WOHNEN UND ARBEITEN

Philipp Otto

"Wenn heute der letzte Tag in meinem Leben wäre, würde ich tun wollen, was ich heute tun werde? Und wann immer die Antwort mehrere Tage hintereinander Nein war, wusste ich, dass ich etwas ändern musste." So einfach erklärte Steve Jobs einmal seinen Erfolg.

Mehr und mehr junge Leute verinnerlichen diese und ähnliche Botschaften. Sie sind mit neuen Technologien aufgewachsen. Sie sind verwöhnt, von umsorgenden Eltern beschützt und verteidigt. Sie sind auch erfolgsverwöhnt, mit guten Noten in einem immer niveauloser werdenden Bildungssystem ausgezeichnet. Sie sind kritikunfähig. Sie sind selbstbewusst. Sie sind illoyal. Sie wollen feste Arbeitszeiten und bitte keine variable Vergütung, mit der man sie anstacheln könnte. Sie wollen in ihrer Freizeit nichts mit der Arbeit zu tun haben. So oder so ähnlich lauten all die vielen Vorurteile - oder soll man sagen Charakteristika - der "Generation Z". Aber sie sind auch die Zukunft. Und sie kommen in einer Zeit auf den Arbeitsmarkt, in der mehr Mitarbeiter ausscheiden als neue nachrücken. Von daher müssen sich die Unternehmen den Anforderungen dieser neuen Generation stellen.

Das betrifft auch das Thema Wohnen. Wenn Mitarbeiter die Wahl zwischen verschiedenen Arbeitgebern haben und Wohnraum immer teurer und knapper wird, kann das zum entscheidenden Faktor im Wettbewerb um Talente werden. Da wird das uralte Konzept der Werkswohnungen - BASF baute beispielsweise schon 1872 die Hemshof-Kolonie, um Arbeitern vom Land Unterkünfte in der Industriestadt zu bieten - plötzlich wieder ganz modern. Der Social-Media-Konzern Facebook beispielsweise baut in Menlo Park in der Nähe von San Francisco und des Firmensitzes den "Willow Campus" ein ganzes Städtchen mit 1 500 Wohnungen und Infrastruktur nur für die Beschäftigten. Apple unterstützt die Stadt Cupertino mit fünf Millionen Dollar - in der dortigen neuen Apple-Zentrale sollen bald 12 000 Menschen arbeiten. Google will 30 Millionen ausgeben, um 300 Wohnungen an seinem Firmensitz in Mountain View zu bauen.

Die Renaissance der "Werkswohnungen" ist aber beileibe kein Phänomen der US-amerikanischen Tech-Giganten. Die BASF-Konzerntochter "Bauen und Wohnen" besitzt rund 6 000 Wohnungen in Ludwigshafen und Umgebung und baut jährlich rund 40 neue Einheiten. Die VW Immobilien GmbH vermietet 9 000 Wohnungen in Wolfsburg und plant hunderte neue, vom möblierten Appartement bis zur 5-Zimmer-Wohnung. Knapp eine halbe Million Werkswohnungen gab es früher, noch bis in die siebziger Jahre hinein. Dann allerdings kamen der Strukturwandel und die demografischen Veränderungen. Auch die Privatisierung spielte eine Rolle, denn die neuen Besitzer der ehemaligen Eisenbahner-Wohnungen der Deutschen Bahn oder der Einheiten der Deutschen Post beispielsweise machten lieber Kasse. Nun wird der Wohnungsmarkt wieder zum relevanten Standortfaktor.

Die Unterstützung von Politik und Immobilienwirtschaft haben die Unternehmen. Für Staats sekretär Gunther Adler sind Mitarbeiterwohnungen ein absolutes Zukunftsthema: "Bei der Gewinnung von Fachkräften sind Unternehmen mit einem Angebot von maßgeschneiderten und bezahlbaren Wohnungen ganz klar im Vorteil", sagt Adler der Zeitung Welt. So kann ein wenig die Wohnungsnot gelindert werden. "Um bedarfsgerecht Wohnungen bereitstellen zu können, müssen in den nächsten Jahren rund 400 000 Wohnungen pro Jahr neu in Deutschland gebaut werden. Davon sollten mindestens 60 000 neue Wohnungen für Haushalte mit mittleren Einkommen und 80 000 Wohnungen für Haushalte mit unteren Einkommen - also Sozialmietwohnungen - jährlich erstellt werden. Mit dem Mitarbeiterwohnen zeigt sich ein Modell, das hier einen Beitrag leisten kann", heißt es in der Handreichung "Mitarbeiterwohnen" des GDW und weiterer Verbände.

Allerdings gibt es auch noch einige Hindernisse: So stellen Mitarbeiterwohnungen einen geldwerten Vorteil dar. So bleibt finanziell nicht immer ein großer Vorteil. Dann besteht die Gefahr, bei Kündigung oder Entlassung auch die Wohnung zu verlieren. Das nächste Thema: Die entsprechenden Flächen müssen vorhanden sein. Hier kann die von Gunther Adler im Interview in dieser Ausgabe angesprochene Verpflichtung der Investoren bei der Baulandvergabe, einen bestimmten Anteil an Sozialwohnungen zur Verfügung zu stellen, für Entspannung sorgen. Allerdings gelten Mitarbeiterwohnungen nicht als Sozialwohnungen. Auch kann nicht jedes unternehmenseigene Grundstück unmittelbar mit Wohnungsbau beplant werden. Hier könnte die Anerkennung der Nutzungskategorie "Urbanes Gebiet" in der Genehmigungspraxis neue Möglichkeiten schaffen. Dann könnte daraus wirklich ein tragfähiges Konzept werden - für Mitarbeiter, die morgen schon wieder woanders sein könnten.

Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft
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