Das Risiko steigt

Philipp Otto

Frühling an der Côte d´Azur ist zweifelsohne etwas Besonderes. Wenn es in Deutschland noch grau und trist ist, hüllt sich der südostfranzösische Küstenstreifen in leuchtend gelbe Blütenmeere. Im Februar und März blühen die Mimosenbäume unter azurblauem Himmel und erfüllen die Luft mit dem betörenden Duft aus Abertausenden Blütendolden. Die Sonne wärmt Körper und Seele. Und das Spiel von Licht und Wasser vollzieht sich hier auf nahezu unvergleichliche Weise und hat mit seiner Intensität zu dieser Jahreszeit schon Matisse zutiefst berührt. Kein Wunder also, dass sich genau hier Jahr für Jahr die High Society der Immobilienszene Anfang März versammelt.

Dann heißt es seit 26 Jahren schlicht und einfach MIPIM. Auch wenn sich die Branche hier in erster Linie selbst feiern möchte und das Arbeiten einen deutlich geringeren Stellenwert einnimmt als beispielsweise auf der Expo Real in München, kommt an Cannes doch niemand vorbei, der internationale Netzwerke in den Immobilienmärkten knüpfen und Kontakte pflegen oder erneuern will. Zwar hat die Frequenz in den vergangenen Jahren ein klein wenig nachgelassen, doch treffen sich vom 10. bis 13. März auch dieses Jahr wieder mehr als 20 000 Menschen aus fast 100 Ländern im Palais des Festivals in Cannes. Im Jahr 2014 waren es 21 000 Besucher, darunter 4 500 Investoren, 3 200 CEO, 370 politisch Verantwortliche, 430 Journalisten und 2 200 ausstellende Unternehmen, verkündet der Veranstalter Reed Midem stolz. Die "Marché International des Professionnels de l´immobilier" hält sich also wacker.

Und die Stimmung unter der warmen Frühlingssonne wird auch 2015 wieder gut sein. Denn nach wie vor befeuert die Geldschwemme der EZB und die damit verbundenen Verwerfungen an manchen Anlagemärkten die Investition in Immobilien. Und nach wie vor wirken sich die geopolitischen Risiken kaum negativ auf die Transaktionsvolumina aus, auch wenn in diesem Jahr sicherlich deutlich weniger Russisch auf der MIPIM zu hören sein wird. Nach dem herausragenden Jahr 2014 für den europäischen Investmentmarkt, in dem rund 30 Prozent mehr Kapital investiert wurde als im langjährigen Durchschnitt, gehen die Experten von weiterhin stabilen bis steigenden Transaktionsvolumina aus. Savills beispielsweise ist zuversichtlich, dass die Investoren angesichts der rekordniedrigen Anleiherenditen und der Turbulenzen an den Aktienmärkten auch im laufenden Jahr Immobilien den Vorzug geben werden, zumal sich die Finanzierungskonditionen günstig entwickeln. Dabei werden die Investoren neben den traditionellen Nutzungen Büro, Handel und Logistik auch Hotels, studentisches Wohnen sowie den Wohnimmobiliensektor im Fokus haben. Schwerpunkt der Investitionen werden zwar weiterhin die vermeintlich sicheren Häfen London, Paris und Deutschland sein, doch beginnen die Anleger mehr und mehr auch andere Standorte in Betracht zu ziehen. Zwar schrecken nicht unbedingt die hohen Preise ab, Geld ist ja billig, doch gibt es in den gesuchten Metropolen einfach nicht genug Angebot.

Für Deutschland geht das "Trendbarometer-Immobilieninvestmentmarkt" von Ernst & Young ebenfalls von einem weiteren Anstieg des Transaktionsvolumens aus. 45 Prozent der Befragten bezeichnen den Standort Deutschland als sehr attraktiv - vor einem Jahr waren es nur 32 Prozent - und weitere 51 Prozent als attraktiv. Dabei ist das Niveau schon wieder hoch. 2014 wurden insgesamt 52,7 Milliarden Euro in Gewerbeimmobilien und Wohnungsportfolios investiert. Damit liegt Deutschland nur noch ganz knapp unter 2006 (53,2 Milliarden Euro). Und auch zum Rekordumsatz aus dem Jahre 2007 von 65,3 Milliarden Euro ist es gar nicht mehr so furchtbar weit. Erst recht vor dem Hintergrund, dass immer mehr ausländisches Kapital in den deutschen Markt drängt. Allerdings rechnet die Mehrheit der von Ernst & Young befragten Immobilienspezialisten nicht mit einer Ausweitung des Angebots. So gilt auch für Deutschland, was für Europa gilt: Es wird zu Ausweichmanövern kommen. Stichworte sind B-Lagen, Value-Add-Investitionen oder Manageto-Core. Auch spekulative Entwicklungen sind mancherorts schon wieder auf dem Vormarsch, als hätte man aus der Vergangenheit nichts gelernt. Und die Beleihungsausläufe steigen auch. All das zeigt: Die Risikoneigung und damit auch das Risiko steigen. Stabile Finanzierungsbedingungen, keine zu erwartenden exogenen Schocks, nach wie vor ein gewisser Anteil an Eigenkapital bei den Finanzierungen und weiterhin die Aussicht auf Mietpreissteigerungen lassen einen Vergleich mit 2007 trotz der Preisübertreibungen an manchen Standorten derzeit aber nicht zu. Noch nicht.

Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft
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