ETF-Markt: eine Billion Euro im Visier

Hermann Pfeifer Foto: Amundi

Die Mittelzuflüsse der ETF-Branche waren im vergangenen Jahr weltweit gut. Und auch dem europäischen Markt bescheinigt der Autor dabei eine erfreuliche Entwicklung. Mit Blick auf die Investoren sieht er den europäischen Markt derzeit noch stark von den Institutionellen geprägt, erwartet aber in den kommenden Jahren ein deutlich stärkeres Engagement der privaten Anleger. Begünstigt sieht er die ETF-Branche zum einen durch neue Vertriebsformen wie Robo-Advisors und durch MiFID II. (Red.)

Für die ETF-Branche stehen die Ampeln weiterhin auf Grün. Nachdem börsengehandelte Indexfonds bereits in den vergangenen Jahren erhebliche Mittelzuflüsse verbuchten, sind auch die Perspektiven für die Zukunft gut. Dafür gibt es drei wesentliche Gründe: Erstens regulatorische Anforderungen wie MIFID II, die das ETF-Geschäft antreiben, zweitens die wachsende Erfahrung von Anlegern mit ETFs und drittens anhaltende Produktinnovationen. Diese haben in den letzten Jahren dazu geführt, dass es inzwischen für annähernd jedes Anlegerbedürfnis einen ETF gibt und dass immer mehr Aktien und Anleihen über ETFs in den Portfolios gehalten werden. Zudem planen aktuellen Befragungen zufolge viele Investoren, ihre ETF-Allokationen weiter auszubauen, wobei günstige Konditionen und ein immer breites Produktangebot wichtige Antriebskräfte darstellen.

Während der letzten zehn Jahre hat sich der ETF-Markt dynamisch entwickelt - und zwar sowohl hinsichtlich der Anlagevolumen als auch der Produktzahl. So gab es 2007 rund 415 europäische ETFs, während heute rund 1550 Produkte in Europa angeboten werden.1)

Hohe Mittelzuflüsse 2017

Bezogen auf die Zuflüsse war 2017 erneut ein sehr gutes Jahr für ETFs. Weltweit flossen börsengehandelten Indexfonds seit Jahresbeginn bis Ende November 554 Milliarden Euro an neuen Anlagegeldern zu. Annähernd 400 Milliarden Euro entfielen davon auf Aktien- und 145 Milliarden Euro auf Renten-ETFs. Gut entwickelt hat sich auch der europäische Markt mit Zuflüssen von rund 91 Milliarden Euro1) (Abbildung 1).

In Europa standen auf der Aktienseite Branchen- und Smart-Beta-ETFs mit Abstand im Fokus des Anlegerinteresses. Ihnen flossen bis Ende November mehr als 20 Milliarden Euro an neuen Mitteln zu. Bezogen auf die Anlageregionen lagen ETFs auf Aktien der Eurozone mit einem Plus von mehr als 9 Milliarden Euro dicht gefolgt von ETFs auf Schwellenländer-Aktien vorn. Auf Einzelländerebene hielten sich ETFs auf französische Aktien mit einem Plus von 991 Millionen Euro an der Spitze. Last, but not least entfiel das größte Interesse bezogen auf Branchen auf den Finanzsektor mit Zuflüssen von 4 Milliarden Euro1) gefolgt von SRI-ETFs.1,2)

Trend zu privaten Anlegern

Dass Aktien-ETFs Rentenprodukte überflügeln, liegt daran, dass die ersten ETFs Aktienindizes abgebildet haben, dass das Aktien-ETF-Angebot folglich weitaus größer als das für Rentenprodukte ist und Anleger mehr Erfahrung mit Aktienals mit Renten-ETFs haben (Abbildung 2). Weltweit haben Renten-ETFs ein Plus von 145 Milliarden verbucht. Das heißt, sie haben 2017 in den ersten elf Monaten 32 Prozent mehr Zuflüsse als 2016 angezogen. 27 Milliarden Euro entfielen davon auf den europäischen Markt. In Europa standen dabei Unternehmensanleihen klar im Fokus. Sie verzeichneten ein Plus von 12 Milliarden Euro. Staatsanleihen erzielten mit annähernd 9 Milliarden Euro ebenfalls ein gutes Ergebnis (Abbildung 3).

Wenn sich das aktuelle Marktwachstum verstetigt, sollte das global in ETFs verwaltete Vermögen bis 2020 die Schwelle von einer Billion Euro durchbrechen. Als wichtige Antriebskräfte zeichnen sich dabei bereits heute neue Kundengruppen, wie zum Beispiel Distributoren, Vermögensverwalter und langfristige Anleger, ab. Gerade in Europa wird der ETF-Markt noch von institutionellen Investoren dominiert, die rund 90 Prozent der Assets halten. Wie eine aktuelle Befragung des EDHEC-Risk Institute 3) unter europäischen institutionellen Investoren zu ETFs und Smart Beta belegt, setzen professionelle Anleger ETFs bereits zu einem großen Anteil in ihren Portfolios ein und planen ihre Allokationen auszuweiten.

In weiter entwickelten Anlagemärkten, wie beispielsweise den USA, sind die in ETFs investierten Vermögen zwischen privaten und institutionellen Anlegern in etwa gleich verteilt. Kosteneffizienz und Transparenz sind dort auch für Privatanleger wichtige Argumente. Um auch Privatanleger vermehrt an ETFs heranzuführen, haben ETF-Anbieter jüngst Anstrengungen unternommen, um das Knowhow im Retail-Segment zu stärken. Da sich die Bedürfnisse von Privatanlegern von denen institutioneller Investoren unterscheiden, ist zudem mit neuen Produkten speziell für Private zu rechnen.

So wurden bereits neue ETF-basierte Anlageinstrumente speziell in Zusammenarbeit mit Finanzvertrieben entwickelt. Nicht zuletzt dank der Initiative von Robo-Advisors, Onlinebanken und Sparplattformen ist zu erwarten, dass der Anteil der Privatanleger unter den ETF-Investoren in Europa merklich wachsen sollte. Bildeten die ersten ETFs bekannte Indizes, wie den S&P 500 oder den Euro Stoxx 50 ab, hat sich das Angebot mit Blick auf spezifische Anlegerbedürfnisse in den letzten Jahren deutlich ausdifferenziert. Heute gibt es für annähernd jedes Anlegerbedürfnis einen passenden ETF, mit dem Investoren schnell und einfach auch in spezifische Marktsegmente einsteigen können, die zuvor sehr großen institutionellen Investoren vorenthalten waren. Dabei können zwei Phasen unterschieden werden: Die erste Welle neuer ETFs hat sich auf Teilsegmente bestehender Indizes konzentriert. Dabei ging es zum Beispiel um den Ausschluss bestimmter Länder oder Branchen aus breiten Aktienindizes, ETFs auf bestimmte Rating- oder Fälligkeitssegmente bei Bond-Indizes oder die Integration von Währungsabsicherungs- oder Themenstrategien.

Heute lässt sich mit Blick auf das Niedrigzinsumfeld und zum Teil volatile Märkte ein stärkeres Interesse am Risikomanagement beobachten, wobei sich die Produktinnovationen auf Bond- und Smart-Beta-ETFs konzentrieren. Dies spiegelt sich in den letzten vier Jahren unter anderem in steigenden Mittelzuflüssen im Anleihesegment wider. In dieser Zeit hat sich der Anteil von Renten-ETFs an den insgesamt in europäischen ETFs verwalteten Vermögen von 17 auf 27 Prozent erhöht.3) Jedoch stellen Anleihe-ETFs Emittenten vor größere Herausforderungen als Aktienprodukte. Nicht jeder Anbieter verfügt im Anleihemarkt über die erforderliche Expertise und Größe, robuste Produkte zu entwickeln und zu managen.

Auch ETF-Emittenten auf der Suche nach Rendite

Es ist beispielsweise wegen des weitaus breiteren Angebots von Anleihen weder für Emittenten noch für Investoren sinnvoll, den gesamten Anleihemarkt in Form eines ETFs, der die unterschiedliche Kreditratings, Emittenten, Währungen und Fälligkeiten umfasst, zu replizieren. Investoren wollen sich nur in den Marktsegmenten engagieren, die im aktuellen Zinsumfeld aussichtsreich sind. Entsprechend verfolgen ETF-Emittenten bei Anleihen eine taktische Strategie und entwickeln jeweils nur solche ETFs, die im aktuellen Marktumfeld aussichtsreich sind und auf eine entsprechende Nachfrage stoßen. Die Folge ist ein punktuelles Angebot, das die jeweilige Marktlage widerspiegelt und Teilsegmente des Rentenmarkts abbildet. Diese Strategie lässt sich an verschiedenen Schwerpunkten bei neu lancierten Produkten illustrieren.

Beispielsweise bietet das BBB-Corporate-Bond-Segment aktuell ein attraktives Risiko-Rendite-Profil. Entsprechend wurden kürzlich ETFs aufgelegt, mit denen Anleger fokussiert auf das Marktsegment mit höheren Renditen im Investment-Grade-Bereich setzen können. Wer nicht auf Investment-Grade-geratete Anleihen beschränkt ist, kann darüber hinaus neu an den Markt gebrachte ETFs wählen, die BB-Unternehmensanleihen beimischen und somit das Renditepotenzial von High-Yield-Anleihen nutzen.

Die stark anziehende Nachfrage nach ETFs auf Floating-Rate-Notes ist ein weiteres Beispiel für den Trend, dass ETF-Anbieter im Anleihe-Segment für die aktuelle Zinssituation passgenaue Produkte lancieren. So sind US-Floating-Rate-Note-ETFs vor allem für Anleger interessant, die weitere Zinsschritte in den USA erwarten. Die Renditen dieser variabel verzinslichen Papiere entwickeln sich parallel zu den Referenzzinsen der Zentralbanken und haben eine sehr geringe modifizierte Duration. Das heißt, die Kurse gehen bei Zinssteigerungen nicht in die Knie. Währungsgesicherte Floating-Rate-Note-ETFs erlauben es Anlegern außerhalb der USA zudem, von höheren US-Zinsen zu profitieren und gleichzeitig Währungsschwankungen zu minimieren.

Das breite Angebot bedarfsorientierter ETFs bietet Anlegern eine Vielzahl von Anlagebausteinen, mit denen sie eine bestimmte Anlagestrategie umsetzen, ein Anlagethema spielen und auf die aktuelle Zinssituation reagieren können. Die steigenden Volumen bei Anleihe-ETFs belegen, dass dieses Vorgehen den Bedürfnissen der Anleger entspricht.

Ein weiterer Trend auf dem ETF-Markt ist das wachsende Interesse an Faktor- und Smart-Beta-Investments. Hintergrund ist, dass sich im aktuellen Kapitalmarktumfeld vor allem institutionelle Investoren neuen Renditequellen und risikoreicheren Anlageklassen zuwenden. Da diese volatiler und risikoreicher als klassische Bond-Investments sind, versuchen sie gleichzeitig, mögliche Drawdowns zu begrenzen. Faktor-Investments können für Investoren, die sich mit diesen zuwiderlaufenden Anforderungen und Restriktionen auseinandersetzen müssen, einen Blick wert sein.

Wachsende Nachfrage nach Faktor- und Smart-Beta-Investments

Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass bestimmte Faktoren ein besseres Risiko-Rendite-Profil aufweisen. Dazu zählen bekannte Faktoren wie Value, Momentum, Size, Quality, High-Dividend und Low Volatility. Faktor-Indizes erlauben es Anlegern, diese Risikoprämien gezielt zu nutzen. Dabei kann man entweder über einen spezifischen ETF auf einen einzelnen Faktor setzen oder eine diversifizierte Strategie mithilfe einer Multi-Faktor-Strategie fahren. Allerdings sollte man wissen, dass bestimmte Faktoren auch über längere Phasen eine Unterperformance aufweisen können und dass die Faktor-Renditen im Zeitablauf stark schwanken können. Da die Schwankungen nicht synchron verlaufen, kann es zur Glättung der Renditen sinnvoll sein, Faktoren kombiniert einzusetzen und die Ergebnisse so im Zeitverlauf zu glätten.

Dass Investoren Single-Faktor-ETFs als Bausteine nutzen, um ein individuelles Faktor-Portfolio aufzubauen oder mit einem Multi-Strategy-ETF eine diversifizierte Faktor-Strategie umzusetzen, lässt sich nicht zuletzt auf die Breite des Angebots sowie die Einfachheit und die Transparenz der Produkte zurückführen. Die bereits genannte Umfrage des EDHEC-Risk Institute 4) hat entsprechend die wachsende Nachfrage nach Faktor- und Smart-Beta-Investments bestätigt, wobei 2017 Value der am stärksten nachgefragte Faktor war. 1) Interessant ist auch, dass Multi-Faktor-ETFs in puncto Performance vorne gelegen und gezeigt haben, dass eine Faktorkombination helfen kann, eine langfristig bessere Wertentwicklung zu erwirtschaften. 5)

Eine Weiterentwicklung ist, dass Smart-Beta- und Faktor-Strategien inzwischen auch bei Bond- und Multi-Asset-Investments zum Einsatz kommen. Ziel ist, auch in diesen Marktsegmenten die Struktur und die Diversifikation des Portfolios zu verbessern. Allerdings ist es nicht ganz trivial, die relevanten Faktoren, die sich erheblich von denen des Aktienmarkts unterscheiden, zu identifizieren. Dazu zählen unter anderem Liquidität, Kreditrisiken und Volatilität. Zwar stecken Faktor- und Smart-Beta-Strategien für Anleihen erst in den Kinderschuhen. Jedoch lässt sich hier ein wachsendes Investoreninteresse beobachten - vor allem vonseiten der Anleger, die bereits auf der Aktienseite mit diesen Strategien Erfahrungen gesammelt haben. Daraus lässt sich ableiten, dass entsprechende Produkte durchaus den Nerv von Anlegern treffen und dass man folglich eine Weiterentwicklung auf diesem Gebiet erwarten kann.

Neue Player - mehr Wettbewerb

2018 wird die Finanzindustrie mit MiFID II weitreichende Änderungen erfahren, von denen der ETF-Markt profitieren sollte. Wie nur wenige Finanzprodukte erfüllen ETFs bereits zahlreiche Anforderungen der neuen Regulation. Dazu zählen die Standardisierung und Transparenz der Produkte, günstige Konditionen, die enge Vernetzung mit Distributoren und die Entwicklung von Plattformen und digitalen Pools. ETFs passen sehr gut in die MiFID-II-Welt und entsprechen gut den Anforderungen der neuen Vertriebsplattformen und Robo-Advisors.

Das Potenzial des ETF-Markts hat 2017 zahlreiche neue Player angezogen und dazu geführt, dass zahlreiche Anbieter erstmals ETFs lanciert haben. Parallel dazu hat der Wettbewerb in der Branche spürbar angezogen und es ist davon auszugehen, dass es nur den solidesten Anbietern gelingen wird, langfristig zu bestehen.

Fußnoten

1) Quelle: Amundi ETF/Bloomberg per 30.11.2017

2) SRI - Socially Responsible Investments

3) 10. EDHEC European ETF and Smart Beta Survey, veröffentlicht im Juni 2017

4) EDHEC-Risk Institute, European ETF and Smart Beta Survey

5) Die vergangene Wertentwicklung ist kein Indikator für künftige Ergebnisse.

Hermann Pfeifer, Head of ETF, Indexing & Smart Beta Deutschland, Österreich und Osteuropa sowie European Head of Institutional Sales ETF, Indexing & Smart Beta, Amundi, München

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