WHATEVER IT TAKES

Philipp Otto

"Whatever it takes." Ob EZB-Präsident Mario Draghi diese drei Worte heute noch einmal so nachdrücklich aussprechen würde wie 2012? Vermutlich ja, ist der Italiener doch von seinem Tun, vom Krisenmanagement der EZB voll überzeugt. Teils zu recht, haben diese drei Worte ihren Sinn und Zweck doch erfüllt: Schlimmere Verwerfungen der Finanzkrise wurden verhindert. Die wirtschaftliche Erholung in der Eurozone gewinnt an Breite. Den meisten europäischen Volkswirtschaften ist die Rückkehr an den Kapitalmarkt mehr oder weniger gelungen. Die Preissteigerungsrate nähert sich mehr und mehr dem EZB-Zielwert von zwei Prozent an. Die Frage ist, wie der EZB-Chef die negativen Folgen seines Tuns inzwischen bewerten würde? Würde er heute zögern, wenn er wüsste, was dann alles noch folgen muss? Nullzinspolitik, Anleihekaufprogramme, langfristige Refinanzierungsprogramme - die EZB hat nahezu alle bekannten Theorien über den Haufen geworfen und die bekannten Mechanismen außer Kraft gesetzt. Zins ist längst kein Maßstab mehr für Risiko.

"Whatever it takes" kann natürlich auch auf die "Opfer" der EZB-Politik bezogen werden. Kollateralschaden nennt man das dann wohl. Beispiele gibt es einige, vor allem aus der Finanzindustrie. Der Pfandbrief, Ausdruck höchsten deutschen Qualitätsverständnisses, rentiert sich heute wegen der unbeschränkten Absatzmöglichkeiten dank der Anleihekäufe kaum noch. Große Anleger wie beispielsweise die Allianz Leben werden daher vorläufig nicht mehr in Pfandbriefe investieren. Schließlich müssen sie die gegebenen Garantieversprechen an ihre Kunden erfüllen. Dann: Die Geldflut und die Suche nach anderen Anlagemöglichkeiten lässt Immobilienpreise immer weiter steigen - ein deutscher "Wohngipfel" ist nötig, um überhaupt noch für bezahlbaren Wohnraum sorgen zu können. Fünf Milliarden Euro an Hilfen aus der Staatskasse hat die Kanzlerin schon zugesagt. Schließlich die schleichende Enteignung der Sparer durch Null- und Negativzinsen samt all den Konsequenzen für die Altersvorsorge.

Und inzwischen zeigen sich die negativen Folgen der unkonventionellen und extrem expansiven Geldpolitik immer stärker auch bei den Banken, wohlgemerkt - Fairness muss sein - in Deutschland stärker als in anderen Ländern, weil die Zinsabhängigkeit der deutschen Institute deutlich höher ist. Mit einem Anteil von fast drei Viertel an den operativen Erträgen ist der Zinsüberschuss im langjährigen Durchschnitt die wichtigste Ertragsquelle deutscher Banken. Über alle Bankengruppen betrachtete steht er für gut zwei Drittel der operativen Erträge, bei Sparkassen und Kreditgenossenschaften für etwa drei Viertel. Bei diesen beiden Bankengruppen ist auch der Anteil der zinstragenden Aktiva mit rund 80 Prozent entsprechend hoch.

Laut Berechnungen der Deutschen Bundesbank verringerte sich die Zinsmarge im Jahr 2017 über alle Bankengruppen betrachtet aufgrund des immer stärker rückläufigen Zinsüberschusses von 1,09 Prozent auf nur noch 1,04 Prozent. Damit liegt sie allerdings wieder auf dem Niveau der Jahre 2011 und 2012. Betrachtet man jedoch die Entwicklung einzelner Bankengruppen, zeigt sich die Dramatik der Entwicklung: Betrug die Zinsspanne bei Sparkassen 2012 noch 2,12 Prozent, sank sie bis 2017 auf 1,87 Prozent, bei den Kreditgenossenschaften von 2,21 Prozent auf 1,90 Prozent, bei den Bausparkassen von 1,62 Prozent auf 1,16 Prozent. Freuen können sich dagegen die Realkreditinstitute, die ganz offensichtlich von den günstigen Refinanzierungsbedingungen über den Kapitalmarkt und die Tender der EZB profitieren: Deren Zinsmarge stieg nämlich zwischen 2012 und 2017 von 0,43 Prozent auf 0,58 Prozent.

Lange Zeit konnten Volumenausweitungen insbesondere in der Immobilienfinanzierung ein wenig Ausgleich zum Rückgang der Zinsüberschüsse leisten. Doch auch dieses Potenzial wird kleiner. Die immer weiter steigenden Preise führen mehr und mehr zu Zurückhaltung der gewerblichen Immobilienfinanzierer, in den Halbjahresergebnissen zeigen sich bereits erste Bremsspuren, da die Institute zum Glück nicht gewillt sind, von ihrer immer noch relativ strikten Risikopolitik abzuweichen. Besser haben es da noch die privaten Wohnimmobilienfinanzierer, auch wenn hier natürlich ebenfalls immer höhere Preise für Bauland, Bau- und Nebenkosten sowie ein enormer Preiswettbewerb bei den Finanzierungen auf die Margen drücken und ein drohender Konjunkturabschwung zur Vorsicht mahnen. Aber die Zinsen bleiben dank Draghi ja noch lange niedrig. Von daher wird man auch in diesem Jahr auf der Expo Real wieder nichts von Krise oder Blasen hören, allenfalls von Vorsicht beziehungsweise Zurückhaltung, aber auf jeden Fall von viel guter Laune und vielen guten Geschäften. Hoffentlich!

Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft
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