Streben, Lust, Begierde

Philipp Otto

Studium, welch ein schöner Begriff! Wobei doch nur eine deutsche Übersetzung des lateinischen Wortes "Beschäftigung mit" bedeutet, die anderen hingegen Streben, Lust, Begierde, Zuneigung. Vielleicht mag es ja daran liegen, dass es in Deutschland immer mehr Studenten gibt. Im Wintersemester waren es mit 2,8 Millionen so viele wie noch nie zuvor. Ob in Vollzeit, Teilzeit, als Fernstudium, als Duales Studium oder als Weiterbildung, im Vergleich zur klassischen Ausbildung als Lehrbub oder Lehrmädchen sehen immer mehr junge Menschen das wissenschaftliche Lernen an Universitäten oder Hochschulen und den akademischen Abschluss als erstrebenswert an.

Während der Fachkräftemangel längst ein Thema ist - 2014 haben lediglich 522 200 junge Menschen eine Ausbildungsvertrag abgeschlossen, 100 000 weniger als noch 2007 und so wenige wie noch nie seit der deutschen Wiedervereinigung - muss man sich um qualifizierten Nachwuchs an Diplom-Kaufleuten, Volkswirten, Juristen oder Ärzten also kaum Sorgen machen. Besonders beliebt bei den Studierenden sind vor allem Berlin und München mit jeweils spürbar mehr als 100 000 Unigängern. Doch auch die anderen Metropolen wie Köln, Stuttgart, Hamburg und Frankfurt finden sich gemeinsam mit Essen, Bochum, Münster und Aachen unter den Top Ten der Studienstandorte. Und da beginnt das Problem, denn studentischer Wohnraum gerade in den Ballungszentren ist knapp. 30 Quadratmeter groß, mit Einbauküche, höchstens anderthalb Kilometer von der Uni entfernt und bitte schön bezahlbar soll die typisch deutsche Studentenbude sein. Während ein Münchner Student dafür im vergangenen Jahr rund 580 Euro Warmmiete hinlegen durfte, zahlte ein Student für eine vergleichbare Wohnung in Bochum mit nur 329 Euro rund 40 Prozent weniger. Den größten Preisanstieg zwischen 2010 und 2015 verzeichnete Berlin mit fast 30 Prozent, trotzdem ist hier die studentische Musterwohnung mit 386 Euro noch vergleichsweise günstig. Das sind zentrale Ergebnisse des neue Studentenwohnpreisindex des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) und der Deutschen Real Estate Funds (DREF) in Kooperation mit Immobilienscout 24.

Hohe Nachfrage, begrenztes Angebot - in einer Marktwirtschaft ist das des einen Freud und des anderen Leid. Für die Immobilienwirtschaft hat sich studentisches Wohnen jedenfalls längst zur interessanten Unter-Assetklasse im Bereich Wohnen entwickelt. Entsprechend wurden 2014 mit 232 Millionen Euro etwa 40 Prozent mehr investiert als noch im Vorjahr und damit laut JLL das höchste bis dato registrierte Transaktionsvolumen erzielt. Weltweit belaufen sich die Investitionen auf 4,5 Milliarden Euro, der Großteil davon in den USA und Großbritannien. Und auch wenn die globalen Renditen seit 2008 leicht zurückgehen, mit 6,2 Prozent waren sie auch 2014 noch sehr auskömmlich. Neben den Ein-Zimmer-Apartments klafft auch bei der Unterbringung in Studentenwohnheimen eine ordentliche Angebotslücke. Während die Zahl der Studienanfänger seit dem Jahr 2007 bis heute um 50 Prozent gestiegen ist, wuchs die Zahl staatlich geförderter Wohnheimplätze nur um fünf Prozent. Das Deutsche Studentenwerk bezeichnet die Wohnsituation für Studierende in vielen Hochschulstädten als prekär und fordert den Bau von mindestens 25 000 zusätzlichen, öffentlich geförderten Wohnheimplätzen.

Das Fazit der Experten: Die steigende Nachfrage nach hochwertigen Wohnheimplätzen und das knappe Angebot schaffen eine attraktive Chance für private Investoren. "Studentisches Wohnen" ist insbesondere in UK oder auch den USA bereits als eigene Immobilien-Assetklasse etabliert. Auch in Deutschland hat dieses Marktsegment mit dem Auftreten von privaten Studentenwohnheimbetreibern eine wesentlich höhere Bedeutung bekommen. Die steigende Nachfrage der Studenten nach der Wohnform im Studentenwohnheim dürfte in Deutschland vor allem gehobenen, aber erschwinglichen Wohnraum betreffen, da die Ansprüche der Studenten an ihre Wohnsituation wachsen. In keinem anderen Wohnsegment können so viele unterschiedliche Wohnbedürfnisse befriedigt werden wie im privaten Wohnheimsektor. Diese Vielseitigkeit hinsichtlich Dienstleistungen, Wohnfläche oder Budgets im Kontrast zum oftmals uniformen öffentlichen Wohnheimangebot wird die Nachfrage nach dieser Wohnform weiter steigen lassen. Kirchlichen und öffentlichen Trägern von Studentenwohnheimen fehlen oft die Ressourcen, um bedarfsgerecht zu modernisieren. Somit bieten sich erfahrenen Immobilienentwicklern und -investoren Chancen, in diesem Marktsegment aktiv Wertschöpfung zu betreiben und Werte zu heben. Studium - Streben, Lust, Begierde.

Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft
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