Für Intermediäre entstehen neue Herausforderungen

Markus Honvehlmann, Foto: Wepex Unternehmensberatung

Das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) wird in Deutschland die EU Shareholders Rights Directive (SRD II) in nationales Recht umsetzen. Mit dem Ziel, in der gesamten Europäischen Union Aktionäre besser identifizieren und informieren zu können, werden Pflichten für Intermediäre wie Banken und Verwahrstellen auf ein EU-weit einheitliches Niveau gehoben. Mit der Richtlinie wird ein weiterer kleiner Schritt in Richtung Kapitalmarktunion getan. Doch mit der Harmonisierung kommen konkrete Herausforderungen im Bereich der Datenerfassung, -haltung und -übermittlung auf die Finanzintermediäre zu. Die Autoren gehen in dem Beitrag auf die einzelnen Anforderungen ein und raten den Banken, praxistaugliche Antworten für die Umsetzung zu finden. Diese bestehen laut Honvehlmann und Woelke in erster Linie in effizienten Straight-through-Prozessen und einer europaweit standardisierten Kommunikation. (Red.)

Wer Aktien einer europäischen börsennotierten Aktiengesellschaft im Depot hält, bekommt von seiner Bank heute anders als bei deutschen börsennotierten Aktiengesellschaften oftmals weder eine Einladung zur jährlichen Hauptversammlung noch sonstige wichtige Informationen der ausländischen Gesellschaft. Mit dem Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie soll sich das ändern.

Die Durchführungsverordnung DVO 2018/ 1212 mit Mindestanforderung für den Datenverkehr nach der SRD II wird im Herbst 2020 wirksam, nachdem der Bundestag ARUG II (Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie) Ende 2019 verabschiedet hat. Die wesentlichen Bestandteile für Intermediäre treten zum 3. September 2020 in Kraft.

Mitwirkung der Aktionäre stärken

Ziel des Gesetzes ist zum einen die Verbesserung der Mitwirkung der Aktionäre in börsennotierten Unternehmen und der Abbau von Barrieren innerhalb des EU-Binnenmarktes. Außerdem soll die grenzüberschreitende Informationsübermittlung verbessert und die Ausübung von Aktionärsrechten vereinfacht werden. Zudem zielt das Gesetz auf eine Verbesserung der Transparenz bei Aktiengesellschaften ab. Über vier gesetzliche Ansätze soll im Rahmen von ARUG II die Umsetzung erfolgen:

- Say-on-pay: Aktionäre sollen bei der Vergütung von Aufsichtsrat und Vorstand sowie bei der Erstellung eines jährlichen Vergütungsberichtes größere Mitspracherechte erhalten.

- Related-party-transactions: Geschäfte nahestehender Personen und Unternehmen bedürfen der Zustimmung und Bekanntmachung ab einer Wesentlichkeitsschwelle von 1,5 Prozent der Summe aus Anlage- und Umlaufvermögen des zuletzt festgestellten Jahresabschlusses der Gesellschaft beziehungsweise des Konzernabschlusses.

- Comply-or-explain: Zur Verbesserung der Transparenz müssen bestimmte Anteilseigner wie institutionelle Anleger, Vermögensverwalter und Stimmrechtsberater künftig ihre Mitwirkungspolitik veröffentlichen oder erklären, warum dies nicht erfolgt. Mit den Pflichten zur Offenlegung von Mitwirkung, Anlageverhalten und Geschäftsmodell sollen Interessenkonflikte mit anderen Anlegern sowie Endbegünstigten vermieden werden.

- Know-your-Shareholder: Eine bessere Identifikation und Information der Aktio näre und weitreichende neue Pflichten für Intermediäre werden eingeführt.

Know-your-Shareholder-Anforderung

Gerade der Know-your-Shareholder-Ansatz beinhaltet einige Herausforderungen für Intermediäre, zu denen sofortige Informations und Rückmeldepflichten genauso gehören wie die Identifikation der Aktionäre.

- Unverzügliche Übermittlung von Informationen zu Unternehmensereignissen (§ 67a und b AktG-E i.V.m. DVO) an den Aktionär:

Einer der zentralen Anforderungen der ARRL II (Aktionärsrechterichtlinie) ist die verpflichtende, grenzüberschreitende Informationsweiterleitung von Unternehmensereignissen börsennotierter Gesellschaften innerhalb der EU beziehungsweise dem EWR durch die Intermediäre in der Verwahrkette, vom CSD (Central Securities Depository) bis zur depotführenden Bank des Aktionärs. Der daher zukünftig deutliche Anstieg von Mitteilungen geht einher mit gesetzlich vorgegebenen, signifikant kürzeren Übermittlungsfristen - in der Regel taggleich.

Dies lässt sich durch effiziente, hoch automatisierte Prozesse und sehr gut gepflegte Stammdaten bewerkstelligen. Und während heute noch zu etwa 80 Prozent eine überwiegend postalische Kommunikation bezüglich Corporate Actions und Hauptversammlungen an den Depotinhaber erfolgt, legt der Gesetzgeber die Annahme einer weitestgehend elektronischen Übermittlung vom Emittenten über den Intermediär bis zum Aktionär vor. Diese Annahme wird die Praktiker noch vor große Herausforderungen stellen.

- Unverzügliche Rückmeldung vom Aktionär an die Gesellschaft (§ 67c Abs. 1 und 2 AktG-E):

Intermediäre sind nun verpflichtet, Informationen der Aktionäre zu Unternehmensereignissen sowohl von inländischen als auch von ausländischen Aktiengesellschaften zurück an den Emittenten zu melden - unter strengen zeitlichen Vorgaben. Streng interpretiert, muss jede Antwort eines Aktionärs sofort weitergeleitet werden - ein kaum vorstellbarer administrativer Aufwand. Der Depotbank als Letztintermediär kommt zudem noch die Pflicht zu, die genaue Aktienzahl ihrer Depotkunden festzustellen und darüber hinaus festzustellen, ob, wie und welche Informationen nach der Wahl des Aktionärs zurück an die Gesellschaft zu übermitteln sind.

- Eingangsbestätigung und Rückmeldung an Aktionäre über Aufzeichnung und Zählung der Stimmen (§ 118 Abs. 1 und § 129 Absatz 5c AktG-E i.V.m. DVO):

Ebenfalls neu ist die Verpflichtung der Intermediäre, die Aktionäre bei elektronischer Stimmabgabe über den Eingang und die Zählung ihrer Stimme zu unterrichten. Erfolgt die Erstellung und Übermittlung dieser Bestätigung nicht durch die Gesellschaft, ist sie über die Intermediärskette an den Aktionär weiterzuleiten. Das bedeutet, dass der Intermediär selbst bei Vorgängen außerhalb seiner direkten Einflusssphäre jederzeit über den aktuellen Stand Auskunft geben können und entsprechende Prozesse aufbauen muss.

- Identifikation der tatsächlichen Aktionäre eines Emittenten (§ 67d AktG-E i.V.m. DVO):

Eine börsennotierte Gesellschaft kann ab September 2020 bei Inhaberaktien von jedem Intermediär, der Aktien verwahrt, regelmäßig Informationen über die wahre Identität ihrer Aktionäre und über den gegebenenfalls nächsten Intermediär der Verwahrkette verlangen. Theoretisch möglich ist also eine tägliche Abfrage, realistischer Weise wird es sich stark auf die Termine rund um die jährlichen Hauptversammlungstermine konzentrieren.

Einheitliches Daten- und Mitteilungsformat im Fokus

Bei der Umsetzung der EU-Regulierung in nationales Recht nutzen einige Länder wie zum Beispiel Österreich dabei die Möglichkeit, eine gesetzlich vorgesehene Minimalschwelle bis zum zulässigen Maximalwert für eine Bestandsabfrage anzuwenden. Etwaige Details, wie etwa die Höhe der Besitzquoten oder die Bestimmung von Anteilen aus Gemeinschaftsdepots, befinden sich für die praktische Umsetzung bereits in Abstimmung. Sicher ist, dass bei der Offenlegung von Aktionärsdaten unter dem ARUG-II-Regime die Daten natürlicher Personen nicht mehr aggregiert werden können.

- Anforderungen und zeitliche Vorgaben an die Übermittlung von Informationen (Art. 9 DVO):

Ein besonderes Augenmerk wird auf ein einheitliches Daten- und Mitteilungsformat für den elektronischen Informationsaustausch gelegt. Dies ist aus Marktsicht zu begrüßen, da nur so ein effizientes und zuverlässiges Zusammenspiel zwischen Intermediären, Emittenten und Aktionären zur Erfüllung der dedizierten Vorgaben für die Informationsübermittlung möglich ist. Mindestanforderungen an Inhalt, Format und sehr enge zeitliche Fristen der zu übermittelnden Informationen, aber auch ihre Reihenfolge und Aspekte der Sicherheit sowie Interoperabilität stehen bereits fest.

Enorme Datenmenge erfordert schnelle Verarbeitung

Der Gesetzgeber überlässt es dabei den Marktteilnehmern, für die Sicherheit und Integrität der hochsensiblen, personenbezogenen Daten zu sorgen und die Vertrauenswürdigkeit der Anfragen und Angaben zu gewährleisten. Dem Schutz der Daten gegen unberechtigten Zugriff, sowohl bei der anfragenden Stelle als auch beim Transport, muss daher noch größere Sorgfalt gewidmet werden.

Ohne eine Straight-through-Processing-Verarbeitung lässt sich das zukünftige Datenvolumen innerhalb der engen, zeitlichen Vorgaben nicht mehr bewältigen: Allein an der Deutschen Börse gibt es rund 450 gelistete Aktiengesellschaften. Zusammen mit den tausenden ausländischen Gesellschaften in der EU gilt es daher, eine enorme Datenmenge rund um Offenlegungsanfragen und Unternehmensereignisse in einem kurzen Zeitraum zu bewegen. Eine manuelle Selektion und Aufbereitung der Informationen wird daher zukünftig weder anforderungskonform noch effizient sein.

- Zusätzliche Erfassung einer elektronischen Adresse des Aktionärs (§ 67 Abs. 1 Satz 1 AktG-E):

ARUG II sieht neben der Postanschrift des Kunden die Erfassung einer elektronischen Adresse vor. Intermediäre sind daher angehalten, eine E-Mail-Adresse beim Kunden nachzufragen. Sofern eine solche Adresse bereits vorliegt, ist zu klären, ob die Weiterleitung innerhalb der Kette gewünscht ist. In der Folge ist für Depotinhaber eine zweite E-Mail-Adresse für ihre Kommunikation als Aktionär empfehlenswert. Außerdem hat diese Regelung Auswirkungen auf zahlreiche administrative Prozesse der Intermediäre.

Gleichzeitig hat der Gesetzgeber aber auch ein Stück weit Vorsorge für die Handhabung der DSGVO getragen. Laut ARUG II dürfen Gesellschaften und Intermediäre personenbezogene Aktionärsdaten für rechtliche Verpflichtungen verarbeiten und innerhalb der kompletten Intermediärskette übermitteln.

- Intermediäre können notwendige Aufwendungen weiterreichen (§ 67f AktG-E):

Intermediäre können ihre Aufwendungen für die Nachrichtenübermittlung und Informationserhebung den Emittenten pauschaliert in Rechnung stellen. Auch hier sind noch vereinzelte praktische Anwendungsfragen abzustimmen. So lässt der Gesetzgeber beispielweise zwar prinzipiell höhere Aufwendungen als marktüblich zu, gleichzeitig sind aber nur solche Kosten erstattungsfähig, die auf der Basis des Einsatzes moderner Technologien anfallen. Damit erhöht sich der Druck auf die Intermediäre, etablierte manuelle Prozesse zu automatisieren. Es gibt hierfür keine allgemeine Marktpraxis: Das eine Haus verzichtet hierbei ganz auf eine Verrechnung, andere nehmen den Standardsatz, gar keinen oder haben Pauschalen. Alle Konstellationen sind denkbar.

Bis zum Ende der Übergangsfrist müssen mit dem Inkrafttreten von ARUG II Intermediäre die Verpflichtungen wie Aktionärsidentifikation oder Informationsweiterleitung erfüllen. Dazu sind effiziente Straight-through-Prozesse entlang der gesamten Informationskette genauso wie der Aufbau einer auf europäischer Ebene einheitlichen, standardisierten Kommunikation im Zusammenspiel aller Marktteilnehmer notwendig.

Einheitliche Kommunikation erforderlich

Auch der Endkunde erwartet rechtzeitige und verständliche Informationen zur neuen Gesetzgebung, weswegen kundenbetreuende Einheiten in das Design der ARUG-II-Prozesse frühzeitig eingebunden werden sollten. Für Intermediäre ist es wichtig, all dies zur fristgerechten Umsetzung der neuen Vorschriften zu beachten und entsprechende Lösungen zeitgerecht einzuführen. Nur so wird sich der erhoffte Erfolg und die Marktakzeptanz von ARUG II bei allen Beteiligten einstellen.

Markus Honvehlmann Partner, Wepex Unternehmens - beratung, Frankfurt am Main
Christian Woelke Senior Manager, Wepex Unternehmensberatung, Frankfurt am Main
 
Markus Honvehlmann , Partner, Wepex Unternehmens - beratung, Frankfurt am Main
Christian Woelke , Senior Manager, Wepex Unternehmensberatung, Frankfurt am Main

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