SPEZIALFONDS 2018

Disruptive Technologien - eine Herausforderung für traditionelle Infrastrukturstrategien

Heiko Schupp Foto: Columbia Threadneedle Investments

Mit langfristig genutzten Infrastrukturprojekten eine vergleichsweise stabile Rendite zu erzielen, ist für institutionelle Anleger durchaus attraktiv. Und in den Bereichen Versorgung, Transport, soziale Infrastruktur, erneuerbare Energien und Telekommunikation sollten sich in den kommenden Jahren mühelos Vorhaben finden lassen, die für die Entwicklung und das Wachstum der Volkswirtschaft wichtige Impulse setzen können. Bei der Auswahl der richtigen Engagements setzt der Autor in den Zeiten der Digitalisierung und Disruption auf Flexibilität. Als wichtige Kriterien nennt er eine offene Fondsstruktur, Robustheit gegenüber Konjunkturschwankungen und makroökonomischen Faktoren, die Sicherstellung von Nachhaltigkeit und ein gutes Gespür für prägende Trends. (Red.)

Aktuelle Technologietrends und disruptive Innovationen beeinflussen die Anlageklasse Infrastruktur. In Zukunft wird daher ein dynamischer, flexibler und offener Investmentansatz erforderlich sein, der Innovationen berücksichtigt und erkennt, wie sich neue Technologien und Trends bei der Investitionsauswahl auf Renditechancen auswirken.

Disruption allgegenwärtig

Die Welt verändert sich und Innovation dient als Katalysator für Wachstum und Erfolg. Unternehmen, die nicht ausreichend innovativ sind, verlieren Marktanteile, müssen Einbußen bei Produktivität, Effizienz und Gewinn hinnehmen, oder sie scheitern. Der Aufstieg und Fall von Kodak ist dafür nur ein Beispiel. Es gibt viele weitere, darunter die Videothekenkette Blockbuster, die wie viele etablierte Anbieter im Home-Entertainment-Bereich durch Online-Streaming-Dienste wie Netflix vom Markt verdrängt wurden.

Man unterscheidet vier wesentliche Innovationsarten: Schrittweise Innovation führt zur ständigen, kleinen Verbesserung von Produkten oder Dienstleistungen. Architektonische Innovation verändert die Art und Weise, wie Komponenten miteinander interagieren. Radikale Innovation nutzt neue Technologien und Geschäftsmodelle gleichzeitig. Disruptive Innovation umfasst den Einsatz neuer Technologien oder Verfahren im aktuellen Marktumfeld eines Unternehmens. Innovation verändert zwar oftmals Prozesse (zum Beispiel Fertigungsstraßen in der Produktion), zerstört aber nicht zwingend ganze Branchen. Wirklich disruptive Innovationen hingegen führen zu grundlegenden und nachhaltigen Umwälzungen.

Das Innovationstempo wirkt sich auch auf klassische Infrastrukturinvestments aus. Vor dem Hintergrund des bevorstehenden Generationenwechsels von den Babyboomern zur Generation X und schließlich zu den so genannten Millennials verändert Technologie die Art und Weise, wie die Menschen leben, arbeiten und sich fortbewegen. Davon betroffen sind unter anderem die Autobranche, öffentliche Verkehrsmittel, die Umsetzung von Bauprojekten, die Stromversorgung der Häuser und die Zustellung von Online-Einkäufen.

Da viele Infrastrukturvermögenswerte ei ne Lebensdauer von mindestens 50 Jahren aufweisen, haben heute getroffene Investitionsentscheidungen nachhaltige Auswirkungen. Eine langfristige Perspektive ist für Investoren also von entscheidender Bedeutung. Um in einem dynamischen Umfeld stabile Renditen zu erzielen, müssen Infrastrukturinvestitionen höchst flexibel strukturiert sein. So können kurzfristig neue Möglichkeiten genutzt und der Zugang zu frischem Kapital sichergestellt werden. Klassische Anlagevehikel mit starren Strukturen, die eine schnelle Reaktion auf aufkommende Investmenttrends ohne Fremdkapitalaufnahme und höheres Risikoprofil nur schwer möglich machen, werden in diesem Umfeld an ihre Grenzen stoßen.

Technologie und Disruption werden voraussichtlich bei allen wesentlichen Segmenten im Infrastrukturbereich neue Möglichkeiten eröffnen. Dazu zählen Versorgung, Transport, soziale Infrastruktur, erneuerbare Energien und Telekommunikation. In welchen Bereichen sich der Wandel am stärksten zeigen wird, ist schwer vorherzusagen. Denn dabei spielen auch Faktoren wie Regulierung und staatliche Finanzierung eine Rolle.

Beispielsweise werden die großen Automobilhersteller in den nächsten zwei bis drei Jahren voraussichtlich mehr als zwanzig verschiedene Elektrofahrzeugmodelle auf den Markt bringen. Den weltweiten Absatz wollen sie von 164 000 im Jahr 2014 auf 1 695 000 bis im Jahr 2019 steigern. Der steigende Bedarf an Ladestrom wird immer höhere Anforderungen an die lokalen Versorgungsnetze stellen, was eine deutliche Kapazitätserhöhung zur Folge haben wird. Die Inhaber dieser Versorgungsnetze müssen daher erheblich in ihre Infrastruktur investieren, um das vorhandene Netz hinsichtlich Stabilität, Effizienz und Betriebskosten zu modernisieren und auszubauen. Andernfalls wird sich die Leistung schrittweise verschlechtern.

Beispiel Transportsektor

Ein weiteres Beispiel ist der weltweite Transportsektor. Dort hat die Verbreitung des 3D-Drucks das Potenzial, Schifffahrt, Logistik und Containerverschiffung signifikat zu verändern. Container sind eine der wichtigsten Logistikerfindungen des 20. Jahrhunderts. Durch geringere Transportzeiten und -kosten sind sie zu einer der größten Antriebskräfte der Nachkriegsglobalisierung geworden. Dadurch ist eine globale, hochautomatisierte und standardisierte Industrie entstanden, welche die Infrastruktur vieler der größten europäischen Häfen nachhaltig beeinflusst hat.

Der sich stetig verbessernde und effizienter werdende 3D-Druck verändert aber Richtung, Geschwindigkeit und Volumen des globalen Rohstoffhandels. Zum Beispiel ist zu erwarten, dass immer weniger fertige Güter transportiert werden. Stattdessen dürften in den Containern zunehmend Ausgangsmaterial, behandeltes Ausgangsmaterial und 3D-Druckkassetten zu finden sein. Mit der Zeit wird sich die 3D-Drucktechnologie verbessern. Im Zuge dessen riskieren Häfen, die sich nicht an die neue Schiffsfracht anpassen, überflüssig zu werden.

Eine zukunftssichere Lösung für Infrastrukturinvestitionen

Mit dem richtigen Know-how können Investoren mit diesen disruptiven technologischen Entwicklungen Schritt halten und sie bei der Portfoliozusammensetzung zu ihrem Vorteil nutzen. Aber welche Infrastrukturinvestitionen sollten in Betracht gezogen werden und wie sollte man sich der Assetklasse nähern? Momentan wird in Europa nur unzureichend in Infrastruktur investiert. Laut Schätzungen der Europäischen Kommission werden dort bis 2020 Infrastrukturinvestitionen in Höhe von zwei Billionen Euro benötigt. Außerdem müssten jährlich 600 Milliarden Euro ausgegeben werden, um die Wettbewerbsfähigkeit Europas sicherzustellen. Die Mittel der europäischen Regierungen sind jedoch relativ begrenzt, da sie nur ein geschränkt in der Lage sind, neue Schulden aufzunehmen oder Steuern zu erhöhen.

Des Weiteren verfügt Europa über einige der hochwertigsten Infrastruktur-Vermögenswerte weltweit. Der Kontinent ist hinsichtlich technologischer Innovation führend und bietet einen der weltweit stabilsten und attraktivsten Investmentmärkte. Daraus ergibt sich für institutionelle Investoren die Möglichkeit, Kapital für Infrastruktur bereitzustellen und mit einem Portfolio aus hochwertigen "Best-in-Class"-Infrastrukturvermögenswerten langfristig stabile, inflationsgeschützte Renditen zu erzielen.

Für einen erfolgreichen Ansatz sind vier Voraussetzungen entscheidend. Dazu gehört erstens eine offene Fondsstruktur, die ein wirklich aktives Portfoliomanagement ermöglicht. Asset Manager können dadurch die Volatilität niedrig und die Renditen stabil halten. Außerdem kann der Zugang zu Kapital beschleunigt werden, wodurch Investoren bei Anlagechancen schneller handeln können. Pensionsfonds können daher langfristig im Rahmen einer dynamischen und flexiblen Struktur investieren, die ihnen Renditen entsprechend oder gar oberhalb ihrer Verbindlichkeiten ermöglicht.

Zweitens ist es wichtig, dass das Portfolio sich unter verschiedenen Einflüssen robust verhält. Konjunkturschwankungen und makroökonomische Faktoren können den Wert der Beteiligungen erheblich beeinflussen. Mit dem Einsatz von Techniken zur dynamischen Portfoliokonstruktion können Asset Manager jedoch eine effektive Diversifikation erzielen, die unterschiedlichen makroökonomischen Entwicklungen standhält. Innerhalb dieser Struktur lassen sich auch verschiedene operative Hebel zur Wert- und Renditesteigerung einsetzen.

Drittens sollte auch der Nachhaltigkeitsaspekt Teil eines erfolgreichen Investmentansatzes sein. In der Anlageklasse Infrastruktur gehen Nachhaltigkeit und attraktive langfristige Renditen oft Hand in Hand, weshalb die Einbeziehung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien in die Investitionsprüfung und Entscheidungsfindung unerlässlich ist. Zudem kann sie regulatorische und politische Risiken mindern. Denn ist ein Projekt beziehungsweise Vermögenswert ökologisch und/oder sozial nachhaltig, besteht langfristig ein geringeres Risiko, dass Politiker oder Aufsichtsbehörden intervenieren.

Viertens sollten Asset Manager verstehen, welche Innovationen vor sich gehen und unter Einsatz des entsprechenden Know-hows identifizieren, welche Technologien sich zu prägenden Trends für ganze Anlageklassen entwickeln. An dem Beispiel der globalen Transportbranche ist zu erkennen, wie eine offene Fondsstruktur Investoren ermöglicht, dynamisch in neue Technologien zu investieren und somit den Wert ihrer Anlagen zu steigern.

Flexibilität gefragt

Die Welt verändert sich und Investoren können davon profitieren. Der richtige Ansatz ermöglicht Fondsmanagern, von aufkommenden Trends zu profitieren, die sich in den kommenden Jahrzehnten disruptiv auf Infrastrukturinvestitionen auswirken werden. Außerdem bietet sie die erforderliche Flexibilität bei der Konstruktion von Portfolios, die institutionellen Investoren sowohl eine angemessene Rendite als auch Kapitalwachstum bieten.

Heiko Schupp Global Head of Infrastructure, Columbia Threadneedle Investments, London
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