Kreditwesen aktuell

Helmut Schleweis Dezentrale Sparkassen - ein Modell mit Zukunft

Im Februar dieses Jahres hat eine vierköpfige Gruppe aus Wissenschaftlern und ehemaligen Landesbankvorständen ein Papier veröffentlicht, in dem eine Neuordnung des Sparkassen- und Landesbankensektors in Deutschland gefordert wird. Die Autoren schlagen dabei im Wesentlichen eine Verschmelzung des Großkundengeschäfts von Landesbanken mit dem Mittelstands- und Privatkundengeschäft von Sparkassen in Regionalbanken vor. Damit wollen sie den Landesbanken ein langfristig tragfähiges Zukunftsmodell verschaffen und so ihren Bestand sichern.

Sparkassen - Stabilitätsanker der regionalen Wirtschaftskreisläufe

Die von den Autoren vorgeschlagene Neuordnung ist in weiten Teilen in ihrer Konsequenz nicht zu Ende gedacht und geht insbesondere von falschen Voraussetzungen aus: Demnach seien die Sparkassen ein Stabilitätsrisiko für Deutschland. Dabei hat die Finanzkrise genau das Gegenteil gelehrt. Die dezentralen und kommunal gebundenen Sparkassen haben zusammen mit den ebenfalls dezentral aufgestellten Genossenschaftsbanken ganz wesentlich zur Stabilität des deutschen Wirtschafts- und Finanzsystems in der Finanzkrise beigetragen.

Dabei haben die Sparkassen in ihrer Gesamtheit keine Hilfe von außen in Anspruch genommen. Vielmehr haben sie sich an der Rettung anderer Banken beteiligt, die wie die HRE oder IKB nicht Teil der Sparkassen-Finanzgruppe sind. Neben den Bundesländern waren es in Deutschland die Sparkassen, die als Eigentümer von Landesbanken neues Kapital aufbrachten und Haftungen übernommen haben oder im Gegenzug ihr Eigentum eins zu eins verloren haben - das hat es bei keiner Privatbank gegeben. Gleichzeitig haben die Sparkassen wesentlich dazu beigetragen, dass es nicht zu einer flächendeckenden Kreditklemme gekommen ist. Das belegt die Verantwortungsbereitschaft und wirtschaftliche Stärke der Sparkassen.

Regionalbanken - kein Zukunftsmodell im deutschen Finanzmarkt

Die Vorschläge sehen vor, mehrere Regionalinstitute zu bilden, die Landesbankfunktionen und Sparkassen in sich vereinigen. Durch Aufhebung des Regionalprinzips sollen diese Banken miteinander in Wettbewerb treten können. Dies hätte eine Vielzahl von negativen Effekten zur Folge: Erstens würde die heute bundesweit bestehende Zusammenarbeit und Solidarität der Sparkassen aufgelöst. Damit würde auch der hohe Grad der bereits heute im Sparkassenverbund erreichten Konsolidierung zerstört. Zweitens würden bereits bundesweit zusammengefasste Spezialdienstleister wie die Deka-Bank und Deutsche Leasing regionalisiert. Drittens würden die Sparkassenregionalinstitute in einem Kannibalisierungswettbewerb untereinander geführt. Und viertens könnte ein solcher Wettbewerb nicht unter ein und derselben Sparkassenmarke erfolgen.

Folge wäre die Zerstörung der wertvollsten und profiliertesten deutschen Finanzdienstleistungsmarke. In einem allseits als sehr wettbewerbsintensiv bewerteten deutschen Bankenmarkt würde dies zwangsläufig dazu führen müssen, dass sich einzelne dieser Regionalbanken nicht erfolgreich würden durchsetzen können. Die Folge wären wirtschaftliche Misserfolge, Konzentrationsbewegungen hin zu wenigen Sparkassenkonzernen und eine teilweise Übernahme von Sparkasseneinheiten durch Wettbewerber.

Würden Regionalbanken wie vorgeschlagen errichtet, würden auch regionale Wirtschaftskreisläufe geschwächt, da die in den Instituten angelegten Gelder nicht mehr wie bisher dorthin zurückfließen würden. Heute stehen die von Sparkassen eingeworbenen Einlagen in besonderer Weise für Investitionen vor Ort zur Verfügung und tragen zur regionalen Wertschöpfung bei. Hingegen würden Regionalbanken mit Kapitalmarktorientierung ihre Spargelder in größerem Maße überregionalen und internationalen Risiken aussetzen. Damit würde die realwirtschaftliche Anbindung der Finanzwirtschaft vermindert - das wäre eine völlig falsche Schlussfolgerung aus der Finanzkrise.

Um im Kostenwettbewerb mithalten zu können, sind große Abwicklungsvolumina geschäftspolitische Herausforderungen für die gesamte Kreditwirtschaft. Andererseits gilt es gerade in beratungsintensiven Geschäftsfeldern, möglichst nahe am Kunden und mit entscheidungsbefugten Vorständen vor Ort präsent zu sein. Die Sparkassen können in ihrer heutigen Verbundzusammenarbeit beiden Herausforderungen gerecht werden: Sie sind als geschäftspolitisch eigenständige Kreditinstitute vor Ort tätig. Und sie erreichen durch ein umfassendes System der Verbundzusammenarbeit mit Auslagerungen an Verbundunternehmen in der Produktentwicklung und Geschäftsabwicklung die größten Abwicklungsvolumina im deutschen Markt. Aus Sparkassen und Landesbankenfunktionen gebildete Regionalbanken hingegen würden keiner der beiden Anforderungen mehr gerecht werden.

Zu geringe Abwicklungsvolumina für eingegliederte Sparkassen

Bei einer Eingliederung in Regionalbanken könnten die Sparkassen ihr erfolgreiches Geschäftsmodell als eigenständige, lokal verankerte Institute nicht länger fortführen und erreichten für sich gesehen zu geringe Abwicklungsvolumina. Damit würde man die Sparkassen in eben das strategische Dilemma führen, aus dem sich seit Jahren Geschäftsbanken durch Übernahme anderer Banken zu befreien suchen.

In einer neuen Struktur würden Entscheidungen zentralisiert und könnten nicht mehr wie bisher ausschließlich und eigenverantwortlich vor Ort getroffen werden. Eine Vertikalisierung unterstützt vielmehr eine überregionale Wirtschaftlichkeitsbetrachtung bezogen auf die gesamte Geschäftstätigkeit der Regionalbank - dies widerspricht dem Interesse der Kommunen und Kunden gleichermaßen. Die weitaus größte Mehrheit der Privatkunden und der gewerblichen Kunden hat sich im deutschen Bankenmarkt für dezentral aufgestellte Partner entschieden, darunter mehrheitlich für die Sparkassen.

Keine Vorteile einer Vertikalisierung von Landesbanken und Sparkassen

Vertikale Fusionen von Sparkassen und Landesbanken führen nicht per se zu zusätzlichen operativen Erlösen, denn über die Sparkassen als Verbundpartner erreichen die Landesbanken schon heute den Retailmarkt mit ihren Produkten. Gleichzeitig realisiert eine Fusion kaum Synergien oder signifikante Einsparpotenziale. Durch die Fusion würden eher regionale Bankkonzerne entstehen, die sich kaum in einen Finanzverbund integrieren ließen.

Neben der Frage nach einer tragfähigen Sicherungseinrichtung für Sparkassen und Landesbanken wurden juristische Aspekte von den Autoren bewusst aus ihren Überlegungen ausgeklammert. Die dezentrale Struktur der Sparkassen ist zwingend mit der kommunalen Trägerschaft verbunden. Man muss zur Kenntnis nehmen, dass sich Kommunen neben wirtschaftlichen insbesondere aus rechtlichen Gründen gar nicht an Regionalbanken beteiligen können und ausweislich ihrer klaren Positionierung in den letzten Jahren auch gar nicht wollen. Dann müssten private Investoren Eigentümer von Sparkassenregionalinstituten werden. Hier werden die Rechte der Träger beziehungsweise Eigentümer ebenso missachtet wie die Interessen der Kunden. Das passt nicht in die soziale Marktwirtschaft, sondern erinnert eher an zentral gelenkte Wirtschaftssysteme.

Die Autoren brechen mit der Streitschrift kein Tabu. Die Sparkassen diskutieren schon längst mit den Trägern, Bundesländern und Tochterunternehmen über zukunftsfähige Modelle, die unter anderem auch juristische und systemsichernde Aspekte mitbetrachten. Von Seiten der Autoren wird zur Reform des existierenden Modells eine Regierungs- oder Enquêtekommission vorgeschlagen, ohne die Vertreter der Verbände, Sparkassen oder Landesbanken zu beteiligen. Diese sollen nur in bestimmten Bereichen als Experten von der Kommission gehört werden. Eine bewusste Ausgrenzung der vom Transformationsprozess Betroffenen aus der Lösungsentwicklung ist weder für die Identifikation mit den Ergebnissen noch für die Motivation zur Umsetzung förderlich.

Unser Ziel ist es, die Geschäftsmodelle der Landesbanken in Absprache mit den Eigentümern, Sparkassen und Bundesländern zu überarbeiten - sogar über die Vorgaben von Brüssel hinaus - und durch Verzicht auf zu risikoreiche Geschäftsfelder stabiler zu machen. Einigkeit besteht darüber, dass bei einer Reorganisation der Landesbanken die betriebswirtschaftliche Logik im Vordergrund stehen soll.

Anspruch der Zukunftsfähigkeit

Von der Politik erhoffen wir uns politische Weichenstellungen, die einerseits die Größe von Kreditinstituten und ihrer Systemrelevanz für den Finanzmarkt berücksichtigen. Andererseits sind die Besonderheiten des deutschen Kreditwesens bei der Umsetzung von Regulierungsmaßnahmen wie Basel III zu berücksichtigen, um bewährte Sicherungssysteme zu erhalten.

Der Anspruch der Zukunftsfähigkeit ist mit dem Konzept der Autoren nur schwer zusammenzubringen. Im Gegenteil: Die Vorschläge der Streitschrift betonieren die alten Strukturen besonders dort, wo Änderungen am dringendsten wären, bei den Landesbanken. Man erreicht keine zukunftsfähigen Modelle, indem man Geschäftsstrategien beibehält, die Beteiligten neu mischt und einfach andere Namen vergibt. Ein stabiler Bankenmarkt in Deutschland, der die Besonderheiten der mittelständischen Wirtschaftsstruktur unterstützt und die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft im internationalen Vergleich erhält, braucht auch langfristig kommunal gebundene, dezentrale Sparkassen mit öffentlichem Auftrag in allen Regionen. Und die Sparkassen brauchen wenige, aber leistungsfähige Sparkassenzentralbanken, die sie in für sie relevanten Geschäftsfeldern unterstützen.

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