ZU WENIG!

Philipp Otto, Chefredakteur, Foto: Verlag Helmut Richardi

"Der Wohnungsbestand in Deutschland ist im Unterschied zu den meisten anderen Ländern durch eine kleinteilige Struktur mit einem hohen Anteil von Privateigentümern gekennzeichnet. 32,3 Millionen Wohneinheiten und damit 80 Prozent des Gesamtwohnungsbestandes sind in privater Hand", heißt es im Dritten Bericht über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Deutschland der Bundesregierung. Ist der Traum vom Eigenheim, wie er immer wieder betont wird, also schon längst kein Traum mehr, sondern vielmehr gelebte Realität? Lassen wir uns von Statistiken wie der Wohneigentumsquote blenden?

Mitnichten! Und es liegt auch nicht am Betrachtungszeitraum dieses Dritten Berichtes, der sich auf die Jahren 2012 bis 2016 und damit zwar schon in der angespannten Phase an den Wohnungsmärkten bewegt, aber eben noch nicht in der Dramatik des Gegenwärtigen angekommen ist. Der Bericht liefert die Antwort gleich mit: Von den 32,3 Millionen Wohneinheiten in privater Hand sind lediglich 17,3 Millionen selbst genutzt, aber 13,5 Millionen Wohneinheiten vermietet. Das heißt, der Traum von den eigenen vier Wänden muss von vielen doch weiter geträumt werden. Und wird vermutlich leider viel zu oft ein Traum bleiben, trotz all der Bemühungen der Banken und Sparkassen in diesem Land, die die Bevölkerung großzügig mit Immobilienfinanzierungen unterstützen. Denn solange die Nachfrage das Angebot übersteigt, lässt ein Ende der Preisrallye weiter auf sich warten. Laut vdp Research müssen gerade Käufer selbst genutzten Wohneigentums immer tiefer in die Tasche greifen: Die Preise für Eigenheime und Eigentumswohnungen legten im zweiten Quartal 2019 bundesweit abermals kräftig um durchschnittlich 7,3 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zu, wobei die Preissteigerungen mittlerweile auch mehr und mehr in der Peripherie ankommen.

Interessanterweise kommt das Gros der relevanten Untersuchungen aber nach wie vor zu dem Schluss, dass der Sprung in die eigenen vier Wände in den meisten Regionen lohnt. Kauf schlägt also Miete! Wenn es doch nur so einfach wäre, denn diese Konklusion gilt wohlgemerkt nur unter Erfüllung einer elementaren Voraussetzung: dem Aufbringen von ausreichend Eigenkapital. Und genau an dieser Barriere scheitern immer mehr bau- beziehungsweise kaufwillige Bundesbürger. Denn proportional zu den stark gestiegenen Preisen wachsen natürlich auch die Erwerbsnebenkosten für Makler, Notar und Grunderwerbsteuer - je nach Bundesland fallen dafür zwischen 12 und 15 Prozent der Gesamtkaufsumme an. Alarmierend sind diesem Zusammenhang Schätzungen von Empirica aus dem vergangenen Jahr, wonach inzwischen neun von zehn der 30- bis 44-jährigen Mieterhaushalte nicht in der Lage sind, die hohen Eigenkapitalhürden zu nehmen. Ein Gutachten des IW Köln im Auftrag der Bausparkasse Schwäbisch Hall bestätigt, dass gerade jüngere Haushalte zunehmend vom Wohneigentum ausgeschlossen sind. Demnach wohnten 2017 von den 25- bis 34-Jährigen nur 12 Prozent und von den 35- bis 44-Jährigen 38 Prozent im Eigenheim - ein Rückgang von jeweils fünf Prozentpunkten im Vergleich zu 2010.

Unterm Strich verharrt die Wohneigentumsquote in Deutschland somit seit 2010 bei etwa 45 Prozent. Ein trauriger Befund, gerade vor dem Hintergrund der kürzlich von der Bundesbank noch einmal herausgearbeiteten überragenden Bedeutung von Wohneigentum für die private Vermögensbildung sowie den ultraniedrigen Bauzinsen. Zehnjährige Hypothekenkredite gab es zuletzt schon für weniger als 0,4 Prozent und der Fantasie scheinen keine Grenzen gesetzt: Anleihe- und Pfandbriefrenditen werden dieser Tage immer tiefer in negatives Terrain gedrückt und die Debatte um Negativzinsen in der Baufinanzierung ist damit eröffnet. Doch selbst wenn dieses Szenario Realität würde, dürfte die Wohneigentumsquote dadurch allein nicht wesentlich vom Fleck kommen. Denn wie geschildert entscheidet aktuell weniger die Kapitaldienstfähigkeit als vielmehr das angesparte Eigenkapitalpolster darüber, ob der Traum vom Eigenheim in Erfüllung geht.

Was kann an dieser Stelle getan werden? Nach Jahren des Stillstands hat die GroKo mit dem Baukindergeld ein erstes Bekenntnis zum Wohneigentum gesetzt und dabei entgegen aller Unkenrufe scheinbar doch ein glückliches Händchen bewiesen: Weitere Weichenstellungen wurden nun im Rahmen des neuen Miet- und Wohnpakets auf den Weg gebracht: Bundesweit werden sich künftig Käufer und Verkäufer die Maklerprovision beim Immobilienerwerb teilen, darüber hinaus soll die seit 23 Jahren unangetastete Wohnungsbauprämie bis Ende 2019 evaluiert werden. Bezüglich der wohl wichtigsten Stellschraube kann indes kein Fortschritt vermeldet werden: "Einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer beim erstmaligen Erwerb von Wohngrundstücken" wolle man prüfen, heißt es im Koalitionsvertrag. Der Widerstand der Länder ist hier wohl zu groß. Und so knüpft dieses jüngste Maßnahmenpaket letztlich nahtlos an seine Vorgängerversionen an: Ein wenig Licht, ein wenig Schatten, kurzum: halbherzig. Man darf weiter träumen.

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