für Neubauprojekte zur Verfügung und mit lediglich 500 Millionen Euro werden Modernisierungen finanziert. Das reicht hinten und vorne nicht. Das weiß auch der Bundesverkehrsminister und hat wieder einmal die verstärkte Partnerschaft der öffentlichen Hand mit privaten Investoren angeregt. Der Gedanke dahinter ist simpel: Allein bei Versicherungen und Pensionskassen liegen mehr als eine Billion Euro, die investiert werden können. Gleichzeitig bieten die Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP) eine Alternative zum Kapitalmarkt, da die Projekte eine höhere Rendite vorweisen. So weit gut gedacht: Wie Chefvolkswirt Michael Heise ausführt, eine Verfechter der ÖPP, "kämen bis zu sechs Milliarden Euro zusammen, wenn die Allianz den Anteil an Infrastrukturausgaben um nur einen Prozentpunkt erhöhen würde."

Fakt ist: Auch der Staat hat nur begrenzte Möglichkeiten, Investitionen in Gang zu bringen. Durch die Verpflichtung, einerseits die Schuldenregel im Grundgesetz und andererseits die Defizit- und Schuldenquoten nach dem verschärften europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt einzuhalten, kann es keine staatlichen Infrastrukturmittel aus dem Füllhorn geben. ÖPP ist laut Definition eine eigentlich wertneutrale Variante zur konventionellen Beschaffung. Befürworter argumentieren, dass die Wirtschaft schneller und effizienter baue als der Staat und sich Infrastrukturlücken somit schneller und kostengünstiger schließen ließen und dass generell mehr Wachstum erzeugt wird, wenn das enorme Sparkapital, das im Land vorhanden ist, im Inland investiert wird. Kritiker werfen den ÖPP-Plänen vor allem vor, dass ÖPP-Projekte auf lange Sicht teurer für den Staat seien, weil er auf hohe Einnahmen aus der Lkw-Maut verzichten muss.

Letzteres ist in der Diskussion sicherlich das gewichtigste Argument. Lohnt ÖPP? Nein, sagt der Bundesrechnungshof. Er hat die sieben seit 2007 vom Bundesverkehrsministerium durchgeführten ÖPP-Projekte im Bundesfernstraßenbau auf ihre Wirtschaftlichkeit hin untersucht und kam zu dem Schluss, dass die Projekte privater Investoren den Staat am Ende teurer kommen. Einverstanden. Aber: Das größte Hemmnis für unzureichende Straßenbauinvestitionen sind fehlende fiskalische Spielräume. Solange wir als Bürger keine Steuererhöhung dafür wollen, keine Pkw-Maut, keine neuen Schulden und keine Sparprogramme in anderen Bereichen, werden Bund, Länder und Kommunen ihren Verpflichtungen nicht nachkommen können. Öffentlich-Private Partnerschaften können hier eine gute Lösung sein. Dabei muss man aber auch akzeptieren, dass es sich bei den Partnern keineswegs um gute Freunde handelt, sondern um Unternehmen mit einem Geschäftszweck, die im Sinne ihrer Kunden und Aktionäre wirtschaftlich verantwortungsbewusst handeln müssen. Solange hier nicht das richtige Mittelmaß gefunden ist, wird die Abneigung gegenüber ÖPP groß bleiben und wir werden uns weiterhin durch zu wenige Baustellen kämpfen.

Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft
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