Spar-Frust?

Philipp Otto

Wir Deutschen sparen zu wenig, heißt es oft. Die Sparquote liegt im Durchschnitt dieses Jahres nur noch bei gut neun Prozent, was abgesehen von den traditionell niedrigen Werten in den dritten Quartalen (2013: 8,5 Prozent; 2012: 8,8 Prozent; 2011: 8,8 Prozent) dem niedrigsten Wert seit 12 Jahren entspricht. Noch 2008 lag der Anteil des Sparbetrages am verfügbaren Einkommen bei 10,5 Prozent. Besserung ist nicht in Sicht: Die Volkswirte des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken rechnen mit

einem Absinken der Sparquote über 8,5 Prozent im Jahr 2020 auf nur noch 6,5 Prozent 2025.

Folgt man der neoklassischen volkswirtschaftlichen Theorie, nach der innerhalb einer Volkswirtschaft vereinfacht gesagt die Höhe der Investitionen immer mit dem Sparvolumen übereinstimmt, sorgt ein niedriges Sparvolumen tendenziell für höhere Kapitalmarktzinsen, wodurch Investitionen zurückgehen können. Zwar wird eine höhere Investitionsquote der Unternehmen beklagt, doch mit 19,9 Prozent im laufenden Jahr liegt diese im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre. Hat also Keynes doch recht? Dessen Ansatz, der eher den Gütermarkt betrachtet, sieht bei einer sinkenden Sparquote einen Anstieg des Konsums, damit höhere Umsätze bei Unternehmen, was wiederum eine bessere Eigenkapitallage zur Folge hat und damit höhere Investitionen vermuten lässt.

Zwei Dinge sind zu berücksichtigen: Zum einen wird in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung das "Sparen der privaten Haushalte" nur als das verfügbare Einkommen abzüglich der Konsumausgaben definiert. Zum anderen muss auch die gesamtwirtschaftliche Ersparnis berücksichtigt werden, also der Anteil der Ersparnisse am Bruttoinlandsprodukt einer Volkswirtschaft, der neben den Ersparnissen der privaten Haushalte auch solche der Unternehmen sowie des Staates berücksichtigt. Diese schoss in den vergangenen Jahren kräftig nach oben, auf unbereinigt rund 12 Prozent. Das heißt, auch wenn die privaten Haushalte gegenwärtig etwas weniger sparen, wird das von der Sparneigung der Unternehmen und/oder des Staates überkompensiert.

Schuld am Spar-Frust der Privaten ist natürlich die Europäische Zentralbank, die mit ihrer Politik des billigen Geldes überall für Minizinsen sorgt. Laut einer Untersuchung des DSGV zum Weltspartag Ende Oktober haben bereits 30 Prozent der Bundesbürger ihr Sparverhalten geändert. Es wird umgeschichtet. Eine repräsentative Umfrage der Comdirect zeigt: 14 Prozent konsumieren mehr, acht Prozent kaufen mehr Wertpapiere wie Anleihen oder Aktien, fünf Prozent setzen auf Immobilien und vier Prozent legen in Altersvorsorge an. Generell gilt: Die Risikobereitschaft steigt. Das ruft nun sogar die Deutsche Bundesbank auf den Plan, die im gerade vorgelegten Finanzstabilitätsbericht vor einer wachsenden Risikoneigung warnt und hohe Rückschlagpotenziale bei Unternehmensanleihen sowie Staatsanleihen aus der Euro-Peripherie befürchtet. Doch nicht nur für die Sparneigung und das Anlageverhalten haben die Minizinsen Konsequenzen, sondern auch für das bereits Ersparte. Rund 300 Milliarden Euro haben deutsche Sparer seit 2008 verloren, verglichen mit den Zinssätzen von 2007, hat der Münchner Ökonom Hans-Werner Sinn errechnet.

Wenn Sparen keinen Sinn mehr macht, freut sich aber in der Regel die Immobilienwirtschaft, da verstärkt in Betongold investiert wird. Die ungebrochen hohe Nachfrage gerade in Ballungszentren nach Wohnraum zeigt dies eindrucksvoll. Blase oder nicht Blase, das ist allein die Frage, die die Bundesbank klar beantwortet: Noch seien keine Risiken aus den Immobilienmärkten für die Finanzstabilität zu befürchten. Allerdings bedürfe es einer gewissen Aufmerksamkeit, denn die Verschuldungsquoten stiegen, viele Immobilien seien schon wieder zu einhundert Prozent kreditfinanziert. Bleibt als letzte Bastion der (Immobilien)Sparer eigentlich nur das Bausparen. Doch Medienberichten zufolge ermuntert die BaFin die Kassen zur Kündigung von hochverzinsten Altverträgen zum eigenen Schutz. Sogar eine Änderung des Bausparkassengesetzes wird erwogen, die diese Kündigungen erleichtert. Droht hier eine neue Krise? Sicherlich nicht. Denn zum einen hat der Stresstest aus dem Jahr 2013 selbst bei unangenehmsten Zinsbedingungen keine Auffälligkeiten ergeben. Zum anderen sollten mit diesen hochverzinsten Einlagen auch deutlich höher verzinste Darlehen im Vergleich zu heutigen Sätzen vergeben worden sein. Für Panikmache besteht also kein Grund. Am gefühlten Spar-Frust ändert das aber leider nichts.

Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft
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