Kreditwesen aktuell

Anforderungen an ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell für Landesbanken

In den letzten Wochen hat die Diskussion um die Frage der weiteren Konsolidierung des Landesbankensektors wieder an publizistischer Intensität gewonnen. Auslöser dieser Diskussion sind die im Sommer letzten Jahres ausgebrochene Finanzmarktkrise und ihre gravierenden wirtschaftlichen und geschäftspolitischen Folgen für einige Häuser. Zahlreiche Stellungnahmen und Handlungsempfehlungen sowie jüngst das Sondergutachten des "Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung" haben die Diskussion aktuell belebt. Dabei wird immer wieder die horizontale Bündelung von Wholesale-Aktivitäten der Landesbanken einschließlich der Deka-Bank als zentraler Lösungsansatz gefordert und die öffentlich-rechtliche Trägerschaft der Landesbanken grundsätzlich in Frage gestellt.

Nicht beantwortet wird von den Protagonisten dieser Vorschläge allerdings die Frage, wie der wirtschaftliche Zukunftserfolg solcher Konsolidierungs-Gebilde sichergestellt werden soll. In der zum Teil sehr dogmatisch geführten Diskussion wird häufig die betriebswirtschaftliche Grunderkenntnis ausgeblendet, dass Größe allein keinen wirtschaftlichen Erfolgsfaktor darstellt. Es bedarf nicht allzu großer bankbetriebswirtschaftlicher Erkenntnisse, dass nicht Rechtsform und Größe, sondern ausschließlich das Geschäftsmodell über die Zukunftsfähigkeit von Kreditinstituten entscheidet. Größe macht wirtschaftlich nur Sinn, wenn gleichzeitig die Strukturen des Geschäftsmodells stimmen.

Die Beantwortung der Frage nach dem "richtigen" Geschäftsmodell ist deshalb die zentrale Voraussetzung für die Klärung der Zukunft von Landesbanken und damit auch für die Sparkassenorganisation insgesamt. In der bisherigen Diskussion ist häufig eine offene und konstruktive Auseinandersetzung mit dieser zentralen Frage zu vermissen. Ein Grund hierfür könnte in der Scheu bestehen, in der Realität vom Markt bereits längst überholte Konzepte hinsichtlich ihrer Zukunftstauglichkeit kritisch zu überprüfen.

Um einen sachlichen Beitrag für diese dringend erforderliche Diskussion zu leisten, werden im Folgenden die strategischen Anforderungen an ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell einer Landesbank formuliert und daraus die wesentlichen Konsequenzen für die Schaffung zukunftsfähiger Strukturen abgeleitet. Eine wesentliche Kernaussage vorweg: Bei dem nachfolgend skizzierten Ansatz handelt es sich - bildlich gesprochen - nicht um eine "Lösung von der Stange", in die bundesweit alle sieben konzernungebundenen Landesbanken passen, sondern es bedarf jeweils individuell maßgeschneiderter, passgenauer Lösungen in den einzelnen Regionen. Es gibt deshalb keine nutzbaren Blaupausen.

Strategische Anforderungen an ein Geschäftsmodell

Bei der Frage nach den wesentlichen strategischen Anforderungen an das Geschäftsmodell einer Landesbank stehen sieben Punkte im Zentrum:

1. Eine auf Dauer geschäftlich erfolgreiche Landesbank muss einen erkennbaren Wertschöpfungsbeitrag für die wirtschaftliche Entwicklung und Stärkung der jeweiligen geschäftlichen Kernregion beziehungsweise des/der jeweiligen Bundeslandes/-länder leisten. Hierbei handelt es sich nicht nur darum, ob und inwieweit das jeweilige Institut im öffentlichen Förder- und Infrastrukturgeschäft tätig ist. Es geht vielmehr eher um die Frage, in welchem Umfang die jeweilige Landesbank als Geschäftsbank unmittelbar mit der Realwirtschaft verbunden ist, sprich: welche Bedeutung das Kundengeschäft für das jeweilige Institut hat und in welchem Umfang es wirtschaftlich im Heimatmarkt beziehungsweise in der eigenen Kernregion verankert ist.

2. Einen entscheidenden Faktor für den nachhaltigen wirtschaftlichen Zukunftserfolg einer Landesbank stellt unzweifelhaft die ausreichende Rentabilität des eingesetzten Kapitals dar. Als einer der wesentlichen Lehren aus der Finanzmarktkrise werden sicherlich auch international im Privatbankensektor exzessive Übertreibungen bezüglich angestrebter Renditeziele zurückgeschraubt werden. Eine Eigenkapitalverzinsung von 15 bis 20 Prozent (vor Steuern) stellt ein ehrgeiziges Renditeziel dar und sollte für Landesbanken als Benchmark für die nachhaltige Ertragskraft für Träger und Markt gleichermaßen akzeptabel sein. Eine ausreichende Eigenkapitalrentabilität ist Voraussetzung für die eigenkapitalmäßige Sicherung des Wachstums.

3. Größe allein ist kein eigenständiger Erfolgsfaktor für ein Kreditinstitut. Abgeleitet aus dem jeweiligen Geschäftsmodell eines Instituts ergeben sich grundsätzlich jedoch unterschiedliche Anforderungen an eine zukunftssichernde Unternehmensgröße. Für Global Player dürfte eine Bilanzsumme von 1 000 Milliarden Euro ein wesentliches Erfordernis dafür bilden, um auf Dauer erfolgreich in der Global Premier League mitspielen zu können. Für ein sich als europäische Regionalbank definierendes Kreditinstitut stellt hingegen eine Bilanzsumme von 250 bis 300 Milliarden Euro mittelfristig eine ausreichende Basis für eine erfolgreiche, langfristig angelegte Geschäftstätigkeit dar.

4. Für den dauerhaften wirtschaftlichen Erfolg eines Kreditinstituts ist es notwendig, über geschäftliche Wachstumsspielräume zu verfügen. Geschäftliches Wachstum, das heißt bankwirtschaftlich gesprochen das Wachstum der Risikoaktiva einer Bank, erfordert eine ausreichende Eigenkapitalversorgung. Voraussetzung ist eine entsprechende Ertragskraft zur Stärkung der Thesaurierungsfähigkeit (Wachstum durch Rentabilität") und für die Sicherung des erforderlichen Zugangs zum Kapitalmarkt, sei es für die Aufnahme von Hybridmitteln wie stille Einlagen, sei es, im Falle von börsennotierten Kreditinstituten, für die Aufnahme von Aktienkapital.

5. Durch die Finanzmarktkrise wieder bestätigt worden ist, dass ein auf Dauer erfolgreiches Kreditinstitut über ein ausreichend diversifiziertes Geschäftsportfolio mit vertretbarem Risikoprofil verfügen muss. Oder mit anderen Worten formuliert: Es bedarf auch für eine Landesbank einer nachhaltig hohen Ertragskraft bei geringer Ergebnisvolatilität und entsprechend konservativer Risikostruktur.

6. Damit unmittelbar verknüpft ist die sechste strategische Anforderung: Für Kreditinstitute in öffentlich-rechtlicher Rechtsform ist entscheidend, welches Geschäftsmodell öffentliche Eigentümer vertragen beziehungsweise welche wirtschaftlichen Konsequenzen aus einem Geschäftsmodell politisch tragbar sind. Hier gilt die klare Aussage: Längerfristig kann für eine Landesbank die öffentlich-rechtliche Rechtsform nur gerechtfertigt werden, wenn die genannten fünf strategischen Anforderungen erfüllt sind. Im Klartext: Die Risikotragfähigkeit eines Instituts darf nicht aufgrund volatiler Geschäftsstrukturen in regelmäßigen Zeitabständen existenzbedrohenden Belastungs- und Stresstests ausgesetzt sein. Nur in diesem Kontext ergibt sich, abgeleitet aus dem strategischen Geschäftsmodell, eine zeitgemäße Legitimation des öffentlichen Auftrages.

7. Auch für ein öffentlich-rechtliches Kreditinstitut ist es für den wirtschaftlichen Erfolg von zentraler Bedeutung, zu welchen Konditionen es sich an den nationalen und internationalen Einlage- und Kapitalmärkten refinanziert. Und trotz aller berechtigter Diskussionen um die Qualität und die Daseinsberechtigung von Ratingagenturen, wird auch zukünftig im Markt ein auf Dauer hohes Rating entscheidend für den Marktzugang und die Höhe der Refinanzierungskosten sein. Das Ziel muss deshalb für eine Landesbank sein, ein "AA/Aa2"-Rating der führenden Ratingagenturen zu erreichen und dieses Niveau dauerhaft zu stabilisieren. Dieses ehrgeizige Ziel setzt eine entsprechende Ertragskraft und ein entsprechendes Geschäftsmodell voraus. Und damit schließt sich der Kreis zu den Eingangsbemerkungen.

Fokussierung und ausgewogene Geschäftsportfolios

Abgeleitet aus diesen strategischen Anforderungen an ein zukunftsorientiertes Geschäftsmodell ergeben sich für die geschäftspolitische Ausrichtung zahlreiche Konsequenzen. Für das Großkundengeschäft, das traditionell das Geschäftsprofil einer Landesbank prägenden geschäftlichen Säule, ist es aus Wettbewerbs- und Ertragsgründen zwingend erforderlich, sich auf Kerngeschäftsfelder und Kernregionen zu fokussieren. Die Konzentration auf Kernregionen leitet sich unmittelbar aus dem Selbstverständnis einer Landesbank ab. Für ein sich als europäische Regionalbank definierendes Institut stellen neben der unmittelbaren Heimatregion im zusammenwachsenden Europa der Regionen die Kernländer der Europäischen Union die wesentlichen Wachstumsmärkte dar. Außereuropäische Standorte, sei es in den USA oder in den Wachstumsregionen Asiens, kommen selektiv und ergänzend zu den Kernmärkten in Betracht und ziehen hieraus ihren geschäftlichen Stellenwert.

Wesentlich für das Geschäftsprofil und den Markterfolg einer Landesbank ist die Fokussierung auf Kerngeschäftsfelder. Da Landesbanken aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte als klassische Girozentrale für Sparkassen und frühere Staats- und Kommunalbank grundsätzlich nicht über langjährig gewachsene Geschäftsbeziehungen zu Großkunden mit Hausbankstatus verfügen, kommt dem Aufbau von Produktexpertise eine Schlüsselfunktion für das Kundengeschäft zu. Erst durch im Wettbewerb national und international nachgewiesene Produktkompetenz ergeben sich auf Dauer werthaltige Kundenbeziehungen. Dies setzt voraus: gezielte Investitionen in Personal und technische Systeme, eine Konzentration auf bestimmte Marktsegmente und eine langfristig angelegte, glaubwürdig gelebte Vertriebsstrategie. Hinsichtlich der Spezialisierung auf Kerngeschäftsfelder ist darauf zu achten, dass bei aller gewünschten Fokussierung auf Kernkompetenzen keine "Monoliner"-ähnlichen Strukturen mit regionalen und/oder sektoralen Klumpenrisiken entstehen. Für den nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg und die Marktstellung ist nicht das Konzept einer Spezialbank, sondern ein konzernweit ausgewogenes Geschäftsportfolio einer Universalbank wesentlich. Im Whole-sale-Geschäft erzeugt erst ein ausgewogener Portfolio-Mix, zum Beispiel aus Immobilien-, Corporate-Finance-, Public Finance-, Kapitalmarkt-, Asset-Management- und Transaktionsgeschäft, die notwendige Ertragsstabilität und Risikodiversifizierung. Ein solches Geschäftsportfolio wirkt aus sich heraus reduzierend auf die Volatilität von Ergebnisentwicklungen für den Gesamtkonzern.

Direktgeschäft versus opportunistisches Geschäft

Die Aufrechterhaltung eines konservativen Risikoprofils, die Erreichung einer nachhaltigen Ertragsstabilität und die für ein öffentlich-rechtliches Kreditinstitut unabdingbar erforderliche enge Verknüpfung mit der Realwirtschaft setzen eine starke direkte Kundenbasis voraus. Eine starke Verankerung im Kundengeschäft besteht für eine Landesbank immer dann, wenn konzernweit der Anteil des unmittelbar kundenbezogenen Geschäfts am Geschäftsvolumen beziehungsweise der Bilanzsumme sich in einer Bandbreite von zumindest 50 bis 60 Prozent bewegt. Erst der hiermit unmittelbar verbundene hohe Ergebnisanteil der Kundenbeiträge ermöglicht die Realisierung der oben genannten Ziele und vermeidet geschäftliche und ergebnisseitige Abhängigkeiten vom volatilen Eigenhandel beziehungsweise von großvolumigen Kreditersatzgeschäften.

Umgekehrt schafft eine kundengeschäftlich abgesicherte stabile Ertragsentwicklung die Grundlage dafür, bei Marktverwerfungen sich bietende Ergebnischancen opportunistisch nutzen zu können. So haben seit Ausbruch der Finanzmarktkrise die aufgetretenen Liquiditätsengpässe bei zahlreichen Kreditinstituten beobachtbar zu einem weitgehenden Rückzug aus dem Neugeschäft geführt. Dies war und ist für andere Institute, wie das Beispiel der Helaba erfolgreich zeigt, die Chance, zusätzliches Kundengeschäft zu attraktiven Konditionen zu akquirieren.

Für eine Landesbank, die aufgrund ihrer historischen Geburtsurkunde als Sparkassenzentralbank in der Fläche nicht durch ein eigenes Filialnetz vertreten ist, hat das Verbundgeschäft einen hohen strategischen und geschäftlichen Stellenwert. Es gewährt einer Landesbank als Produktlieferant und Dienstleistungsplattform eine unmittelbare geschäftliche Verbindung zum Retailgeschäft der Sparkassen. Diese Verbindung ist noch enger, sofern - wie in Hessen-Thüringen der Fall - die regionale Landesbausparkasse unter dem Dach der Landesbank angesiedelt ist.

Die Notwendigkeit, den unter dem intensiven Wettbewerbsdruck des Marktes stehenden Verbundsparkassen leistungsfähige Produkte und Dienstleistungen anzubieten, stellt eine Landesbank unter hohe Effizienz- und Qualitätszwänge. Das Verbundgeschäft wirkt somit unmittelbar auch als "Leistungsanreiz". Umgekehrt werden die regionale Marktstellung und die Vertriebskraft der Sparkassen entscheidend geprägt von der "Lieferfähigkeit" ihrer Verbundbank. Diese bereits heute hohe wechselseitige geschäftliche Abhängigkeit wird in Zukunft eher noch zunehmen. Und es besteht, wie das Beispiel Helaba zeigt, eine hohe Korrelation zwischen der Leistungsfähigkeit im Verbundgeschäft und eigenem Retailgeschäft im Konzern.

Bei der Frage, wie die erforderliche Verbundzusammenarbeit zu organisieren ist, stehen sich grundsätzlich zwei Denkmodelle konkurrierend gegenüber. Zum einen eine zentrale Lösung, bei der ein Spitzeninstitut bundesweit für das Verbundangebot zuständig ist. Dies ist das Modell DZ Bank im Verbund der Raiffeisen- und Volksbanken. Zum anderen das Modell des regionalen Finanzverbundes, für das die Sparkassen-Finanzgruppe Hessen-Thüringen mit ihrem "Neuen Verbundkonzept" seit über fünf Jahren die erfolgreiche Benchmark bildet.

Getragen von einer 85-prozentigen Trägerschaft der Sparkassen an ihrer Landesbank, beruht dieser regionale Finanzverbund auf dem gemeinsamen Geschäftsmodell der wirtschaftlichen Einheit von Landesbank und Sparkassen, einem gemeinsamen Risikomanagement, einem gemeinsamen regionalen Reservefonds mit unmittelbaren Rechtsansprüchen für Gläubiger im Haftungsfall, einer gemeinsamen Verbundrechnungslegung sowie als Konsequenz all dessen - als einzige in der deutschen Sparkassenorganisation - einem gemeinsamen, für alle Verbundinstitute unmittelbar geltenden Verbundrating der beiden Ratingagenturen Fitch und Standard & Poor's.

Dieses regionale Verbundmodell verbindet die Vorteile einer engen wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit gemeinsamer Risiko- und Haftungsphilosophie und einem dezentralen Marktauftritt. Insofern stellt das "Neue Verbundkonzept" eine erfolgreiche Symbiose von zentralen, konzernähnlichen Strukturen und dezentralem Unternehmertum vor Ort dar. Der Erfolg dieses Verbundmodells stärkt zugleich auch die Region. Eine unter Wettbewerbsbedingungen erzielte Verbundquote von 76 Prozent über alle von den Sparkassen genutzten Verbundprodukten hinweg zeugt von der Leistungsfähigkeit der Landesbank und dokumentiert eindrucksvoll die wirtschaftliche Überlegenheit des Verbundmodells Hessen-Thüringen. Für die Zukunftsfähigkeit sowohl der Landesbank als auch der Sparkassen in der Fläche stellt die Weiterentwicklung dieses regionalen Verbundmodells eine entscheidende strategische Weichenstellung dar.

Integriertes Geschäftsmodell im Ballungsraum

Andere Anforderungen an den Marktauftritt und den dauerhaften Markterfolg ergeben sich für die Sparkassenorganisation allerdings in den Ballungsräumen. Im Unterschied zu zentralistischen Strukturen in anderen europäischen Ländern wird Deutschland staatlich wie wirtschaftlich geprägt durch föderale und damit polyzentrische Strukturen. Staatlich durch die sechzehn Bundesländer, wirtschaftlich durch die sieben starken Gravitationszentren Hamburg/Bremen, Berlin, Köln/Düsseldorf, den Großraum Hannover, Frankfurt/Rhein-Main, Stuttgart/Rhein-Neckar und München.

Prägend für diese Ballungsräume ist zum einen ihr hoher Wertschöpfungsanteil am Bruttoinlandsprodukt der jeweiligen Bundesländer. So beträgt zum Beispiel der Anteil der Rhein-Main-Region am BIP des Landes Hessen über 70 Prozent. Bezogen auf die Einwohnerzahl verfügt die Metropolregion Frankfurt, in der die Helaba ansässig ist, unmittelbar über 3,8 Millionen, die gesamte Rhein-Main-Region über 5,3 Millionen Einwohner.

Bankwirtschaftlich zeichnen sich diese Ballungsräume durch eine hohe Wettbewerbsintensität, insbesondere im regionalen Privat- und Firmenkundengeschäft aus. Nirgendwo sonst ist der Wettbewerb intensiver und das Privatkunden- und Mittelstandsgeschäft dichter. Alle wesentlichen in- und ausländischen Anbieter von Bank- und Finanzdienstleistungen sind in den Ballungsräumen unmittelbar präsent.

Gemengelagen

Gleichzeitig ist seit längerem ein Auseinanderfallen der aus dem Regionalprinzip abgeleiteten Geschäftsregion von Sparkassen und der wirtschaftlichen Kernregion eines Ballungsraums festzustellen. Dies hat in allen Ballungsräumen zu einer Gemengelage von teilweise in Konkurrenz zueinanderstehenden Sparkassen geführt und dies nicht unbedingt zu deren wirtschaftlichen Vorteil. Diese Gemengelagen in den Metropolregionen schwächen auf Dauer die Effizienz und die Ertragskraft von Sparkassen und führen zu sinkenden Marktanteilen in zukunftsorientierten Kundensegmenten.

Aufgrund der Kunden- und Marktstrukturen werden in den Ballungsräumen insbesondere bei den Unternehmenskunden die traditionellen Grenzen zwischen Retail- und Wholesale-Banking immer fließender. So sind zum Beispiel in Hessen in der Umsatzkategorie 50 bis 500 Millionen Euro zwei Drittel aller mittelständischen Unternehmen in der Metropolregion Frankfurt ansässig. Diese Kunden sind auch für die Risikotragfähigkeit von Großsparkassen zu groß, sodass diese nicht als Hausbank fungieren können. Hieraus folgt, dass für die Sparkassenorganisation zur Abdeckung von Großkunden und Mittelstandskunden ein Leistungsangebot aus einer Hand zur entscheidenden Erfolgskomponente im Kundengeschäft wird. Gleiches gilt im Privatkundengeschäft mit dem zunehmenden Vordringen von Einlage- und Anlageprodukten, deren Preiskonditionen sich am Interbanken-Geldmarkt orientieren.

Bezogen auf das Geschäftsmodell heißt dies als zentrale Konsequenz: Für den Ballungsraum bedarf es des integrierten Geschäftsmodells einer Wholesale- und Retailbank. Erfolgreiche Beispiele für solche integrierte Universalbanken gibt es im Landesbanken/Sparkassensektor bereits: für den Ballungsraum Stuttgart die LBBW, unter deren Dach die Landesgirokasse Stuttgart als früher zweitgrößte bundesdeutsche Sparkasse aufgegangen ist; für den Großraum Berlin die Landesbank Berlin AG, die zugleich Sparkasse und Landesbank ist; im Ballungsraum Frankfurt die Helaba mit ihrer 100-prozentigen Tochter Frankfurter Sparkasse; und in der Wirtschaftsregion Hannover teilweise die Nord-LB. Und es ist sicherlich kein wirtschaftlicher Zufall, dass auch diese vier integrierten Universalbanken im öffentlich-rechtlichen Sektor bislang als beste durch die Finanzmarktkrise gekommen sind.

Dabei hat das in Frankfurt praktizierte Mutter-Tochter-Modell den großen Vorteil, dass bei aller wirtschaftlichen Integration in konzernweite Universalbanken-Strukturen die Frankfurter Sparkasse als eigenständiges Institut mit eigener Identität und Marke selbstständig am Markt auftritt. Dieser strategische Ansatz ist dank des kundennahen Angebots nicht nur im Markt erfolgreich, wie die Geschäftsentwicklung der viertgrößten bundesdeutschen Sparkasse in den letzten Jahren eindrucksvoll

beweist. Dieser Ansatz bietet zudem auch eine gute Grundlage zur Erschließung neuer Marktchancen durch Auflösung der bestehenden Gemengelage im Ballungsraum Frankfurt am Main unter Beibehaltung der Identität der einzelnen Sparkassen. Es ist damit bei sich wandelndem Marktumfeld eine zeitgemäße Umsetzung des traditionellen sparkassenpolitischen Grundgedankens eines dezentralen Unternehmertums.

Risikoreduktion durch Redimensionierung

Landesbanken waren neben den privaten Hypothekenbanken traditionell aufgrund des früheren Pfandbriefprivilegs die klassischen Langfristbanken. Für Banken dieses Geschäftstyps hatte das Eingehen von Fristeninkongruenzen im Bankbuch eine hohe Bedeutung. Nicht selten belief sich in der Vergangenheit der Anteil der Fristentransformation am Betriebsergebnis eines Instituts auf 30 bis 40 Prozent. Dieser hohe Anteil der dispositiven Beiträge machte Landesbanken über Zinszyklen hinweg sehr anfällig für volatile Ergebnisentwicklungen. Verstärkt wurde diese Ergebnisvolatiliät noch durch das Eingehen von Marktrisikopositionen im Handelsbuch.

Für ein stabiles und auf Dauer tragfähiges Geschäftsmodell ist es deshalb unabdingbar, diese Ergebnisvolatilität zu verringern. Eine solche Stabilisierung der Ergebnisentwicklung auf dem vom Markt, den Trägern und den Ratingagenturen geforderten hohen Ergebnisniveau gelingt nur, wenn die Bedeutung des Direktgeschäftes zulasten des dispositiven Geschäfts deutlich erhöht wird.

Hier sei an die Ausführungen bezüglich der für eine Landesbank notwendig engen Verbindung mit der Realwirtschaft angeknüpft. Zugleich setzt dies geschäftspolitisch voraus, dass das nicht kundenbezogene Kapitalmarktgeschäft eng begrenzt wird.

Nur durch strenge Limitierung von Marktpreisrisiken im Bank- und Handelsbuch lassen sich an die Grenze der Risikotragfähigkeit eines Instituts gehende Ertragsabhängigkeiten vermeiden. Dies bedeutet keine Absage an das Kapitalmarktgeschäft. Im Gegenteil - kundenbezogenes Kapitalmarktgeschäft, wozu auch zentral das Kapitalmarktgeschäft mit den Verbundsparkassen und den eigenen Retailkunden gehört, ist für das Leistungsspektrum und für die Ertragsentwicklung einer integrierten Universalbank unverzichtbar.

Die Kundenorientierung des Kapitalmarktgeschäftes ist zugleich die Vorrausetzung für die erforderliche Redimensionierung der Risikopositionen und die Vermeidung von großen Verlusten. So hat zum Beispiel die Helaba in den letzten Jahren die Risikoaktiva und die Money-at-Risk-Positionen in der Geschäftssparte Global Markets um 30 Prozent reduziert. Gleichwohl ist die Helaba am Kapitalmarkt in diesem Jahr mit einem Volumen von knapp sechs Milliarden Euro Marktführer für die Arrangierung und Platzierung von Schuldscheindarlehen für Industrieadressen.

Mitarbeiter als Kernkompetenz

"Banking is people". Entsprechend diesem Leitsatz ist für ein Kreditinstitut die brillanteste und erfolgsversprechendste Geschäftsstrategie nicht tragfähig beziehungsweise dauerhaft umsetzbar, wenn diese nicht durch die Qualität und das Engagement der Mitarbeiter ausgefüllt wird. Der Wettbewerb um qualifiziertes Personal ist intensiv, insbesondere am Finanzplatz Frankfurt. Mit Blick auf die demografische Entwicklung wird zukünftig dieser Wettbewerbsfaktor noch stärker an Bedeutung gewinnen. Für Kreditinstitute als Dienstleistungsunternehmen kann die Personalbeschaffung zum zentralen Engpassfaktor werden. Damit steigt das Erfordernis, attraktive Arbeitsplätze zu bieten.

Attraktivität ist dabei nicht primär eine Frage der Bezahlung. Vielmehr ergibt sich, gerade auch nach der Finanzmarktkrise, die Attraktivität eines Kreditinstituts als (potenzieller) Arbeitgeber aus einem überzeugenden, zukunftsorientierten Geschäftsmodell mit nachhaltiger Perspektive für Mitarbeiter. Je klarer hier das Zukunftsprofil eines Instituts ist, desto einfacher ist es, qualifiziertes Personal zu beschaffen und zu halten.

Mit Blick auf die hohe Veränderungsgeschwindigkeit an den Bank- und Finanzmärkten müssen Vorstände zur Sicherung und zum Ausbau der Wettbewerbsposition heute permanent den Mut für innerbetriebliche Restrukturierungen von Geschäftsfeldern und auch von Standorten haben. In diesem notwendigen Strukturwandel müssen die Belegschaften "mitgenommen" werden. Damit unmittelbar einher geht das Thema der sozialverträglichen Anpassung des Belegschaftsprofils an veränderte Marktanforderungen. Gerade öffentlich-rechtliche Banken stehen dabei unter besonderer Beobachtung und müssen im besonderen Maße ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden. Und die entscheidende Voraussetzung hierfür ist eine nachhaltige Profitabilität des einzelnen Instituts.

Keine Zukunft für reine Wholesale-Banken

Die Ausführungen machen deutlich: Es gibt für Landesbanken zukunftsfähige Geschäftsmodelle. Und dazu zählen nicht die bloße horizontale Bündelung von Whole-sale-Instituten. Gerade auch die jüngsten Beispiele aus der Finanzmarktkrise zeigen, dass nur integrierte, Wholesale- und Retailaktivitäten umfassende Geschäftsmodelle zu einer Verringerung des Gesamtrisikos für die einzelnen Institute und damit auch für den Haftungsverbund von Landesbanken und Sparkassen führen. Der Erfolg der bereits heute bei den Landesbanken bestehenden Beispiele dokumentiert dies eindeutig.

Reine Wholesale-Banken sind zum Ausweichen in risikobehaftetes Geschäft gezwungen und damit in dauerhaft nicht tragfähige Risikostrukturen. Deshalb haben solche Geschäftsmodelle längerfristig auch keine Zukunftsperspektiven im Markt. Das Geschäftsmodell integrierter Universalbanken fördert die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes, ermöglicht das Ausnutzen von Geschäftspotentialen in Ballungsräumen, stärkt somit die Region und bietet die Basis für eine breite Verankerung im Kundengeschäft. Zugleich steigt die Leistungsfähigkeit als Verbundbank für Flächensparkassen.

Deshalb ist auch nicht die Größe sondern das Geschäftsmodell der entscheidende Erfolgsfaktor für die Zukunftsfähigkeit einer Landesbank. Als Regionalbanken orientieren sich Landesbanken primär an Wirtschaftsräumen. Mit Blick auf die bundesdeutsche Wirklichkeit und die wirtschaftlich polyzentrischen Strukturen wird es auch zukünftig fünf bis sieben konzernungebundene Landesbanken geben. Dies setzt natürlich voraus, dass bereits bestehende Ansätze zu zukunftsfähigen Geschäftsmodellen weiterentwickelt und nicht auf dem Altar von in der Realität bereits längst überholten Dogmen und Ideologien geopfert werden. Deshalb ist eine zeitgemäße Weiterentwicklung des Sparkassenrechts erforderlich.

Zukunft erfolgreich zu gestalten setzt manchmal das Brechen mit überkommenen Strukturen voraus. Im europäischen Ausland hat sich, wie viele Beispiele zeigen, das Sparkassenwesen im Spannungsfeld zwischen Wettbewerb und staatlicher Gestaltung erfolgreich an moderne Erfordernisse angepasst. Sparkassenrecht ist in Deutschland föderales Recht und es wird deshalb in den einzelnen Ländern über erforderliche Weiterentwicklungen entschieden. Dort fallen auch die Entscheidungen über ausgewogene Trägerstrukturen von Landesbanken und Sparkassen.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass auch für Landesbanken mit integrierten Geschäftsmodellen das Konsolidierungsthema kein Tabu sein kann und darf. Es ist allerdings meine feste Überzeugung, dass erst integrierte Geschäftsmodelle die notwendige Optionsfähigkeit dafür schaffen, zukunftsorientierte, auf Dauer erfolgreiche Konsolidierungsprojekte anzugehen. Und deshalb kommt es für den weiteren Konsolidierungsprozess entscheidend auf die zeitliche Reihenfolge der anzugehenden nächsten Schritte an.

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