Finanzstabilitätsbericht

Der systemische Stress im Euro-Währungsgebiet ist laut dem Ende Mai 2015 veröffentlichten Finanzstabilitätsbericht der Europäischen Zentralbank in den letzten sechs Monaten gering geblieben. Dies wird unter anderem den Maßnahmen der EZB zugeschrieben, die die Befürchtungen einer zu lange anhaltenden Phase niedriger Inflation mit den sich daraus ergebenden Risiken für die Preis- und Finanzstabilität zerstreut haben. Trotz einer allgemein positiven Stimmungslage an den Finanzmärkten, so der Bericht, ist es weltweit wiederholt zu Spannungen gekommen. Das Vertrauen der Großbanken in ihre Fähigkeit, in Stressphasen als Market Maker zu fungieren, hat abgenommen.

Verglichen mit der wachsenden Bereitschaft zur Übernahme finanzieller Risiken sieht der Bericht die wirtschaftliche Risikobereitschaft im Euroraum nach wie vor als weniger stark ausgeprägt. Besonders deutlich werde dies an dem Gegensatz zwischen steigenden Finanzmarktpreisen und niedrigen Sachinvestitionen. Zwar gewinne die wirtschaftliche Erholung im Eurogebiet an Fahrt, doch sei sie im internationalen Maßstab weiterhin schwach. Zugleich nehme die Kreditvergabe an die Realwirtschaft nicht zuletzt dank der geldpolitischen Maßnahmen der EZB wieder zu.

Ungeachtet dieser Anzeichen einer konjunkturellen Aufhellung wird das Risiko eines anhaltend geringen nominalen Wachstums weiterhin als eine Herausforderung für die Finanzstabilität im Euroraum gesehen. Sollte es zu länder-, sektor- und institutsspezifischen Problemen kommen, wären dem Bericht zufolge makroprudenzielle Maßnahmen erforderlich, da die Geldpolitik auf die Gewährleistung von Preisstabilität ausgerichtet bleibt. Schwachstellen im Finanzsystem rühren demnach weiterhin nicht nur von den Finanzmärkten, sondern auch von den Finanzinstituten her; diese reichen von Banken bis hin zu Versicherungsgesellschaften und umfassen in zunehmendem Maße auch den Schattenbankensektor. Die Ertragskraft der Banken bleibt schwach, so der Bericht, und die Eigenkapitalrendite liegt oftmals unter den Kapitalkosten. Trotz der bisher ausgewiesenen soliden Rentabilität sieht der Bericht auch die Versicherungsgesellschaften im Eurogebiet vor zunehmenden Herausforderungen, da das Niedrigzinsumfeld ihre traditionelle Praxis, auf festverzinsliche Vermögenswerte als Renditeinstrument zurückzugreifen, infrage stellt.

Der Bereich der Schattenbanken wächst laut Bericht weiter kräftig, was die Gefahr systemischer Risiken erhöht. Die Folge: Hoch verschuldete Staaten bleiben anfällig für wirtschaftliche und finanzielle Schocks. Die EZB hat vier Risiken für die Finanzstabilität in den kommenden anderthalb Jahren herausgefiltert:

- eine plötzliche Umkehr der niedrigen Risikoprämien, verstärkt durch eine geringe Sekundärmarktliquidität,

- schwache Ertragsaussichten für Banken und Versicherer vor dem Hintergrund eines niedrigen nominalen Wachstums und zögerlicher Fortschritte bei der Abwicklung von Problemaktiva,

- zunehmende Bedenken hinsichtlich der Schuldentragfähigkeit von Staaten und Unternehmen bei niedrigem Nominalwachstum und nicht zuletzt

- zukünftige Spannungen und Ansteckungseffekte in einem rasch wachsenden Schattenbankensektor.

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