Verhaltener Optimismus

Philipp Otto

Nichts ist so vergänglich wie der Ruhm vergangener Tage. Das wissen Sportler ebenso wie Politiker, Manager genauso wie Künstler. 2015 war in vielerlei Hinsicht ein Rekordjahr für die Immobilienwirtschaft. Das gewerbliche Transaktionsvolumen ist in Deutschland zum sechsten Mal in Folge angestiegen - auf den Rekordwert von nunmehr rund 56 Milliarden Euro bei knapp 1 800 erfassten Transaktionen. Gegenüber 2014 entspricht dies einem Zuwachs des Volumens um fast 40 Prozent. Rund 41 Prozent entfallen auf die Assetklasse Büroimmobilie, gefolgt vom Einzelhandel mit 31 Prozent. Ausländische Investoren trugen 50 Prozent zum Ergebnis bei. Erfreulich aus Sicht der handelnden Personen ist die verbreiterte Markttiefe.

Dabei erfreuen sich die Segmente Logistikimmobilien und Hotels ebenfalls an Rekordumsätzen. Getrieben von den Wachstumsambitionen und Übernahmekämpfen der börsennotierten Gesellschaften legte der Wohnungsmarkt ebenfalls das höchste Transaktionsvolumen aller Zeiten vor - knapp 24 Milliarden Euro bedeuten einen Zuwachs gegenüber dem Vorjahr von 89 Prozent. Die Party wird auch 2016 zweifelsohne weitergehen, denn nach wie vor sorgt die EZB mit ihrer Politik des billigen Geldes für hohen Anlagedruck und damit große Nachfrage nach halbwegs renditestarken Assetklassen. Da gehört Betongold immer noch dazu. Zudem nutzen Investoren die gute Marktlage zum Verkauf von Objekten und Portfolios. Doch wird es auch in diesem Jahr wieder Rekorde regnen? Experten wie Colliers, Savills oder JLL sind überwiegend dieser Meinung und halten Umsätze von bis zu 60 Milliarden Euro im Gewerbemarkt für möglich. Aber es mehren sich auch Stimmen, die etwas verhaltener in die Zukunft blicken. Dafür gibt es eine ganze Reihe von Gründen:

1. Die globale Wirtschaft droht in einen Abwärtssog zu geraten. Der Internationale Währungsfonds rechnet für das laufende Jahr nur noch mit einem weltweiten Wachstum von 3,4 Prozent, 2017 könnte es um 3,6 Prozent nach oben gehen. Der IWF hat damit seine Prognose vom Herbst um je 0,2 Punkte nach unten korrigiert. Aber 3,4 Prozent sind immer noch mehr als die 3,1 Prozent aus dem Jahre 2015.

2. Eng verbunden mit der Entwicklung der globalen Wirtschaft ist das Thema China. Welche Bedeutung das Großreich inzwischen erlangt hat, hat sich Anfang des Jahres gezeigt, als ein leichtes Hüsteln der chinesischen Märkte die Börsen rund um den Globus auf Talfahrt schickte. Das Wachstum der zweitgrößten Volkswirtschaft fiel im vergangenen Jahr auf offiziell 6,9 Prozent, das ist der geringste Zuwachs seit 25 Jahren. Und der Trend zeigt weiter nach unten. Der IWF sieht Chinas Wachstum bei 6,3 Prozent im laufenden Jahr und bei 6,0 Prozent 2017. Das wird auch für die traditionell Chinaabhängige deutsche Exportwirtschaft nicht ohne Folgen bleiben.

3. 2016 wird ein Jahr, in dem in Europa viele Entscheidungen für Europa fallen werden. Vor allem die Flüchtlingsproblematik stellt große Herausforderungen an die Solidarität der europäischen Staatengemeinschaft. Von einer Wiedererstarkung der Schengen-Überlegungen bis hin zu einem Auseinanderbrechen der Wirtschafts- und dann sicherlich auch Währungsunion ist alles möglich. Selbst die optimistischsten Volkswirte entwickeln Szenarien "nach dem Euro". Protektionistische Tendenzen werden sich weiter verschärfen.

4. Die Auswirkungen eines möglichen Brexit sind zurzeit ebenfalls nicht absehbar. Die Zustimmung der britischen Bevölkerung hängt sehr stark von dem im Februar von der EU und den Briten noch auszuhandelnden Reformpaket ab. Und viele Mitgliedsstaaten stehen den Forderungen von der Insel skeptisch gegenüber. Was heißt aber ein Brexit für die City und die dortigen Immobilien? Drohen Wertkorrekturen in großem Stil? Einmal mehr dürfte Lage, Lage, Lage alles sein.

5. Der Verfall des Ölpreises mit seinen angenehmen Folgen an der Tankstelle, aber den unangenehmen für die Weltwirtschaft insgesamt und Förderländern wie Russland, Norwegen oder die arabischen Staaten. Dadurch geht Kaufkraft auf den Immobilienmärkten verloren. Schon jetzt deutet sich sanft an, dass die großen Staatsfonds aus diesen Ländern, aber auch aus China nicht mehr ganz so üppig an Investitionen im europäischen und deutschen Markt interessiert sind, wie noch vor einigen Monaten.

All die Gefahren sind noch lange nicht akut, aber sicherlich wert, genau beobachtet zu werden. Und vielleicht darf man sich ja auch Ende dieses Jahres freuen, wenn man ein bisschen zurückhaltender in seinen Prognosen gewesen und dann alles ganz anders, weil viel besser gekommen ist.

Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft
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