Differenzierte Regulierung - ein Plädoyer aus der Perspektive deutscher Sparkassen

Dr. Karl-Peter Schackmann-Fallis, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied, Dr. Mirko Weiß, Referent, beide Deutscher Sparkassen- und Giroverband (DSGV), Berlin, und Prof. Dr. Horst Gischer, Inhaber des Lehrstuhls für Monetäre Ökonomie und öffentlich-rechtliche Finanzwirtschaft, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und Geschäftsführender Direktor des Forschungszentrums für Sparkassenentwicklung e.V. (FZSE) - Dass die Bankenregulierung europaweit und international geregelt werden sollte, stellen die Autoren keineswegs infrage. Aber sie wollen unterschiedliche Verhältnisse angemessen behandelt wissen. Zu den Defiziten der aktuellen Regulierungsagenda und damit Feldern mit Handlungsbedarf rechnen sie neben der Gleichbehandlung der Kreditwirtschaft gegenüber Fintechs und den sogenannten Schattenbanken insbesondere die fehlende Differenzierung nach Größenklassen und betonen die gesellschaftspolitische Rolle kleiner und mittlerer Unternehmen einschließlich ihrer Bedeutung für die Kreditversorgung in der Region. Den Vorschlag einer "Small and Simple Banking Box" werten sie als ökonomisch richtigen Ansatz, der gesellschaftspolitisch breite Unterstützung finden könnte. (Red.)

Die bankregulatorische Aufarbeitung der Finanzmarktkrise fand umfangreich statt und sollte in ihren großen Leitlinien als abgeschlossen gelten. Nun ist es an der Zeit, die Dinge zu evaluieren und zu analysieren, ob die Ziele, die politisch hinter der Regulierungsagenda standen, tatsächlich erreicht werden. Zu diesen übergeordneten Zielen zählen:

- die Eingrenzung von Systemrelevanz beziehungsweise von "too big to fail",- die Schaffung diversifizierter Marktstrukturen,

- die Re-Fokussierung des Bankensektors auf seine grundlegenden volkswirtschaftlichen Aufgaben, das heißt eine funktionierende Intermediation, eine tragfähige Fristentransformation und ein umfassender Abbau asymmetrischer Informationen im Kreditgeschäft.

Erkennbare Defizite

Vor diesem Hintergrund bestehen erkennbare Defizite, zum Beispiel:

1. Nachjustierungsbedarf im Sinne einer Differenzierung,

2. Schließung weiter bestehender Regulierungslücken im Schattenbankenbereich und Vermeidung neu aufkommender Regulierungsarbitrage, etwa bei Fintechs oder Kreditvermittlungsplatt formen,

3. konsequente Umsetzung von getroffenen Vereinbarungen in Europa, 4. Beseitigung unerwünschter Verteilungswirkungen der Bankenunion.

Im Folgenden werden die genannten Unzulänglichkeiten zum einen konkret adressiert, zum anderen werden Vorschläge zu deren Reduzierung aus der speziellen Perspektive öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute unterbreitet.

Internationalisierung der Regulierung

Es ist die wohl wesentlichste politökonomische Veränderung der letzten Jahre, dass Bankenregulierung ihren Ursprung immer stärker auf internationaler, mindestens aber auf europäischer Ebene findet. Die G20-Staaten als Entscheidungsgremium sowie das Financial Stability Board (FSB) und der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht als Arbeitsgremien nehmen seit der Finanzmarktkrise eine bedeutende Rolle ein.

In Europa fordern die EU-Kommission und ihre nachgelagerten Behörden mit Verweis auf den Binnenmarkt und formal gestützt auf Art. 114 AEUV das uneingeschränkte Regelungsmandat im Bereich der Bankenregulierung. Die Kompetenz der nationalen Ebene verschwindet zunehmend in einer rein administrativen Ausführungsrolle.

Zu starke Orientierung an Großbanken

Die Internationalisierung und Europäisierung der Bankenregulierung ist im Grundsatz zu begrüßen, denn sie schaffen die Voraussetzung, um Regulierungsarbitrage einzugrenzen und einem ungesunden "race to the bottom" in den Standards entgegenzuwirken. Aber: Die Gefahr - und das ist die zu beachtende Kehrseite - ist eine Uniformität der Regeln sowie eine übermäßige Orientierung an den Strukturmerkmalen von Großbanken und eines kapitalmarktbasierten Finanzsystems. Es sei in diesem Zusammenhang explizit an die Grundsatzübereinkunft der G20 von Washington im November 2008 erinnert: "Kein Finanzmarkt, kein Finanzmarktakteur und kein Finanzmarktprodukt darf ohne angemessene Regulierung und Aufsicht sein."1) Auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel hat diesen Grundsatz auf dem Sparkassentag in Düsseldorf noch einmal wiederholt und insofern seine politische Relevanz bekräftigt. Besondere Beachtung verdient in diesem Kontext vor allem das Wort "angemessen".

Unzureichende Beachtung des Subsidiaritätsprinzips

Die Kreditwirtschaft war und ist mit einer Fülle neuer Regulierungsvorgaben konfrontiert. Die Hauptkritik nicht nur des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) richtet sich dabei nicht auf eine Verschärfung der Regulierung als solche, sondern der fundamentale Fehler, den die Regulatoren begehen, lautet: "One size fits all." Problematisch ist, dass durch Regulierung zu großen Teilen Fixkosten entstehen, die kleine und mittlere Kreditinstitute überproportional stark belasten.2)

Diese Flut an Regulierung ist für kleine und mittlere Institute kaum mehr handhabbar, selbst wenn sie die materiellen Anforderungen erfüllen. Es sind die Kosten der Umsetzungsprojekte, der laufenden Dokumentationspflichten, des Meldewesens und der organisatorischen Aufstockungen in den Bereichen Compliance und Risikomanagement sowie die damit einhergehenden zusätzlichen Personalkosten, die kleine und mittlere Institute übermäßig stark belasten.3)4) Inzwischen spricht man auch von "too small to comply".

Ein derart undifferenzierter Ansatz in der Bankenregulierung ist mit Blick auf Finanzmarktstabilität jedoch fatal, denn er zwingt kleinere Institute wegen der administrativen Fixkosten zu Fusionen. Damit verschärft die Politik selbst das "Too big to fail"-Problem. Eine Differenzierung wäre insofern gerade aus makroprudenzieller Perspektive geboten: Heterogenität und eine eher atomisierte als oligopolisierte Marktstruktur wirken systemischer Instabilität des Gesamtmarktes entgegen.5)

Hinzu kommt, dass gerade regional ausgerichtete Institute wichtige gesellschaftspolitische Funktionen wahrnehmen: Präsenz in der Fläche, Sicherung von Financial Inclusion sozial schwächerer Bevölkerungsschichten, ausgeprägte Kreditvergabe an kleine und mittelständische Unternehmen. Gefährdet Regulierung kleine und mittelgroße, regional ausgerichtete Institute, ist auch die Wahrnehmung dieser gesellschaftlichen Rolle in Gefahr.

Um dem entgegenzuwirken, muss Regulierung stattdessen nach dem Geschäftsmodell, nach den systemischen Risiken und nach dem Aktionsradius eines Instituts differenzieren: Regional tätige Institute mit einlagenbasiertem Kreditgeschäft brauchen andere Regeln als global tätige Großbanken.

Viele ausländische Marktbeobachter haben sich in den letzten Jahren gefragt, warum es in Deutschland zu keiner Kreditklemme gekommen ist und der hiesige Mittelstand letztlich auch deshalb so krisenresistent war. Ein Grund für die solide Kreditversorgung ist die spezifische Bankenmarktstruktur in Deutschland und damit einhergehend die Ausrichtung der Sparkassen und der Genossenschaftsbanken auf die Region, auf langfristige Kundenbeziehungen, auf das traditionelle Bankgeschäft.6) Dass Deutschland diese Struktur hat, ist auch dem spezifischen Aufsichtsansatz in der Vergangenheit zu verdanken. Proportionalität und Differenzierung sind seit Langem elementarer Teil des Grundverständnisses der Aufsichtskultur in Deutschland. Damit werden einerseits Belange der Finanzmarktstabilität hinreichend beachtet und andererseits eine administrative Überforderung kleiner und mittelgroßer Kreditinstitute vermieden.

Proportionalität und Differenzierung als elementare Teile der Aufsichtskultur

Proportionalität findet sich als Grundsatz auch in den Statuten der European Banking Authority (EBA) wieder.7) In der tatsächlichen Arbeit der EBA vermisst man ihn allerdings zuweilen, wodurch ein oftmals hoher administrativer Aufwand entsteht. Ebenfalls haben nicht nur die Sparkassen die Befürchtung, dass die EBA-Standards - auch aufgrund der (noch) räumlichen Nähe zur Londoner City - zu sehr auf Großbanken und kapitalmarktorientierte Strukturen fokussieren und dabei die Wirkungen auf kleine und mittelgroße Kreditinstitute nicht hinreichend berücksichtigen.

Dringend erforderlich ist in absehbarer Zeit eine Bestandsaufnahme der Finanzmarktregulierung. Dazu gehört sowohl die Untersuchung der Auswirkungen der verschiedenen einzelnen Maßnahmen als auch die Beurteilung des gesamten Regulierungsrahmenwerks mit Blick auf Praktikabilität, Zielgenauigkeit, Konsistenz und Proportionalität. Zusätzlich ist es - insbesondere auch im Rahmen der anstehenden CRR/ CRD-Novelle - zentral, die Regulierungsvorgaben sowie anknüpfend die Aufsichtsintensität nach Größe des Instituts sowie Risikostruktur und Komplexität der Geschäftstätigkeit zu differenzieren.

Mit der Forderung nach Differenzierung stehen Sparkassen und Kreditgenossenschaften im Übrigen nicht allein. Es handelt sich nicht um Partikular-, sondern um volkswirtschaftliche und gesamtgesellschaftliche Interessen. So hat das Europäische Parlament in seiner Entschließung zur "Bestandsaufnahme der EU-Finanzmarktregulierung" vom Januar 2016 unter anderem die Notwendigkeit einer Vielfalt der Geschäftsmodelle betont und angemahnt, eine entsprechende Differenzierung in der Regulierung vorzunehmen.8) Die Forderung nach einer Differenzierung hat ebenfalls der Deutsche Bundestag in dem im Februar dieses Jahres angenommenen Antrag "Das Europäische System der Finanzaufsicht effizient weiterentwickeln" unterstrichen.9)

Small and Simple Banking Box

Darüber hinaus hat der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) - als Institution der organisierten europäischen Zivilgesellschaft - in einer Stellungnahme vom Juli 2015 die Bedeutung von regional bezogenen Geschäftsmodellen im Bankbereich für Wirtschaftsentwicklung und territoriale Integrität betont.10) Der EWSA spricht sich dafür aus, die regulatorischen Rahmenbedingungen für regionale Kreditinstitute im Sinne einer Differenzierung zu verbessern. Die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der europapolitischen Subsidiarität müssen gewahrt bleiben.

Von der EU-Kommission und der EBA darf nun mit Recht erwartet werden, den Forderungen der Parlamentarier und der organisierten Zivilgesellschaft Rechnung zu tragen. Die von Deutschland und Großbritannien ins Spiel gebrachte "Small and Simple Banking Box" ist diesbezüglich der ökonomisch richtige und gesellschaftspolitisch eine breite Unterstützung findende Ansatz. Die Grenzen der "Box" sollten entlang der Kriterien:

1. Systemrelevanz beziehungsweise Größe,

2. Risikogehalt und Komplexität des Geschäftsmodells sowie

3. Ausmaß der grenzüberschreitenden Aktivitäten

verlaufen. Diese Faktoren müssen in Kombination betrachtet werden. Um dabei eine praktikable Abgrenzung zu finden, eignet sich die aufsichtliche Einstufung als "Anderweitig systemrelevantes Institut (A-SRI)/Other Systemically Important Institution (O-SII)" nach Art. 131(3) CRD beziehungsweise § 10 g(2) KWG oder als "Global systemrelevantes Institut (G-SRI)/ Global Systemically Important Institution (G-SIB)" nach Art. 131(2) CRD beziehungsweise § 10 f(2) KWG. Die nicht als A-SRI oder G-SRI eingestuften Institute wären Teil der Simple Banking Box.

Definitionsgrenze nach Bilanzsumme denkbar

Alternativ wäre die in Art. 142 CRR enthaltene Definitionsgrenze für "große Unternehmen der Finanzbranche" von 70 Milliarden Euro Bilanzsumme denkbar. Die im Single Supervisory Mechanism (SSM) verwendete Unterteilung in signifikante und weniger signifikante Institute scheint hingegen ungeeignet. Dies bestätigt im Übrigen auch die Ende Juni 2016 veröffentlichte Liste der "Other Systemically Important Institutions" in Europa, in welcher die Grenze deutlich oberhalb der SSM-Trennlinie liegt.

Bei einer Differenzierung geht es nicht um breitflächig geringere Standards, sondern darum, dass nicht alle Regeln für alle gelten müssen, mindestens aber in unterschiedlicher Komplexität. Vor allem müssen Entlastungen im administrativen Bereich erfolgen. Neben dem aufsichtlichen Meldewesen betrifft das die Anforderungen an Organisationsstrukturen und an das externe Berichtswesen, an den Nachweis angemessener Vergütungsstrukturen und es betrifft den Umfang quantitativer Betrachtungen im Rahmen interner Stresstests sowie der Säule-II-Beurteilung. Allgemein sollte die Regulierung wesentlich stärker mit Bagatellgrenzen sowie Schwellenwerten arbeiten und die Basel-Standards nur für international tätige Institute sowie solche mit riskanten Geschäftsmodellen vollumfänglich Anwendung finden.11)

Zudem sollte überlegt werden, für die europäische Ebene die in der deutschen Aufsichtspraxis etablierten Arbeitsgruppen als Dialogplattform zwischen Aufsichtsinstitutionen und beaufsichtigten Instituten einzurichten, beispielsweise den "Gesprächskreis kleine Institute". Diese Arbeitsgruppen haben in der Vergangenheit nicht nur die allgemeine Kommunikation verbessert, sondern vor allem dazu beigetragen, in der praktischen Umsetzung des Aufsichtsrechts zu vernünftigen Lösungen im Sinne des Proportionalitätsgedankens zu kommen.

Wichtig ist zu betonen, dass eine Differenzierung keine Bevorteilung oder Privilegierung darstellt. Bankenregulierung ist kein Selbstzweck, sondern dient zuvorderst der Sicherung von Finanzmarktstabilität und der Begegnung negativer externer Effekte beziehungsweise daraus erwachsender systemischer Risiken. Genau aus diesem Grund ist es ordnungspolitisch gerechtfertigt und erforderlich, entlang der aufsichtlichen Einstufung als A-SRI beziehungsweise G-SRI zu differenzieren.

Bankenunion und Einlagensicherung

Proportionalität muss sich zudem in den Regeln zur europäischen Bankenabgabe wiederfinden. Die jetzige Ausgestaltung wird dem nicht gerecht:

- Zum einen ersetzt die europäische Bankenabgabe den Freibetrag, den es in der deutschen Bankenabgabe gab, durch ein Pauschalbeitragssystem, das jedoch an sehr niedrige Schwellenwerte gebunden ist.

- Zum anderen verzichtet die europäische Bankenabgabe auf einen progressiven Abgabesatz. Genau jener wäre indes zur Internalisierung negativer externer Effekte aus Systemrelevanz erforderlich.

Die Umstellung auf die europäische Bankenabgabe 2015 belastet zum Beispiel die deutschen Sparkassen enorm: Die Zahlungen der öffentlich-rechtlichen Institute haben sich verachtfacht (von 14 Millionen Euro 2014 auf 113 Millionen Euro im Jahr 2015). Für 2016 ist eine nochmalige Erhöhung zu konstatieren, auf nunmehr 139 Millionen Euro. Gerade mittelgroße Institute müssen hohe Zusatzkosten verkraften, während Großbanken von der EU-Kommission aufgrund der Erlaubnis, ihre Derivatebestände durch ein Netting "kleinrechnen" zu können, entlastet wurden. Hinzu kommt, dass die Risikokomponente durch ihre ungeeignete methodische Konstruktion nicht als risikoadäquates Korrektiv wirkt. Unter Einbeziehung der anstehenden Bewertung des Risikoanpassungsmultiplikators durch die EU-Kommission12) muss daher über eine Überarbeitung der Delegierten Verordnung der Kommission13) nachgedacht, müssen oben genannte Aspekte kritisch analysiert und Verteilungswirkungen beleuchtet werden.

Erhöhung der Gebühren für die indirekte EZB-Aufsicht

Neben der signifikanten Erhöhung der Beitragslast sind die fehlende Transparenz und Nachvollziehbarkeit bei der Berechnungssystematik zu kritisieren. Diese Intransparenz ist an sich verwaltungsrechtlich schon problematisch genug. Wenn es dann, wie in diesem Jahr geschehen, noch Fehler in der Berechnung gibt, die infolge der Intransparenz für den Zahlungspflichtigen nur mit größten Mühen nachweisbar sind, ist zweifellos eine Grenze des rechtstaatlichen Verständnisses überschritten.

Dass - anders als in zahlreichen EU-Ländern (unter anderem Irland, Portugal, Spanien) - die Bankenabgabe in Deutschland nicht als Betriebsausgabe steuerlich abzugsfähig ist, verschärft die Belastung für die Institute zusätzlich. Im Übrigen stellt diese Praxis eine Wettbewerbsverzerrung dar und ist steuersystematisch fragwürdig, weil es dem Nettoprinzip widerspricht.

Ergänzend zur gestiegenen Bankenabgabe hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Gebühren für Less Significant Institutions (LSIs) 2016 um zirka 30 Prozent angehoben. Pro Milliarde Bilanzsumme sind nun vonseiten der LSIs - nur für die indirekte EZB-Aufsicht - zirka 10 000 Euro fällig. Hinzu kommen die Umlagen für die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA) und absehbar für das Single Resolution Board (SRB). In Europa wird zudem darüber nachgedacht, die Kosten der European Supervisory Authorities (ESAs) - EBA, European Securities and Markets Authority (ESMA) und European Insurance and Occupational Pensions Authority (EIOPA) - vollständig der Finanzwirtschaft anzulasten und insbesondere den Finanzierungsanteil der EU-Kommission auf null zu setzen. Es ist daher an der Zeit, auch über die Verteilungswirkungen der Bankenunion und deren Einfluss auf die Marktstruktur neu nachzudenken.

Die Schieflage in der Verteilungswirkung verstärkt sich im Übrigen noch, sollte der Vorschlag der EU-Kommission zur Schaffung eines European Deposit Insurance Schemes (EDIS) in der im November 2015 vorgelegten Form Umsetzung finden.14) Dieser Vorschlag würde bedeuten, dass das Sicherungssystem der Sparkassen-Finanzgruppe seine gesamte Zielausstattung in Höhe von zirka 5 Milliarden Euro nach Europa transferiert. Da EDIS institutssichernde Maßnahmen ausschließt, wird es keinen Rücklauf geben. Es geht also um ein Geschenk von 5 Milliarden Euro. Die Sparkassen-Finanzgruppe stünde dann vor der Herausforderung, für einen eigenen zusätzlichen Fonds nochmals 5 Milliarden Euro ansparen zu müssen.

Kritik an dem undifferenzierten Ansatz

Ökonomisch und gesellschaftspolitisch war die Re-Regulierung des Finanzsektors nach der Finanzmarktkrise richtig und wichtig. Kritik gilt vornehmlich dem undifferenzierten Ansatz, der die Regulierung fast ausnahmslos bestimmt. Die gegenwärtige Regulierung ist für kleine und mittelgroße, regional ausgerichtete Institute in der Masse zu umfangreich und im Detail zu kompliziert. Inzwischen ist eine erhebliche Schieflage in den Regulierungskosten und in den Verteilungswirkungen der Bankenunion zu konstatieren. Die Wucht der Last ist auf die kleinen und mittleren Institute gerutscht und droht, diese zu lähmen.

Die Bankenregulierung sowohl auf europäischer als auch internationaler Ebene muss künftig darauf achten, dass sich die Regeln deutlich stärker nach Größe beziehungsweise Systemrelevanz des Instituts sowie nach Risikostruktur und Komplexität der Geschäftstätigkeit unterscheiden. Gleiche Regeln für alle belasten kleine und mittelgroße Institute überproportional und erschweren deren wichtige Rolle bei der Finanzierung der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Die alsbald anstehende Novelle des CRD-IV-Pakets muss daher genutzt werden, um insbesondere in den Bereichen Meldewesen und Offenlegung das Proportionalitätsprinzip ausgeprägter zu berücksichtigen und Elemente, welche der KMU-Kreditvergabe entgegenstehen, anzupassen.

Mit Blick auf die EBA entstand für die Sparkassen in den vergangenen Jahren der Eindruck eines überzogenen Uniformitätsbestrebens sowie einer zu einseitigen Orientierung an den Strukturmerkmalen international tätiger Banken. Eine solche Entwicklung wäre gefährlich, denn es steht zu befürchten, dass bewährte Strukturen der allgemeinen Harmonisierung zum Opfer fallen. Diesbezüglich ist in der Arbeit der EBA entsprechend umzusteuern.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass es aus Sicht der Sparkassen nicht dazu kommen darf, dass der nationale Aufseher nur noch pro forma für die Aufsicht zuständig ist, tatsächlich aber infolge von EBA-Standards und Guidelines sowie durch EZB-Vorgaben durchgängig fremdbestimmt ist. Insofern muss sowohl die Zahl der Delegierten Rechtsakte als auch die teils umfangreiche Selbstmandatierung der EBA in hohem Maße kritisch gesehen werden.15)

Fußnoten

1) "We ... ensure that all financial markets, products and participants are regulated or subject to oversight, as appropriate to their circumstances." G-20 2008, Declaration of the Summit on Financial Markets and the World Economy, Washington DC, 15 November 2008, www.oecd. org/g20/summits/washington-dc/declarationofthesummitonfinancialmarketsandtheworldeconomy.htm; Hervorhebung von den Autoren.

2) Alessandrini et al. (2016: 17) kritisieren mit Blick auf Europa: "Given that a large part of meeting regulation is a fixed cost, its burden falls proportionally more on small, local banks than large banks. While this asymmetric burden is recognized and in part corrected in the United States, it is instead almost ignored in the European Union, where the 'one-size fits all' rule prevails ... There is an apparent contradiction between the policy of banking consolidation and retrenchment and the objectives of financial stability and economic development". Alessandrini, P./M. Fratianni/L. Papi/A. Zazzaro 2016, "Banks Regions and Development after the Crisis and under the new Regulatory System", University Ancona Money & Finance Research Group Working Paper Series, No. 124.

3) Allein die Durchführungsverordnung EU/680/ 2014 zu CoRep (Common Reporting Framework of Solvency) und FinRep (Financial Reporting) umfasst rund 1800 Seiten.

4) Dass die durchschnittlichen Regulierungskosten bei kleinen Banken um ein Vielfaches höher sind, wurde jüngst in einem Gutachten mit empirischen Berechnungen speziell für den genossenschaftlichen Bankensektor untermauert (Hackethal, A./R. Inderst 2015, Auswirkungen der Regulatorik auf kleinere und mittlere Banken am Beispiel der deutschen Genossenschaftsbanken, Gutachten im Auftrag des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken - BVR, Frankfurt am Main).

5) Vgl. exemplarisch Brämer, P./H. Gischer/C. Lücke 2014, "A Simulation Approach to Evaluate Systemic Risk", European Journal of Political Economy, Vol. 34, Supplement, S. S53 bis S64.

6) Beispielhaft bei Schackmann-Fallis, K.-P./H. Schulz 2015, "Bank- versus Kapitalmarktfinanzierung", in: Fahrenschon, G./Kirchhoff, A. G./ Simmert, D. B. (Hrsg.), Mittelstand - Motor und Zukunft der deutschen Wirtschaft: Erfolgskonzepte für Management, Finanzierung und Organisation, Wiesbaden, S. 219 bis 230.

7) Vgl. Verordnung EU/1093/2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), insbesondere Erwägungsgründe 23 und 66.

8) Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Januar 2016, EU-Vorschriften für den Finanzdienstleistungssektor - Bestandsaufnahme und Herausforderungen: Auswirkungen und Wege zu einem effizienteren und wirksameren EU-Rahmen für die Finanzregulierung und eine Kapitalmarktunion, 2015/2106(INI).

9) Deutscher Bundestag 2016, Europäisches System der Finanzaufsicht effizient weiterentwickeln, Deutscher Bundestag Drucksache 18/7539.

10) Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss 2015, Die Bedeutung von Genossenschaftsbanken und Sparkassen für den territorialen Zusammenhalt - Vorschläge für einen angepassten Finanzregulierungsrahmen (Initiativstellungnahme), EU-Amtsblatt 2015/C 251/02.

11) Vgl. auch Hartberg, A. 2016, "Interview mit Andreas Dombret: 'Unbedingt genauer ansehen'", Sparkassen Zeitung, 29. Juli 2016 (Nr. 30), S. 1 und 4.

12) Gemäß Erwägungsgrund 27 der Delegierten Verordnung EU/2015/63 sowie Erwägungsgrund 19 der Durchführungsverordnung EU/2015/81 hat die EU-Kommission den Risikoanpassungsmultiplikator bei der Berechnung der Bankenabgabe und insbesondere seine Skalierungsbreite zu überprüfen.

13) Delegierte Verordnung EU/2015/63 der Kommission zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59/EU im Hinblick auf im Voraus erhobene Beiträge zu Abwicklungsfinanzierungsmechanismen.

14) Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung EU/806/2014 im Hinblick auf die Schaffung eines europäischen Einlagenversicherungssystems, COM/2015/0586 final.

15) Vgl. ausführlich Schackmann-Fallis, K.-P./M. Weiß/G. Indranil 2016, "EU-Bankenaufsicht: Wer garantiert Transparenz und demokratische Legitimation des neuen Systems?", Schriftenreihe des Managerkreises der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Dr. Karl-Peter Schackmann-Fallis , Geschäftsführendes Vorstandsmitglied , Deutscher Sparkassen- und Giroverband e.V., DSGV, Berlin
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