Kreditwesen aktuell

Modell für eine leistungsfähige Sparkassen-Finanzgruppe: Kooperationim Verbund statt vertikale Konzentration

I. In ihrer "Streitschrift für eine grundlegende Neuordnung des Sparkassen- und Landesbankensektors in Deutschland" wollen Heinz Hilgert, Jan Pieter Krahnen, Günther Merl und Helmut Siekmann (im Folgenden: Hilgert u.a.) "die Debatte über einen der bedeutendsten Teile der finanzwirtschaftlichen Infrastruktur unseres Landes, nämlich der Landesbanken und Sparkassen, anstoßen." (Seite 1) Das Thema ist ernsthaft und wichtig genug, um das Angebot zum (wissenschaftlichen) Diskurs zu akzeptieren. Dieser ist freilich erst dann wirklich fruchtbar, wenn eine Alternativposition eingenommen wird, die mit den Vorschlägen der Streitschrift-Autoren konkurriert. Dieser Kontrapunkt soll im vorliegenden Papier beschrieben und argumentativ verteidigt werden. Gegenposition zur Neuorganisation der erhaltenswerten Teile Der Vorschlag von Hilgert u.a. beinhaltet folgende Elemente, die als konsensfähig angesehen werden können: Die Geschäftstätigkeit der Landesbanken umfasst überlebensfähige und nicht überlebensfähige Bestandteile. Zu den Bestandteilen, die erhalten werden sollen, zählen unter anderem das kundenorientierte Kapitalmarktgeschäft, die Projektfinanzierung und das Verbundgeschäft. Die nicht zukunftsfähigen Geschäftsaktivitäten sollen in eine Abwicklungsbank (Bad Bank) eingebracht werden. Kritisch zu beurteilen sind die Vorschläge der Streitschrift-Autoren, wie die erhaltenswerten Geschäftsaktivitäten der Landesbanken neu organisiert werden sollen. Hilgert u.a. schlagen vor, diese Aktivitäten mit Ausnahme des Verbundgeschäfts in neu zu gründende Sparkassenregionalinstitute (SRI) einzubringen. Diese SRIs sollen aus einem Zusammenschluss mehrerer Sparkassen entstehen und neben den Geschäftsaktivitäten, die von den ehemaligen Landesbanken eingebracht werden, auch das Einlagen- und Kreditgeschäft mit Privat- und Firmenkunden betreiben. Die Zusammenfassung von Geschäftsaktivitäten der Landesbanken mit denen der Sparkassen wird als Vertikalisierung bezeichnet. Das Verbundgeschäft soll zusammen mit dem Bauspargeschäft, Leasing, Versicherungen und anderen Finanzdienstleistungen in ein Sparkassenzentralinstitut eingebracht werden. Die Streitschrift-Autoren begründen ihren Vorschlag im Wesentlichen mit folgenden Argumenten: - Die Sparkassen sind in ihrer jetzigen Organisation nicht nachhaltig profitabel. Die Überschüsse der Sparkassen hängen ganz überwiegend vom zinsabhängigen Geschäft ab und werden dort vor allem durch die Fristentransformation erzielt. Eine Integration des Kapitalmarktgeschäfts und der Projektfinanzierung ermöglicht eine bessere Diversifikation der Erlösquellen. - Die bisherige Governance-Struktur der Landesbanken weist Schwächen auf, die durch die Vertikalisierung beseitigt werden können. Eigentümer der Landesbanken sind zurzeit dksoieaernsBundesländer und die Spar ganisation(en) in dem jeweiligen Bundesland. Beide Eigentümergruppen verfolgen häufig unterschiedliche Zielsetzung und blockieren damit eine eindeutige strategische Ausrichtung. - Im Gegensatz zu einer Konsolidierung, die auf eine deutliche Reduzierung der Anzahl an Landesbanken abzielt, wird durch die Vertikalisierung die Wettbewerbsintensität auf dem Bankenmarkt gestärkt, da durch die Vertikalisierung die überlebensfähigen Geschäftsaktivitäten der Landesbanken durch eine deutlich größere Anzahl an Banken weitergeführt wird. Institutionelle Rahmenbedingungen II. Bevor die Analyse und die Schlussfolgerungen von Hilgert u.a. einer näheren Prüfung unterzogen werden, erscheint es sinnvoll und notwendig zu sein, die institutionellen Rahmenbedingungen zu skizzieren, unter denen eine mutmaßlich erforderliche Neuordnung des öffent- lich-rechtlichen Sektors der deutschen Finanzwirtschaft erfolgen sollte. Es ist naheliegend, die jüngste internationale Finanzkrise heranzuziehen, um Mängel und Vorzüge alternativer Bankensysteme zu diagnostizieren. Nicht zuletzt haben die bis dato kaum vorstellbaren Verwerfungen auf den globalen Finanzmärkten die grundlegenden Schwächen insbesondere - im nationalen ebenso wie im internationalen Vergleich - großer Kreditinstitute offenbart. Die gegenwärtig andauernde Diskussion zum Umgang mit systemrelevanten Finanzinstituten (sogenannte SIFIs) tragen nach den jüngsten Vorschlägen des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht den Moral Hazard-Effekten des "too big to fail" beziehungsweise des "too interconnected to fail" in besonderem Maße Rechnung. Eine wesentliche Erkenntnis der vergangenen Krisenjahre liegt fraglos darin, den Einfluss und die (ökonomische) Größe einzelner Institute zu limitieren, ja sogar im Extremfall durch hoheitliche Entflechtung oder im Rahmen von sogenannten "living wills" vorgesehene Aufspaltung in überlebenswerte und nicht überlebenswerte Teile nachträglich zu verringern. Das deutsche Bankensystem zeichnet sich durch ein Nebeneinander großer und teilweise sehr - kleiner Kreditinstitute aus. Es wird geprägt durch Universalbanken, beinhaltet aber auch langjährig erfolgreiche Spezialinstitute. Der wesentliche Unterschied zu anderen Ländern, zum Beispiel den USA, liegt aber weniger in der Heterogenität der Bankengrößen als vielmehr in der Art und dem Umfang der Kooperation der kleinen Einheiten innerhalb gemeinsamer Verbundorganisationen. Auch in den USA bieten rund 7000 kleinere (Regional-) Banken ihre Leistungen am Markt an, im Gegensatz zu Deutschland fehlt ihnen jedoch die gemeinsame "Verbundgruppen-" und "Markenzugehörigkeit". Die Verbundsysteme Sparkassensektor beziehungsweise Genossenschaftssektor bieten die erforderliche Stabilität bei gleichzeitiger Vielfalt im Leistungsangebot und in der örtlichen Präsenz selbst in dünn besiedelten Regionen.1) An der außerordentlichen Belastbarkeit dieser Finanzstruktur kann - wiederum vor dem Hintergrund der Finanzkrise - kein ernsthafter Zweifel bestehen. Wir gehen daher im Folgenden davon aus, dass die Existenz des Drei-Säulen-Modells für das deutsche Bankensystem ausdrücklich nicht zur Disposition steht.2) Seine derzeitige Existenz erscheint indes gefährdet, sollte eine strukturelle Umgestaltung im Sinne der Streitschrift-Autoren tatsächlich stattfinden. Notwendigkeit zur Konsolidierung weitgehend unbestritten III. Die Verteidigung des Systems bedeutet selbstverständlich nicht die Leugnung von faktischen Mängeln. Hilgert u.a. stellen daher durchaus zutreffend fest, dass die derzeitige Situation der Landesbanken wenig zukunftsfähig ist.3) Die Notwendigkeit zur Konsolidierung ist weitgehend unbestritten, allerdings folgt aus dieser Umstrukturierung nicht unmittelbar die Bildung einer (oder mehrerer) großer Einheiten. Insbesondere erfordert die sinnvolle Einbindung einer Landesbank in den Verbund keineswegs die Vertikalisierung beziehungsweise die Verschmelzung mit zuvor selbstständigen Sparkassen. Aus der Finanzkrise leiten die Streitschrift-Autoren die Notwendigkeit her, den Sektor der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute neu zu strukturieren. Das Argument, dass eine Reform des Sektors Landesbanken und Sparkassen bisher eher zufällig und punktuell (Seite 2) diskutiert wird, erfasst die Ausgangslage nur unvollständig; vielmehr sind im Lichte der Finanzkrise wesentliche Risiken für Sparkassen lediglich aufgrund ihrer Eigentümer- und Gläubigerposition bei Landesbanken zu sehen. Letzteres, nämlich die Gläubigerposition, wollen Hilgert u.a. gar nicht reduzieren, sondern vielmehr zwangsweise verfestigen oder in Bad Banks verlagern. Notwendig und sinnvoll ist sicherlich parallel eine Entflechtung der Eigentümerstrukturen bei den Landesbanken. Durch die Vertikalisierung entstehen jedoch neue komplexe Eigentümerstrukturen, da sich nun mehrere kommunale Träger zusammenfinden müssen. Hierdurch eröffnet sich neues Konfliktpotenzial (siehe zum Beispiel Naspa). Es fehlt jeder Beleg für die Annahme, diese Spannungen seien weniger gravierend als die bisherigen. Fehlendes Geschäftsmodell Das grundlegende Problem vieler Landesbanken ist vielmehr ihr (fehlendes) Geschäftsmodell. Die jüngere Vergangenheit belegt die Anfälligkeit dieser Landesbanken, die als "Quasi-Großbanken" auftraten, ohne über die erforderlichen Strukturvoraussetzungen (und auch die notwendige Expertise in einzelnen Geschäftsfeldern) zu verfügen. Die Rolle einer Landesbank im Sparkassen-Verbund wird vornehmlich über die (Mit-)Betreuung des gehobenen mittelständischen Firmenkunden, die Bereitstellung des gesamten Dienstleistungsangebots für im Ausland aktive Firmen- und Privatkunden sowie den Zugang zum institutionellen Kapitalmarkt definiert. Alle darüber hinausgehenden Aktivitäten sind für die Verbundpartner von allenfalls nachgeordnetem Interesse. Eine Restrukturierung der Landesbanken, die zweifellos eine bedeutsame Zäsur für den öffent-lich-rechtlichen Sektor darstellt, hat sich mithin primär an diesen Aufgaben zu orientieren. Von Geschäftsfeldern, die den skizzierten "Servicefunktionen" nicht zugehören, wird sich eine im Finanzverbund dauerhaft überlebensfähige Landesbank durch Veräußerung trennen müssen. Am Ende dieses schmerzhaften Anpassungsprozesses können nur sehr wenige Landesbanken als Verbundpartner bestehen bleiben, vielleicht wäre sogar ein einzelnes Institut die Ideallösung. In der Tat kann die, auch von Hilgert u. a. zu Recht beklagte, Alimentierung einzelner derzeit noch existierender Landesbanken durch die öffentliche Hand oder Sparkassen beziehungsweise deren Verbände nicht schadlos fortgeführt werden. Die komplizierte Gemengelage von Partikularinteressen hat allerdings bisher nachgerade jeden Versuch einer Flurbereinigung im Landesbankensegment zum Scheitern verurteilt. Die Flucht der Sparkassen aus der (direkten) Beteiligung an ihren "Spitzeninstituten" darf aber den Blick auf das "historische Verwandtschaftsverhältnis" nicht verstellen: Es sind die "Mütter", die ihre "Töchter" verstoßen, die (reumütige) Rückkehr in den Familienverbund verlangt daher von den Landesbanken die Unterordnung ihrer eigenen Interessen unter die Erfordernisse der "Eltern". Angesichts dieser Zusammenhänge geht der Vorschlag von Hilgert u.a. zur Bildung von SRIs bei gleichzeitiger Vereinnahmung vormals selbstständiger Sparkassen in die Irre. Selbst den explizit genannten Kriterien "betriebswirtschaftliche Ertragskraft, flächendeckendes Angebot von Finanzdienstleistungen und gesamtwirtschaftliche Nachhaltigkeit" (Hilgert u.a., Seite 1) können die neu gestalteten SRIs allenfalls dann genügen, wenn sie bewusst die Existenz der nicht integrierten lokalen Sparkassen aufs Spiel setzen. Folgt man den Vorschlägen der Autoren (Seite 12f.), so leben die SRIs im Wesentlichen von der Leistungsfähigkeit der "zwangsfusionierten" Sparkassen, mithin von der impliziten - auch bei der Diskussion eines Sparkassenzentralinstituts unterstellten (Seite 14) - Annahme, dass in größeren Einheiten in nennenswertem Umfang Skalenerträge realisiert werden können.4) Die Autoren der Streitschrift lösen das Refinanzierungsproblem von Landesbanken mit der Verpflichtung der (angeschlossenen) Sparkassen, ihren Passivüberschuss dort anzulegen, und verstecken diesen wettbewerbsverzerrenden Zwang hinter dem Begriff "Vertikalisierung". Gleiches gilt ebenfalls für das Eigenkapital; die Autoren nennen das "Entflechtung". Beidem kann nicht zugestimmt werden. Vielmehr wären Strukturen anzustreben, die es Sparkassen je nach ihrer Geschäftsstrategie erlauben, Gläubiger- und/oder Eigentümerpositionen bei Landesbanken einzunehmen. Dass hierbei ein Konsolidierungsprozess (allein) im Bereich der Landesbanken risikoreduzierend wirken würde, ist ebenso augenfällig wie die Tatsache, dass das rentable und regional basierte Sparkassen-Geschäftsmodell hiervon möglichst unberührt sein sollte. "Dreiteilung" nicht sinnvoll Es ist daher nicht zu erkennen, warum die vorgeschlagene "Dreiteilung" des öffent-lich-rechtlichen Sektors - in konventionelle Sparkassen, mehrere SRIs und eine Verbundbank - sinnvoll wäre. Dass man sich von auf Dauer unrentablen Geschäftsfeldern trennen soll, ist eine Binsenweisheit und nicht nur für Finanzinstitutionen richtig, sondern gilt für alle Unternehmen. Die Autoren machen aber nun den wenig überzeugenden Vorschlag, das Kundengeschäft in viele (mindestens mehrere) sogenannte SRIs auszulagern. Die Profitabilität dieser Institute soll durch (günstige) Refinanzierung bei den passivlastigen Sparkassen sichergestellt werden. Kurz: Die Autoren schlagen vor, die stabile Profitabilität der Sparkassen zu reduzieren, um damit die SRIs rentabel und sicher zu machen. Dem kann man nicht zustimmen. Vielmehr sollte das Geschäftsmodell von (mehr oder minder) zentralen Instituten an und für sich bereits profitabel erscheinen. Das kann kaum mit mehren einzelnen SRIs geschehen, die weder im Retail- noch im Firmenkundengeschäft komparative Vorteile besitzen - es sein denn, man zwingt wie beim Vorschlag aus der Streitschrift die Sparkassen zur günstigen Refinanzierung beziehungsweise vertraut auf wenig realistische Betriebsgrößeneffekte als Folge der Vertikalisierung. Solche komparativen Vorteile ergeben sich aus dem Zugang zu den Sparkassen nur für Institute, die auch international wettbewerbsfähig sind - deshalb können es nur einige wenige, gegebenenfalls nur eins sein. Bei Projektfinanzierungen, beim Großkunden- und Kapitalmarktgeschäft darf die Wettbewerbssituation zudem nicht ausschließlich national betrachtet werden, vielmehr ist dieses Geschäft sehr stark international ausgerichtet. Im internationalen Kontext sind die Auswirkungen einer Konsolidierung der Landesbanken auf den Wettbewerb vernachlässigbar. Es besteht vielmehr die Gefahr, dass die SRIs eher zu klein sind, um mit den großen internationalen Playern ernsthaft mithalten zu können. Vielmehr würde (vermutlich nur) eine (bundesweite Zentral-)Landesbank eine Größe erreichen können, die dieses Institut im Konzert der Großbanken wettbewerbsfähig machen würde - mit entsprechenden wohlfahrtsfördernden Wirkungen im Sektor der Großbanken. Finanzierungsprobleme sind hierbei deshalb nicht zu erkennen, weil ja die bisherige Struktur bereits finanziert ist. Die hierzu genannten "intelligenten Beteiligungsmodelle" (Seite 18) wecken den Anschein, als könne allein über Finanzierungsstrukturen der Gesamtkapitalkostensatz gesenkt werden. Das ist vor dem Hintergrund des Modigliani-Miller-Theorems jedoch schlechterdings unmöglich. IV. Es gehört zu den Besonderheiten der Streitschrift, dass sie auf nachprüfbare Belege ihrer zahlreichen Thesen weitgehend verzichtet. Die Diskussion über die mutmaßlich optimale Betriebsgröße (alternativ: Mindestbetriebsgröße) von Banken ist nicht sonderlich neu, sondern seit geraumer Zeit Gegenstand wissenschaftlicher Publikationen.5) Aus heutiger Sicht spricht wenig für die Annahme, dass größere Sparkasseninstitute systematisch bessere betriebswirtschaftliche Ergebnisse erzielen können. Gegen diese durchaus populäre Vermutung spricht im Übrigen auch das persistente Nebeneinander von (sehr) großen und (sehr) kleinen Einheiten sowohl im öffentlich-rechtlichen als auch im genossenschaftlichen Sektor. Nachprüfbare Belege erwünscht Hilgert u. a. fügen auch keine empirischen Belege dafür an, dass die Abhängigkeit vom Zinsgeschäft ein besonderes Risiko beinhaltet. Sicherlich ist ein großer Teil der Zinserträge in den letzten beiden Jahren auf die relativ steile Zinsstrukturkurve zurückzuführen, bei einem Abflachen der Kurve werden die zinsabhängigen Erträge deutlich zurückgehen. Auch gilt, dass das Verhältnis von Zins- zu Provisionsüberschüssen im Sparkassensektor mit 4:1 höher ist als bei der Deutschen Bank (1,4:1) und der Commerzbank (1,9:1)6). In den vergangenen Jahren waren es aber vor allem die Erträge aus dem Handelsbereich - und nicht aus dem zinsabhängigen Geschäft -, die für die Volatilität der Jahresüberschüsse der Banken verantwortlich waren. Darüber hinaus wird die hohe Abhängigkeit der Sparkassen von Zinseinkommen als mangelnde Diversifikation interpretiert. Das ist schon theoretisch falsch: Auf welcher Position der Kapitalmarktgeraden man sich positionieren möchte, hängt vom Grad der Risikoaversion ab. (Groß-)Banken, die in größerem Umfang Marktrisiken tragen, sollten daher im Durchschnitt eine höhere Rendite erzielen - was nachweislich nicht der Fall ist. Die wiederkehrenden Debatten über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Finanzinstituten werden davon geprägt, dass über die Messkonzepte oder Vergleichskriterien nur selten systematisch diskutiert wird. Dabei offenbart bereits ein kursorientierter Blick auf die verschiedenen häufig angewendeten Kennziffern, dass nicht selten Äpfel mit Birnen verglichen werden.7)Die von der Deutschen Bundesbank periodisch vorgelegten Untersuchungen über die Ertragslage der deutschen Kreditinstitute offenbaren, dass die Sparkassen in ihrer jetzigen Struktur sowohl beim Jahresüberschuss8) als auch bei der Gktrteaeanlbspailmität t sowie der Kos-ten-Ertrags-Relation im langjährigen Vergleich zum Teil deutlich besser abschneiden als ihre Konkurrenten. Wettbewerbseffekte beachten Die nachstehenden Abbildungen 1 bis 3 vermitteln einen Eindruck von den Verhältnissen in den vergangenen beiden Dekaden.9) Unter Berücksichtigung der ausgewiesenen Performance ist nur schwer vorstellbar, wie durch eine partielle Verschmelzung von Sparkassen mit den bisherigen Landesbanken die gemeinsame Ertragskraft erkennbar und nachhaltig verbessert werden könnte. Vor diesem Hintergrund gilt es auch, die bei Hilgert u.a. wiederholt vorgetragenen Wettbewerbseffekte zu beurteilen. Leider wird an keiner Stelle das zugrunde liegende Vergleichskonzept thematisiert.10) Mit welchen Wettbewerbern sollen sich die neu zu schaffenden SRIs messen? Worauf sind die Veränderungen der Wettbewerbssituation in den vergangenen Jahren zurückzuführen? Braucht die deutsche Volkswirtschaft vermehrt "große" Institute im Bankenmarkt? Antworten auf diese Fragen bleiben die Streitschrift-Autoren leider schuldig. Relative Wettbewerbsposition verteidigt V. Die Rahmenbedingungen des Wettbewerbs haben sich für die Sparkassen in den vergangenen Jahren erkennbar geändert. Sie konkurrieren zum einen mit den "physisch" präsenten Mitanbietern in der Region, zum anderen aber auch mit den "virtuellen" Wettbewerbern im elektronischen Bankenmarkt. Während das letztgenannte Segment vornehmlich die Passiv- und Provisionsgeschäfte betrifft, beruht das grundständige Kreditengagement mit Firmen- und Privatkunden bis auf wenige Ausnahmen auf persönlichen Verhandlungen und Gesprächen. Nimmt die Zahl der regional vertretenen Kreditinstitute ab, wie dies in der Fläche in den beiden jüngsten Dekaden in hohem Maße der Fall war, dann verbessert sich die Wettbewerbssituation der noch verbliebenen Institute nur bedingt.12) Sie hängt, insbesondere im Aktivgeschäft, wesentlich von der durchschnittlichen Qualität der (potenziellen) Kundschaft ab. Aber selbst in dieser Hinsicht haben auch (vielleicht sogar: gerade) die kleinen Sparkassen aus der Not eine Tugend gemacht: Häufig in räumlich engen und schwach befürchten, dass die Integration der starken, großen Sparkassen in den Ballungsräumen in die SRIs die ökonomische Überlebensfähigkeit der nicht angeschlossenen Sparkassen, die auf den Verbund angewiesen sind, unterminiert. Insbesondere damit gefährdet die Umsetzung der Vorschläge von Hilgert u.a. die gesamte Struktur und Existenz der Sparkassen. Kein Anlass zu Änderungen Die Finanzkrise hat eindrucksvoll gezeigt, dass die gegenwärtige, auf drei Säulen ruhende, Bankenstruktur in Deutschland allen anderen weltweit angewendeten Systemen zumindest nicht unterlegen gewesen ist. Ob es ein "optimales Modell" gibt, ist unklar. Solange das Gegenteil nicht überzeugend belegt wird, besteht kein Grund, Bewährtes aufzugeben. Das breite Spektrum an Bankinstitutionen in Deutschland, sowohl bezogen auf ihre Größe als auch auf ihre Organisationsform oder ihr Geschäftsmodell, sorgt für eine umfassende Risikodiversifikation. Es gibt keinen überzeugenden Anlass, daran etwas zu ändern. * Die Autoren danken Reinhard H. Schmidt (Goethe-Universität Frankfurt) für fruchtbare Diskussionen und viele konstruktive Hinweise zu einer früheren Fassung. Die Zwischenüberschriften wurden von der Redaktion eingefügt. 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(Hrsg.) (2011): Reform der Regulierung der Finanzmärkte - unter wettbewerblichen Aspekten, Baden-Baden Burger, A./Moormann, J. (2008): Productivity in Banks: Myths & Truths of the Cost Income Ratio, in: Banks and Bank Systems, Vol. 3(4), 92-101 Gischer, H. (2010): Wettbewerb und Effizienz in Bankenmärkten, in: Deutscher Sparkassen- und Giroverband (Hrsg.) (2010), Geschäftspolitische Steuerung von Sparkassen zwischen Renditeorientierung und Gemeinwohl, Stuttgart, 15-28 Gischer, H./Reichling, P. (2010): The German banking system and the financial crisis, in: Gup, B. (Hrsg.) (2010): The Financial and Economic Crisis: An International Perspective, Cheltenham/Northampton, 69-78 Gischer, H./Richter, T. (2009): Performancemessung von Banken im internationalen Vergleich, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium (WiSt), Vol. 38(11), 565-572 Gischer, H./Stiele, M. 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Schmidt (2009) für eine internationale Perspektive. 3) Brämer/Gischer/Richter (2010) skizzieren die historische Entwicklung. 4) Gegen Economies of Scale im Bankensektor sprechen zahlreiche empirische Untersuchungen, vgl. exemplarisch Berger/Hanweck/Humphrey (1987) oder Akhavein/Berger/Humphrey (1997). 5) Eine umfassende Bestandsaufnahme mit besonderem Augenmerk auf den Sparkassensektor nimmt exemplarisch Kositzki (2004) vor. 6)Alle Zahlen beziehen sich auf 2009. 7) Vgl. ausführlich Gischer/Richter (2009) und Brämer/Gischer/Richter (2011), im Tenor ähnlich auch Burger/Moormann (2008). 8) Bezogen auf die durchschnittliche Bilanzsumme. 9) Datenquelle: Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, lfd. Jge.; eigene Berechnungen. 10) Ausführlich bei Gischer (2010). 11) Hier definiert als: (Jahresüberschuss vor Steuern plus Zinsaufwand)/durchschnittliche Bilanzsumme. 12) Die hohe Wettbewerbsintensität auf den regionalen beziehungsweise lokalen Bankenmärkten wird regelmäßig hervorgehoben. Sie gilt (unter anderem) als Begründung für die schlechte Ertragslage und damit auch für die geringe Eigenkapitalausstattung der deutschen Banken. 13) Zu den technischen Details und die theoretische Einordnung vgl. Stiele (2008) beziehungsweise Gischer/Stiele (2009). 14) Eine Beschreibung der Herleitung und Aussagekraft dieses in der empirischen Wettbewerbsökonomik sehr gebräuchlichen und auch unter der Bezeichnung "Preis-Kosten-Marge" bekannten Maßes findet sich in jedem gängigen Lehrbuch zur Wettbewerbspolitik, besonders ausführlich zum Beispiel bei Neumann (2000), Seiten 87ff. Ohne auf alle Details eingehen zu können, sei zur Interpretation dieser Kennziffer angemerkt, dass eine Erhöhung des (dimensionslosen) numerischen Wertes eine Verbesserung der relativen Wettbewerbsposition anzeigt. 15 )Hartmann-Wendels/Jäger-Ambrozewicz (2010) erörtern die Probleme und Lösungsansätze am Beispiel der Kreditgenossenschaften. Die Grundgedanken können - mutatis mutandis - in weiten Teilen auf den Sparkassensektor übertragen werden. 16) Vgl. zum Zusammenhang von Stakeholder-Ansatz und öffentlichem Auftrag jüngst Brämer/Gischer/Pfingsten/Richter (2010). 17) Einen empirischen Beleg für die Herbeiführung des regionalpolitischen Ausgleichseffekts durch Sparkassen liefern Hakenes/Xie (2009).

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