Kreditwesen aktuell

Dezentrale Sparkassen - ein Modell mit Zukunft: eine Replik auf die Stellungnahme von Helmut Schleweis

So sehr es zu begrüßen ist, dass nach einer polemischen Reaktion des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) auf unsere "Streitschrift für eine grundlegende Neuordnung des Sparkassen- und Landesbankensektors in Deutschland" jetzt Helmut Schleweis, als Bundesobmann der deutschen Sparkassenvorstände, eine inhaltliche Position bezieht, umso bedauerlicher ist es, dass sich in unserer Streitschrift die von ihm kritisierten Inhalte und Eckpunkte eigentlich nicht wiederfinden. So beruht seine Einschätzung einzelner Überlegungen eventuell auf Missverständnissen oder Fehlinterpretationen. Aus diesem Grunde erscheint es sinnvoll, unseren Vorschlag nochmals kurz zu skizzieren.

Verbundangebot in einem Spitzeninstitut gebündelt

Das vorgeschlagene "Dreiermodell" besteht aus einem neu zu schaffenden Sparkassenzentralinstitut (SZI), mehreren Sparkassenregionalinstituten (SRI) sowie den bereits existierenden Landesförderbanken (LFB). Das bisher dezentral bei den einzelnen Landesbanken und zum Teil bei den Regionalverbänden angesiedelte Angebot an Verbundleistungen wird in einem Spitzeninstitut, dem SZI, zusammengefasst, das für alle Sparkassen die zentrale Produkt- und Dienstleistungsplattform darstellt. Die Bündelung dieses Verbundangebots im SZI ermöglicht eine qualitativ bessere und kostenmäßig effizientere Bereitstellung dieser Leistungen. Das Zentralinstitut sorgt darüber hinaus für den Liquiditätsausgleich und stellt die Liquidität für die gesamte Gruppe bereit. Es befindet sich in der alleinigen Trägerschaft der Sparkassen.

Zweiter Bestandteil des Modells sind die Sparkassenregionalinstitute (SRI), die aus dem Zusammengehen von Sparkassen und Landesbanken in den großen wirtschaftlichen Ballungsräumen - und auf diese beschränkt - entstehen, wie dies heute bereits bei der LBBW, Helaba, LBB und Nord-LB der Fall ist. Die SRI übernehmen überregional im Wesentlichen das Mittelstands- und Großkundengeschäft, das gewerbliche Immobilienfinanzierungsgeschäft und das kundenbezogene Kapitalmarktgeschäft, während sie regional - unter Einhaltung des Regionalprinzips - im Geschäftsgebiet der eingebundenen Sparkassen das Privatkundengeschäft sowie das Geschäft mit kleineren und mittleren Firmenkunden betreiben. Um eine solche Verbindung der jeweiligen Stärken von Landesbanken und Sparkassen zu erreichen, müssen sich die Landesbanken von ihren Investmentbank-Aktivitäten und Altlasten befreien und die Risiken aus ihrem Geschäftsmodell zurücknehmen. Die SRIs sind im Grundsatz Großsparkassen mit erweitertem Produktangebot in den großen wirtschaftlichen Ballungsräumen. Sie stehen neben den übrigen lokalen Sparkassen, die als eigenständige Institute erhalten bleiben. Der dritte Teil des Modells betrifft diebereits heute bestehenden Landesförderbanken. Mit ihrer Hilfe können jene Landesbanken oder Teile von Landesbanken abgewickelt werden, die für eine Einbeziehung in das SZI oder ein SRI nicht in Frage kommen.

Beibehaltung des Regionalprinzips

Die Kritik von Helmut Schleweis am vorgeschlagenen Modell lässt sich in sieben Punkten zusammenfassen und kommentieren:

1. Die Sparkassen haben ganz wesentlich zur Stabilität des deutschen Wirtschafts- und Finanzsystems in der Krise beigetragen: Diese Einschätzung wird von den Streitschrift-Autoren uneingeschränkt geteilt. Wichtig sind allerdings die Gründe hierfür. Dadurch, dass die kommunalen Eigentümer - mit wenigen Ausnahmen freiwillig auf eine Ausschüttung verzichten, konnten die Sparkassen im Gegensatz zu den Landesbanken über Jahre hinweg überproportional Rücklagen und Reserven aufbauen, mit denen sich die Risiken in der Finanzkrise abpuffern ließen. Hinzu kommt, dass die Sparkassen durch die HGB-Bilanzierung im Gegensatz zur IFRS-Bilanzierung der Landesbanken über erhebliche Bewertungsvorteile verfügen, welche Abschreibungsrisiken erst gar nicht entstehen lassen. Auch haben die Sparkassen in der Krise dadurch profitiert, dass die Länder die Sparkassen bei der Übernahme von Risiken der Landesbanken entlastet haben. Unabhängig hiervon verfügen die Sparkassen durch ihren direkten Zugang zum Privatkundenmarkt über ein Geschäftsmodell, das sie weitgehend unabhängig von der Entwicklung der Geld- und Kapitalmärkte macht, was sich insgesamt stabilisierend auswirkt.

2. Das Regionalprinzip wird aufgehoben und die Spezialdienstleistungen werden regionalisiert: Das von den Streitschrift-Autoren vorgeschlagene Modell geht keinesfalls von einer Aufhebung, sondern einer Beibehaltung des Regionalprinzips aus. Es wird auch keine Regionalisierung der Spezialdienstleistungen vorgeschlagen, sondern genau das Gegenteil. Die Verbundleistungen sollen im SZI bundesweit zusammengefasst werden, um eine qualitativ bessere und kostenmäßig effizientere Bereitstellung dieser Leistungen für die Sparkassen zu erreichen. Die Landesbanken geben nach dem vorgeschlagenen Modell die Verbundleistungen an das Spitzeninstitut ab. Dadurch entstehen nicht geringere, sondern deutlich erhöhte Abwicklungsvolumina. Es wird also ein dem Genossenschaftssektor mit der DZ Bank vergleichbares Modell vorgeschlagen. Das in diesem Modell erfolgreich gelebte bundesweite Kooperations- und Solidaritätsprinzip wird mit Recht von vielen Sparkassen als vorbildlich angesehen.

3. Der durch die Regionalbanken entstehende Wettbewerb kann nicht unter ein und derselben Sparkassenmarke erfolgen. Dadurch wird die wertvollste und profilierteste deutsche Finanzdienstleistungsmarke zerstört: Da das bestehende Regionalprinzip nicht aufgehoben werden soll, können sich keine Überlappungen im Markt ergeben. Es gibt derzeit eine Reihe von Gemengelagen zum Beispiel im Rhein-Main-Gebiet oder im Hamburger Umland, die durch Sparkassenregionalinstitute bereinigt werden könnten. Der Vorschlag stärkt also die Marke und schwächt sie nicht.

Aussicht auf Kostensynergien

4. Mit der Schaffung von SRIs entstehen Regionalbanken mit Kapitalmarktorientierung: Genau das Gegenteil ist der Fall. Die bisherigen Landesbanken sollen redimensioniert und um die Investmentbankaktivitäten sowie Altlasten befreit werden.

5. Bei den Regionalbanken entstehen zu geringe Abwicklungsvolumina und damit Nachteile im Kostenwettbewerb: Auch hier gilt genau das Gegenteil. Da die Verbundaktivitäten beim SZI zusammengefasst werden, lassen sich bei ihm als zentraler Produkt-, Dienstleistungs- und Abwicklungsplattform Kostensynergien erreichen, die bei dem bisher dezentralisierten Verbundangebot nicht möglich waren. Sparkassenregionalinstitute sollen wie Sparkassen das zentrale Verbundangebot des SZI nutzen.

6. Durch die vertikale Fusion werden nicht per se Synergien oder signifikante Einsparpotenziale erreicht: Synergien ergeben sich bekanntermaßen auf der Ertrags- und auf der Kostenseite. Durch die Bündelung der Verbundaktivitäten beim SZI werden zum einen für die Gesamtorganisation erhebliche Kostensynergien erreicht, was zur Entlastung bei den bisher dezentralen Anbietern von Verbundleistungen führt. Zum anderen geht es um die Ertrags- und Zukunftsfähigkeit der Sparkassenorganisation.

Dabei muss - wie der Autor richtig anmerkt - den Besonderheiten der mittelständisch geprägten Wirtschaft Rechnung getragen werden. Das bedeutet, dass sich die Sparkassen am Bedarf der Wirtschaft ausrichten müssen. Dieser hängt ab von der Größe und Geschäftsstruktur der Unternehmen. Die Anforderungen an die Sparkassenorganisation sind deshalb in den großen wirtschaftlichen Ballungsräumen andere als in den mehr ländlichen Regionen. Hier ergeben sich deutliche Unterschiede im Hinblick auf Produktpalette, Produktkompetenz und Risikotragfähigkeit. Die Sparkassen müssen sich deshalb auch zukunftsbezogen nicht an politischen, sondern an den ökonomischen Grenzen einer Region orientieren. Dies ist in der Zwischenzeit auch zunehmend der Fall. Durch die horizontale Fusion von Sparkassen sind in verschiedenen Wirtschaftsräumen bereits große Flächeninstitute - Regionalbanken entstanden, wie zum Beispiel die Sparkasse Würzburg-Mainfranken, die Sparkasse Mittelhessen oder die beabsichtigte Fusion der Sparkassen Nordoberpfalz, Schwandorf und Regensburg mit einer räumlichen Ausdehnung von mehr als 120 km. Daneben gibt es Flächeninstitute wie die Haspa. In verschiedenen Ballungsräumen gibt es vertikale Fusionen wie in Stuttgart, Frankfurt, Hannover oder Berlin. Die Frage, ob eine horizontale oder eine vertikale Fusion sinnvoll ist, muss anhand des Bedarfs des jeweiligen Marktes entschieden werden. Fusionen dürfen nicht allein aus dogmatischen Gesichtspunkten verhindert werden. Wirtschaftsstarke Ballungsräume verlangen andere Lösungen als ländliche Regionen. Nur durch eine Ausrichtung am regionalen Bedarf lässt sich die Marktposition der Sparkassen stärken und damit Ertragssynergien heben. Es gibt derzeit bereits eine Vielzahl von Sparkassenregionalinstituten, die durch horizontale oder vertikale Fusionen entstanden sind. Der Vorschlag ist somit nicht neu.

7. Kommunen können sich neben wirtschaftlichen, insbesondere aus rechtlichen Gründen gar nicht an Regionalbanken beteiligen: Dass dies offensichtlich doch möglich ist, zeigt die Beteiligung der Stadt Stuttgart an der LBBW. Das ist eine Frage des einfachen Landesrechts. Der Landesgesetzgeber darf das Kommunalwirtschaftsrecht und das Sparkassenrecht, das ohnehin angepasst werden müsste, dementsprechend ausgestalten. Rechtlich fragwürdig wäre allein die Tätigkeit von Anstalten des öffentlichen Rechts in trägerfremden Gebieten. Das ist aber bewusst in unserem Vorschlag nicht vorgesehen.

Lösungen für die "Landes"-Banken gesucht

Als Ergebnis lässt sich insgesamt festhalten, dass die Autoren der "Streitschrift für eine grundlegende Neuordnung des Sparkassen- und Landesbankensektors in Deutschland" sich nach der weitgehend ins Leere gehenden Kritik von Helmut Schleweis in ihrer Auffassung bestätigt fühlen, dass das vorgeschlagene "Dreiermodell" die Zukunftsfähigkeit der Sparkassenorganisation insgesamt stärken kann.

Unabhängig hiervon sind sich die Autoren bewusst, dass aus der Sicht der Sparkassen das Problem "Landesbanken" - vordergründig - weitgehend gelöst ist. Die Anteile der Deka-Bank wurden von den Sparkassen vollständig übernommen. Die Bayern-LB und die HSH Nordbank sind fast ausschließlich im Eigentum der Länder; bei der Nord-LB werden es zukünftig 60 Prozent sein. Die WestLB soll auf eine Verbundbank mit nur noch einem Viertel des bisherigen Volumens redimensioniert werden, sodass als traditionelle Landesbanken lediglich die LBBW und die Helaba verbleiben. Es wird also zukünftig Aufgabe der Länder sein, Lösungen für ihre "Landes"-Banken zu finden.

Die Zwischenüberschriften sind von der Redaktion eingefügt.

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